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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Griechische Weine.

derselbe wächst, ist kalkhaltig und steinig. Die Trauben sind hellrot, haben eine
dünne Schale und ein sestes Fleisch und enthalten viel Zucker. Die beste Lage
der Insel ist die Commanderia, auf dem Boden eines Palastes und Gartens
der alten Templer im Distrikt Orni. Gut gepflegt, mag dieses Gewächs das
Lob verdienen, das Hamm ihm mit den Worten erteilt: "Goldgelb, wenig süß,
ungemein feurig, mit jenem unnachahmlichen Aroma des Südens, welches alle
seine Weine charakterisier, daneben aber mit einem eigentümlichen feinen Vonqnet,
welches einigermaßen an bittere Mandeln erinnert." Der Commanderia aber,
den man für gewöhnlich in den Osterien Triests und Venedigs bekommt, und
den der Verfasser dieser Zeilen in Jerusalem, Beirut und Larnccka trank, war
durchaus nicht zu rühmen, und Menzer, der sich von einem Weinhause in letz¬
terer Stadt vier Sorten kommen ließ, urteilt darüber: "Ich finde dieselben
geradezu abscheulich; sie haben eine platte, stechende Süße, undefinirbaren Ge¬
ruch und schmecken entschieden rauchig und nach Pech. Wenn daher Schiller
den Fiesco sagen läßt: "Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen," so
hat ihn ersterer gewiß nicht zu letzterem begeistert."

Eine Hauptstätte des griechischen Weinbaues war früher die Insel Kreta.
Im Mittelalter setzten die Mönche des großen Klosters Arkadi den Dienst des
heidnischen Weingottes andächtig fort, und später gehörte es zu den Vergnügungen
der Kandivteu, sich zu Zeiten um ein stattliches Faß, gefüllt mit den Gewächsen
von Kcmea, Kisamos oder Spacchia, zu lagern und nicht eher wieder aufzustehen,
als bis es leer getrunken war -- eine Leistung, die man sich nicht zu gefähr¬
lich vorstellen darf, da jene Sorten nicht schwer sind. Jetzt hat der Weinbau,
der auch etwas Malvasier liefert, hier nicht mehr die einstige Bedeutung, doch
werden immer noch etwa hunderttausend Hektoliter das Jahr gewonnen. Er¬
wähnt möge schließlich noch werden, daß die Juden in Retimo sür den Gebrauch
ihrer Glaubensgenossen den "Vino ti Legge" (Wein des Gesetzes) bereiten.
Hamm nennt ihn einen "süßen, delikaten, haltbaren Licnieurwein," der Schreiber
dieser Zeilen, der ihn in der Locanda von Jaffa probirte, weiß von dem koscheren
Gebräu nur, daß es unangenehm süß schmeckt.

Chios lieferte zu Strnbons Zeit den Römern vortreffliche Cruch in Fülle.
Heutzutage gehören Liebhaber dazu, wenn die Produkte der dortigen Neben-
pflanznngen gelobt werden sollen. Selbst der von Virgil gepriesene Nektar von Mestci,
der noch auf der berühmten Weinkarte der "Drei Mohren" in Augsburg figu-
rirte, ist von bitterm, herbem Geschmack, sodaß ihn jeder nichtgriechische Gaumen
verschmäht. Weit mehr Gewicht als auf den Weinbau legen die Chioten auf
die Destillation von Mastixbranntwein, der in der ganzen Levante, namentlich
aber in den dortigen orthodoxen Klöstern Freunde hat, weshalb er ^">i,o-
TrttTraöc^, Pfaffenmilch, genannt wird. Samos, Kos, Tenedos, desgleichen
Tinos, Skopelo, Mikoni und Naxia liefern außer gewöhnlichen Weinen auch
Moskados. Die bessern samischen Sorten könnten bei sorgsamerer Pflege mit


Griechische Weine.

derselbe wächst, ist kalkhaltig und steinig. Die Trauben sind hellrot, haben eine
dünne Schale und ein sestes Fleisch und enthalten viel Zucker. Die beste Lage
der Insel ist die Commanderia, auf dem Boden eines Palastes und Gartens
der alten Templer im Distrikt Orni. Gut gepflegt, mag dieses Gewächs das
Lob verdienen, das Hamm ihm mit den Worten erteilt: „Goldgelb, wenig süß,
ungemein feurig, mit jenem unnachahmlichen Aroma des Südens, welches alle
seine Weine charakterisier, daneben aber mit einem eigentümlichen feinen Vonqnet,
welches einigermaßen an bittere Mandeln erinnert." Der Commanderia aber,
den man für gewöhnlich in den Osterien Triests und Venedigs bekommt, und
den der Verfasser dieser Zeilen in Jerusalem, Beirut und Larnccka trank, war
durchaus nicht zu rühmen, und Menzer, der sich von einem Weinhause in letz¬
terer Stadt vier Sorten kommen ließ, urteilt darüber: „Ich finde dieselben
geradezu abscheulich; sie haben eine platte, stechende Süße, undefinirbaren Ge¬
ruch und schmecken entschieden rauchig und nach Pech. Wenn daher Schiller
den Fiesco sagen läßt: »Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen,« so
hat ihn ersterer gewiß nicht zu letzterem begeistert."

