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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Griechische Uleine.

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den Gewächsen von Madeira und Malaga erfolgreich konkurriren. Es giebt
von erstern süße und herbe, und unter jenen leistet der Moskado außerordent¬
liches, nur muß er ein gewisses Alter erreicht haben. Tinos weist den bereits
kurz erwähnten Malvasier auf, den Menzer als "rubinrot, fett und voll Feuer,
mit hochfeiner Blume" charakterisiert, Paros einen dem Misistra - Malvasier
ähnelnden Süßwein, Tzea einige weiße Clarets, die sich nicht sehr hervorthun,
Tenedos, das beinahe nur vom Weinbau lebt, leichte, etwas säuerliche, dem
Bordeaux gleichende rote Sorten, von denen jährlich über hunderttausend Faß
nach Smyrna, Konstantinopel und Odessa verschickt werden.

Die edelste Perle der zum Königreiche Hellas gehörigen Inseln ist, was
die Weinerzeugung betrifft, Santorinv, das Kalliste des Altertums, die südlichste
Insel der Cykladen. Hier, aus rein vulkanischem Boden, neben dem mitten im
Meere noch ein Krater raucht und gelegentlich Flammen emporsteigen läßt,
wachsen Weiße und rote Weine in größter Fülle und Mannichfaltigkeit. Der
beste rote ist der herbe Camarite, ein Wein, der sich mit seinem merkwürdigen
Tanningehalt als Magenweiu empfiehlt. Nach ihm kommt der Vino ti Banco,
ein trockner, geistreicher, angenehm schmeckender Claret vom Charakter des echten
Marsaln. Vorzügliche Weißweine von Santorin sind die Sorten Kalliste und
Ella, vou denen die erstgenannte die stärkere ist; sonst sind beide gleich brillant,
hell, von fein gewürziger Blume, uach Ton lind Wesen den besten Weißmeinen
Frankreichs ähnlich. Über allen endlich steht der Vino Santo, der König der
Weine, die das heutige Hellas hervorbringt, sowohl in tiefroter als in dnnkel-
bernfteingelber Farbe zu haben, süß, fett, reich an Alkohol und von höchst kräf¬
tigem, aufregendem Aroma. Er ist, wie der Vino Ros6, ein Essenzwein, der
dem Tokayer gleichkommt, aber viel wohlfeiler ist, einer der beliebtesten Liqneur-
weine des Südens. Die Insel produzirt durchschnittlich neun-, in guten Jahren
zwölftausend Pipeu. Die hauptsächlichsten Konsignationen gehen nach Konstan¬
tinopel und deu russischen Häfen am Schwarzen Meere. Seit etwa fünf Jahren
bezieht aber auch Menzer erhebliche Quantitäten dieser trefflichen Weine, und
Man kann sie mit ihren Landsleuten aus dem Peloponnes und von den ionischen
Inseln in den Kellern der Firma in stattlichen Stückfässern aneinandergereiht
sehen. Übrigens hat es auch für mäßig bemittelte Wißbegierige keine Schwierig¬
keit, ihre Kenntnis von den Gaben des hellenischen Weingotts zunächst durch
ein vorsichtiges Kosten zu erweitern. Herr Menzer versendet Probekisten zu zwölf
Flaschen mit ebensoviel Sorten, und der Preis der besten von den letzter" erreicht
koch nicht zwei Mark für die Flasche. Noch edlere Gewächse, wie der "Wein
der Helena" und der "Wein Homers," sind nicht viel teurer.

Also, man versuche, wie der Versasser es gethan hat. Man wird ihm für
den Wink danken und sicherlich mehr begehren. Denn, wie der Diener des Prä¬
laten Fugger an die Thür der Schenke von Montefiascone schrieb: Usk! Dsl! Usk!




Griechische Uleine.

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den Gewächsen von Madeira und Malaga erfolgreich konkurriren. Es giebt
von erstern süße und herbe, und unter jenen leistet der Moskado außerordent¬
liches, nur muß er ein gewisses Alter erreicht haben. Tinos weist den bereits
kurz erwähnten Malvasier auf, den Menzer als „rubinrot, fett und voll Feuer,
mit hochfeiner Blume" charakterisiert, Paros einen dem Misistra - Malvasier
ähnelnden Süßwein, Tzea einige weiße Clarets, die sich nicht sehr hervorthun,
Tenedos, das beinahe nur vom Weinbau lebt, leichte, etwas säuerliche, dem
Bordeaux gleichende rote Sorten, von denen jährlich über hunderttausend Faß
nach Smyrna, Konstantinopel und Odessa verschickt werden.

