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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

In der Aktiengesellschaft und in der Genossenschaft verliert der Beteiligte
das Recht an seinem Eigentum vollständig; der Unterschied zwischen beiden ist
nnr der. daß der Verlust dieses Rechts sich bei der Aktiengesellschaft auf den
Betrag des Aktienkapitals beschränkt, während dieser Verlust bei der Genossen¬
schaft sich auf das gestimmte Vermögen erstreckt. Für diese ungeheuerlichen Rechts¬
verluste tauscht sowohl Aktionär als Genossenschafter nichts ein als die Scheiu-
rechte der Vorstandswahl und der Abstimmung bei der Generalversammlung!

Beide Institute haben im Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre unsre
gesammte Wirtschaftlichkeit überwuchert und alle wirtschaftlichen Verhältnisse
durchsetzt. Sie stehen zu dem Netz von Bankiers, Finanz- und Handelsagenten,
welches seit eben dieser Zeit gleichfalls das ganze Land überzogen und seine
Maschen bis über die kleinsten Verhältnisse geworfen hat. in nächster Beziehung.
Sie bahnen dem Wucher "ir Zros den Weg und führen jährlich der Börse un¬
geheure Summen zu. Immer raschem Ganges fallen alle Gebiete der wirt¬
schaftlichen Thätigkeit in ihre Hände, und jeder dieser Vorgänge bezeichnet einen
Verlust am Nationalwohlstnnd zu Gunsten des internationalen Reichtums, der
in den großen wirtschaftlichen Krisen seine Orgien feiert.

Eine Reihenfolge von Vorgängen auf dem Gebiete des Aktien- und Ge¬
nossenschaftswesens, die sich in den letzten Jahren zutrugen, hat wohl den Leuten
die Augen etwas geöffnet, aber immer noch nicht zur Genüge. Die Vorgänge bei
der Luxemburger Nationalbank, bei der Deutschen Handelsgesellschaft in Frank¬
furt ?e.. dann bei den Genossenschaften in München, in Stuttgart^.*) haben gezeigt,
daß Aktionäre und Genossenschafter in Bezug auf ihr Eigentum weit rechtloser sind,
als sie es in dem ärgsten "sozialistischen Jdealstacit" sein könnten. Ist es schon
schlimm genug, daß die Aktiengesellschaften von ihren Direktoren um Millionen
bchohlen werden können ohne entsprechende Bestrafung, so ist es noch schlimmer,
daß in den Kreisen des Großkapitalbesitzes die moralische Beurteilung der Eigen¬
tumsverhältnisse vollständig beseitigt erscheint. Dies führen alle Fälle von Aktien-
gesellschnftszusammenbrüchen vor Augen.

In dein Falle der Luxemburger Bank gelang es den Direktoren, Millionen
bon Privntschulden der Bank auszulasten und das Portefeuille der Bank seiner
guten Werttitel zu entleeren, um es mit Pariser Treppen-"Werten" zu füllen,
dem Falle der Deutschen Handelsgesellschaft stahlen die Direktoren zu Gunsten
Newyorker Firma Gebrüder Mayer -- zu deren Inhabern zwei Brüder
des einen Handelsgcsellschaftsdirektors gehörten und bei der der Vorsitzende des
Aufsichtsrats jener Gesellschaft beteiligt war -- im Verlaufe von etwa anderthalb
wahren nahezu zehn Millionen Mark, und die Eingeweihten hielten schließlich,
als die nette "Transaktion" durchgeführt war, die Sache noch sechs Wochen



Neuerdings auch bei der Berliner Handelsgesellschaft und bei der Preußischen
Leihbank.
Börse und Publikum.

In der Aktiengesellschaft und in der Genossenschaft verliert der Beteiligte
das Recht an seinem Eigentum vollständig; der Unterschied zwischen beiden ist
nnr der. daß der Verlust dieses Rechts sich bei der Aktiengesellschaft auf den
Betrag des Aktienkapitals beschränkt, während dieser Verlust bei der Genossen¬
schaft sich auf das gestimmte Vermögen erstreckt. Für diese ungeheuerlichen Rechts¬
verluste tauscht sowohl Aktionär als Genossenschafter nichts ein als die Scheiu-
rechte der Vorstandswahl und der Abstimmung bei der Generalversammlung!

Beide Institute haben im Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre unsre
gesammte Wirtschaftlichkeit überwuchert und alle wirtschaftlichen Verhältnisse
durchsetzt. Sie stehen zu dem Netz von Bankiers, Finanz- und Handelsagenten,
welches seit eben dieser Zeit gleichfalls das ganze Land überzogen und seine
Maschen bis über die kleinsten Verhältnisse geworfen hat. in nächster Beziehung.
Sie bahnen dem Wucher «ir Zros den Weg und führen jährlich der Börse un¬
geheure Summen zu. Immer raschem Ganges fallen alle Gebiete der wirt¬
schaftlichen Thätigkeit in ihre Hände, und jeder dieser Vorgänge bezeichnet einen
Verlust am Nationalwohlstnnd zu Gunsten des internationalen Reichtums, der
in den großen wirtschaftlichen Krisen seine Orgien feiert.

Eine Reihenfolge von Vorgängen auf dem Gebiete des Aktien- und Ge¬
nossenschaftswesens, die sich in den letzten Jahren zutrugen, hat wohl den Leuten
die Augen etwas geöffnet, aber immer noch nicht zur Genüge. Die Vorgänge bei
der Luxemburger Nationalbank, bei der Deutschen Handelsgesellschaft in Frank¬
furt ?e.. dann bei den Genossenschaften in München, in Stuttgart^.*) haben gezeigt,
daß Aktionäre und Genossenschafter in Bezug auf ihr Eigentum weit rechtloser sind,
als sie es in dem ärgsten „sozialistischen Jdealstacit" sein könnten. Ist es schon
schlimm genug, daß die Aktiengesellschaften von ihren Direktoren um Millionen
bchohlen werden können ohne entsprechende Bestrafung, so ist es noch schlimmer,
daß in den Kreisen des Großkapitalbesitzes die moralische Beurteilung der Eigen¬
tumsverhältnisse vollständig beseitigt erscheint. Dies führen alle Fälle von Aktien-
gesellschnftszusammenbrüchen vor Augen.

In dein Falle der Luxemburger Bank gelang es den Direktoren, Millionen
bon Privntschulden der Bank auszulasten und das Portefeuille der Bank seiner
guten Werttitel zu entleeren, um es mit Pariser Treppen-„Werten" zu füllen,
dem Falle der Deutschen Handelsgesellschaft stahlen die Direktoren zu Gunsten
Newyorker Firma Gebrüder Mayer — zu deren Inhabern zwei Brüder
des einen Handelsgcsellschaftsdirektors gehörten und bei der der Vorsitzende des
Aufsichtsrats jener Gesellschaft beteiligt war — im Verlaufe von etwa anderthalb
wahren nahezu zehn Millionen Mark, und die Eingeweihten hielten schließlich,
als die nette „Transaktion" durchgeführt war, die Sache noch sechs Wochen



Neuerdings auch bei der Berliner Handelsgesellschaft und bei der Preußischen
Leihbank.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/595>, abgerufen am 25.08.2024.