Eine Hauptstätte des griechischen Weinbaues war früher die Insel Kreta.
Im Mittelalter setzten die Mönche des großen Klosters Arkadi den Dienst des
heidnischen Weingottes andächtig fort, und später gehörte es zu den Vergnügungen
der Kandivteu, sich zu Zeiten um ein stattliches Faß, gefüllt mit den Gewächsen
von Kcmea, Kisamos oder Spacchia, zu lagern und nicht eher wieder aufzustehen,
als bis es leer getrunken war — eine Leistung, die man sich nicht zu gefähr¬
lich vorstellen darf, da jene Sorten nicht schwer sind. Jetzt hat der Weinbau,
der auch etwas Malvasier liefert, hier nicht mehr die einstige Bedeutung, doch
werden immer noch etwa hunderttausend Hektoliter das Jahr gewonnen. Er¬
wähnt möge schließlich noch werden, daß die Juden in Retimo sür den Gebrauch
ihrer Glaubensgenossen den „Vino ti Legge" (Wein des Gesetzes) bereiten.
Hamm nennt ihn einen „süßen, delikaten, haltbaren Licnieurwein," der Schreiber
dieser Zeilen, der ihn in der Locanda von Jaffa probirte, weiß von dem koscheren
Gebräu nur, daß es unangenehm süß schmeckt.

Chios lieferte zu Strnbons Zeit den Römern vortreffliche Cruch in Fülle.
Heutzutage gehören Liebhaber dazu, wenn die Produkte der dortigen Neben-
pflanznngen gelobt werden sollen. Selbst der von Virgil gepriesene Nektar von Mestci,
der noch auf der berühmten Weinkarte der „Drei Mohren" in Augsburg figu-
rirte, ist von bitterm, herbem Geschmack, sodaß ihn jeder nichtgriechische Gaumen
verschmäht. Weit mehr Gewicht als auf den Weinbau legen die Chioten auf
die Destillation von Mastixbranntwein, der in der ganzen Levante, namentlich
aber in den dortigen orthodoxen Klöstern Freunde hat, weshalb er ^«>i,o-
TrttTraöc^, Pfaffenmilch, genannt wird. Samos, Kos, Tenedos, desgleichen
Tinos, Skopelo, Mikoni und Naxia liefern außer gewöhnlichen Weinen auch
Moskados. Die bessern samischen Sorten könnten bei sorgsamerer Pflege mit


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[0618] Griechische Weine. derselbe wächst, ist kalkhaltig und steinig. Die Trauben sind hellrot, haben eine dünne Schale und ein sestes Fleisch und enthalten viel Zucker. Die beste Lage der Insel ist die Commanderia, auf dem Boden eines Palastes und Gartens der alten Templer im Distrikt Orni. Gut gepflegt, mag dieses Gewächs das Lob verdienen, das Hamm ihm mit den Worten erteilt: „Goldgelb, wenig süß, ungemein feurig, mit jenem unnachahmlichen Aroma des Südens, welches alle seine Weine charakterisier, daneben aber mit einem eigentümlichen feinen Vonqnet, welches einigermaßen an bittere Mandeln erinnert." Der Commanderia aber, den man für gewöhnlich in den Osterien Triests und Venedigs bekommt, und den der Verfasser dieser Zeilen in Jerusalem, Beirut und Larnccka trank, war durchaus nicht zu rühmen, und Menzer, der sich von einem Weinhause in letz¬ terer Stadt vier Sorten kommen ließ, urteilt darüber: „Ich finde dieselben geradezu abscheulich; sie haben eine platte, stechende Süße, undefinirbaren Ge¬ ruch und schmecken entschieden rauchig und nach Pech. Wenn daher Schiller den Fiesco sagen läßt: »Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen,« so hat ihn ersterer gewiß nicht zu letzterem begeistert." Eine Hauptstätte des griechischen Weinbaues war früher die Insel Kreta. Im Mittelalter setzten die Mönche des großen Klosters Arkadi den Dienst des heidnischen Weingottes andächtig fort, und später gehörte es zu den Vergnügungen der Kandivteu, sich zu Zeiten um ein stattliches Faß, gefüllt mit den Gewächsen von Kcmea, Kisamos oder Spacchia, zu lagern und nicht eher wieder aufzustehen, als bis es leer getrunken war — eine Leistung, die man sich nicht zu gefähr¬ lich vorstellen darf, da jene Sorten nicht schwer sind. Jetzt hat der Weinbau, der auch etwas Malvasier liefert, hier nicht mehr die einstige Bedeutung, doch werden immer noch etwa hunderttausend Hektoliter das Jahr gewonnen. Er¬ wähnt möge schließlich noch werden, daß die Juden in Retimo sür den Gebrauch ihrer Glaubensgenossen den „Vino ti Legge" (Wein des Gesetzes) bereiten. Hamm nennt ihn einen „süßen, delikaten, haltbaren Licnieurwein," der Schreiber dieser Zeilen, der ihn in der Locanda von Jaffa probirte, weiß von dem koscheren Gebräu nur, daß es unangenehm süß schmeckt. Chios lieferte zu Strnbons Zeit den Römern vortreffliche Cruch in Fülle. Heutzutage gehören Liebhaber dazu, wenn die Produkte der dortigen Neben- pflanznngen gelobt werden sollen. Selbst der von Virgil gepriesene Nektar von Mestci, der noch auf der berühmten Weinkarte der „Drei Mohren" in Augsburg figu- rirte, ist von bitterm, herbem Geschmack, sodaß ihn jeder nichtgriechische Gaumen verschmäht. Weit mehr Gewicht als auf den Weinbau legen die Chioten auf die Destillation von Mastixbranntwein, der in der ganzen Levante, namentlich aber in den dortigen orthodoxen Klöstern Freunde hat, weshalb er ^«>i,o- TrttTraöc^, Pfaffenmilch, genannt wird. Samos, Kos, Tenedos, desgleichen Tinos, Skopelo, Mikoni und Naxia liefern außer gewöhnlichen Weinen auch Moskados. Die bessern samischen Sorten könnten bei sorgsamerer Pflege mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/618>, abgerufen am 22.07.2024.