Die edelste Perle der zum Königreiche Hellas gehörigen Inseln ist, was
die Weinerzeugung betrifft, Santorinv, das Kalliste des Altertums, die südlichste
Insel der Cykladen. Hier, aus rein vulkanischem Boden, neben dem mitten im
Meere noch ein Krater raucht und gelegentlich Flammen emporsteigen läßt,
wachsen Weiße und rote Weine in größter Fülle und Mannichfaltigkeit. Der
beste rote ist der herbe Camarite, ein Wein, der sich mit seinem merkwürdigen
Tanningehalt als Magenweiu empfiehlt. Nach ihm kommt der Vino ti Banco,
ein trockner, geistreicher, angenehm schmeckender Claret vom Charakter des echten
Marsaln. Vorzügliche Weißweine von Santorin sind die Sorten Kalliste und
Ella, vou denen die erstgenannte die stärkere ist; sonst sind beide gleich brillant,
hell, von fein gewürziger Blume, uach Ton lind Wesen den besten Weißmeinen
Frankreichs ähnlich. Über allen endlich steht der Vino Santo, der König der
Weine, die das heutige Hellas hervorbringt, sowohl in tiefroter als in dnnkel-
bernfteingelber Farbe zu haben, süß, fett, reich an Alkohol und von höchst kräf¬
tigem, aufregendem Aroma. Er ist, wie der Vino Ros6, ein Essenzwein, der
dem Tokayer gleichkommt, aber viel wohlfeiler ist, einer der beliebtesten Liqneur-
weine des Südens. Die Insel produzirt durchschnittlich neun-, in guten Jahren
zwölftausend Pipeu. Die hauptsächlichsten Konsignationen gehen nach Konstan¬
tinopel und deu russischen Häfen am Schwarzen Meere. Seit etwa fünf Jahren
bezieht aber auch Menzer erhebliche Quantitäten dieser trefflichen Weine, und
Man kann sie mit ihren Landsleuten aus dem Peloponnes und von den ionischen
Inseln in den Kellern der Firma in stattlichen Stückfässern aneinandergereiht
sehen. Übrigens hat es auch für mäßig bemittelte Wißbegierige keine Schwierig¬
keit, ihre Kenntnis von den Gaben des hellenischen Weingotts zunächst durch
ein vorsichtiges Kosten zu erweitern. Herr Menzer versendet Probekisten zu zwölf
Flaschen mit ebensoviel Sorten, und der Preis der besten von den letzter» erreicht
koch nicht zwei Mark für die Flasche. Noch edlere Gewächse, wie der „Wein
der Helena" und der „Wein Homers," sind nicht viel teurer.

Also, man versuche, wie der Versasser es gethan hat. Man wird ihm für
den Wink danken und sicherlich mehr begehren. Denn, wie der Diener des Prä¬
laten Fugger an die Thür der Schenke von Montefiascone schrieb: Usk! Dsl! Usk!




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[0619] Griechische Uleine. 611 den Gewächsen von Madeira und Malaga erfolgreich konkurriren. Es giebt von erstern süße und herbe, und unter jenen leistet der Moskado außerordent¬ liches, nur muß er ein gewisses Alter erreicht haben. Tinos weist den bereits kurz erwähnten Malvasier auf, den Menzer als „rubinrot, fett und voll Feuer, mit hochfeiner Blume" charakterisiert, Paros einen dem Misistra - Malvasier ähnelnden Süßwein, Tzea einige weiße Clarets, die sich nicht sehr hervorthun, Tenedos, das beinahe nur vom Weinbau lebt, leichte, etwas säuerliche, dem Bordeaux gleichende rote Sorten, von denen jährlich über hunderttausend Faß nach Smyrna, Konstantinopel und Odessa verschickt werden. Die edelste Perle der zum Königreiche Hellas gehörigen Inseln ist, was die Weinerzeugung betrifft, Santorinv, das Kalliste des Altertums, die südlichste Insel der Cykladen. Hier, aus rein vulkanischem Boden, neben dem mitten im Meere noch ein Krater raucht und gelegentlich Flammen emporsteigen läßt, wachsen Weiße und rote Weine in größter Fülle und Mannichfaltigkeit. Der beste rote ist der herbe Camarite, ein Wein, der sich mit seinem merkwürdigen Tanningehalt als Magenweiu empfiehlt. Nach ihm kommt der Vino ti Banco, ein trockner, geistreicher, angenehm schmeckender Claret vom Charakter des echten Marsaln. Vorzügliche Weißweine von Santorin sind die Sorten Kalliste und Ella, vou denen die erstgenannte die stärkere ist; sonst sind beide gleich brillant, hell, von fein gewürziger Blume, uach Ton lind Wesen den besten Weißmeinen Frankreichs ähnlich. Über allen endlich steht der Vino Santo, der König der Weine, die das heutige Hellas hervorbringt, sowohl in tiefroter als in dnnkel- bernfteingelber Farbe zu haben, süß, fett, reich an Alkohol und von höchst kräf¬ tigem, aufregendem Aroma. Er ist, wie der Vino Ros6, ein Essenzwein, der dem Tokayer gleichkommt, aber viel wohlfeiler ist, einer der beliebtesten Liqneur- weine des Südens. Die Insel produzirt durchschnittlich neun-, in guten Jahren zwölftausend Pipeu. Die hauptsächlichsten Konsignationen gehen nach Konstan¬ tinopel und deu russischen Häfen am Schwarzen Meere. Seit etwa fünf Jahren bezieht aber auch Menzer erhebliche Quantitäten dieser trefflichen Weine, und Man kann sie mit ihren Landsleuten aus dem Peloponnes und von den ionischen Inseln in den Kellern der Firma in stattlichen Stückfässern aneinandergereiht sehen. Übrigens hat es auch für mäßig bemittelte Wißbegierige keine Schwierig¬ keit, ihre Kenntnis von den Gaben des hellenischen Weingotts zunächst durch ein vorsichtiges Kosten zu erweitern. Herr Menzer versendet Probekisten zu zwölf Flaschen mit ebensoviel Sorten, und der Preis der besten von den letzter» erreicht koch nicht zwei Mark für die Flasche. Noch edlere Gewächse, wie der „Wein der Helena" und der „Wein Homers," sind nicht viel teurer. Also, man versuche, wie der Versasser es gethan hat. Man wird ihm für den Wink danken und sicherlich mehr begehren. Denn, wie der Diener des Prä¬ laten Fugger an die Thür der Schenke von Montefiascone schrieb: Usk! Dsl! Usk!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/619>, abgerufen am 03.07.2024.