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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Fürst Vismarck und Polen.

j or kurzem brachte der in Kulan erscheinende "Czas" einen Be-
richt, welcher angeblich die Ansichten des deutschen Reichskanzlers
über die Möglichkeit einer Wiederherstellung Polens unter ge¬
wissen Umständen enthielt. Der Kanzler sollte einen vornehmen pol¬
nischen Patrioten zu sich nach Varzin eingeladen haben, um sich
^sser Auffassung der Sache vortragen zu lassen, und es sollte darauf dort eine
Unterredung gefolgt sein, nach der zu schließen wäre, daß Fürst Bismnrck nicht
abgeneigt sein würde, nach einem glücklichen Kampfe des deutschen Reiches mit
Nußland in die Umwandlung Russisch-Polens in eiuen selbständigen Staat zu
Willigen, dn dieser teils infolge der Dankbarkeit, die seiue Angehörigen Deutsch¬
land gegenüber erfüllen müßte, teils wegen des Hasses derselben gegen Rußland
Bollwerk an unsrer Ostgrenze sein würde. Die ganze Geschichte ist seitdem
bon der offiziösen "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" mit starken Ausdrücken
Ul Abrede gestellt worden. Sie ist "ein kümmerlicher Lückenbüßer der Sonimer-
^it," die "Erfindung eines urteilslosen Fenilletonschreibers." "Der angebliche
Gesuch eines Polen in Varzin und die angebliche Unterredung haben niemals
stattgefunden, und der angebliche Brief des Reichskanzlers, mit dem der Schwindel
^ofsn^t wird, wäre, wenn er vorgezeigt würde, ein Falsum, welches den Strnf-
richter interessiren könnte."

So das offiziöse Blatt. Man kann eine Nachricht nicht wohl kräftiger
vementireu, und damit könnte die Angelegenheit abgethan und begraben sein,
^udeß haben viele deutschen Blatter die Mitteilung des "Czas" ausführlich und
ohne Zweifel zu äußern wiedergegeben, und 8kmpor g,ki<Ma it^kret, mag die
^erleumdnng auch fehr abgeschmackt sein. Auch ist das genannte polnische
^vurnal, ein Organ der "weißen," aristokratischen oder Cznrtoryskischen Partei,


Gnnizbvwi III. 1882, 7Z


Fürst Vismarck und Polen.

j or kurzem brachte der in Kulan erscheinende „Czas" einen Be-
richt, welcher angeblich die Ansichten des deutschen Reichskanzlers
über die Möglichkeit einer Wiederherstellung Polens unter ge¬
wissen Umständen enthielt. Der Kanzler sollte einen vornehmen pol¬
nischen Patrioten zu sich nach Varzin eingeladen haben, um sich
^sser Auffassung der Sache vortragen zu lassen, und es sollte darauf dort eine
Unterredung gefolgt sein, nach der zu schließen wäre, daß Fürst Bismnrck nicht
abgeneigt sein würde, nach einem glücklichen Kampfe des deutschen Reiches mit
Nußland in die Umwandlung Russisch-Polens in eiuen selbständigen Staat zu
Willigen, dn dieser teils infolge der Dankbarkeit, die seiue Angehörigen Deutsch¬
land gegenüber erfüllen müßte, teils wegen des Hasses derselben gegen Rußland
Bollwerk an unsrer Ostgrenze sein würde. Die ganze Geschichte ist seitdem
bon der offiziösen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" mit starken Ausdrücken
Ul Abrede gestellt worden. Sie ist „ein kümmerlicher Lückenbüßer der Sonimer-
^it," die „Erfindung eines urteilslosen Fenilletonschreibers." „Der angebliche
Gesuch eines Polen in Varzin und die angebliche Unterredung haben niemals
stattgefunden, und der angebliche Brief des Reichskanzlers, mit dem der Schwindel
^ofsn^t wird, wäre, wenn er vorgezeigt würde, ein Falsum, welches den Strnf-
richter interessiren könnte."

So das offiziöse Blatt. Man kann eine Nachricht nicht wohl kräftiger
vementireu, und damit könnte die Angelegenheit abgethan und begraben sein,
^udeß haben viele deutschen Blatter die Mitteilung des „Czas" ausführlich und
ohne Zweifel zu äußern wiedergegeben, und 8kmpor g,ki<Ma it^kret, mag die
^erleumdnng auch fehr abgeschmackt sein. Auch ist das genannte polnische
^vurnal, ein Organ der „weißen," aristokratischen oder Cznrtoryskischen Partei,


Gnnizbvwi III. 1882, 7Z
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[0585] [Abbildung] Fürst Vismarck und Polen. j or kurzem brachte der in Kulan erscheinende „Czas" einen Be- richt, welcher angeblich die Ansichten des deutschen Reichskanzlers über die Möglichkeit einer Wiederherstellung Polens unter ge¬ wissen Umständen enthielt. Der Kanzler sollte einen vornehmen pol¬ nischen Patrioten zu sich nach Varzin eingeladen haben, um sich ^sser Auffassung der Sache vortragen zu lassen, und es sollte darauf dort eine Unterredung gefolgt sein, nach der zu schließen wäre, daß Fürst Bismnrck nicht abgeneigt sein würde, nach einem glücklichen Kampfe des deutschen Reiches mit Nußland in die Umwandlung Russisch-Polens in eiuen selbständigen Staat zu Willigen, dn dieser teils infolge der Dankbarkeit, die seiue Angehörigen Deutsch¬ land gegenüber erfüllen müßte, teils wegen des Hasses derselben gegen Rußland Bollwerk an unsrer Ostgrenze sein würde. Die ganze Geschichte ist seitdem bon der offiziösen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" mit starken Ausdrücken Ul Abrede gestellt worden. Sie ist „ein kümmerlicher Lückenbüßer der Sonimer- ^it," die „Erfindung eines urteilslosen Fenilletonschreibers." „Der angebliche Gesuch eines Polen in Varzin und die angebliche Unterredung haben niemals stattgefunden, und der angebliche Brief des Reichskanzlers, mit dem der Schwindel ^ofsn^t wird, wäre, wenn er vorgezeigt würde, ein Falsum, welches den Strnf- richter interessiren könnte." So das offiziöse Blatt. Man kann eine Nachricht nicht wohl kräftiger vementireu, und damit könnte die Angelegenheit abgethan und begraben sein, ^udeß haben viele deutschen Blatter die Mitteilung des „Czas" ausführlich und ohne Zweifel zu äußern wiedergegeben, und 8kmpor g,ki<Ma it^kret, mag die ^erleumdnng auch fehr abgeschmackt sein. Auch ist das genannte polnische ^vurnal, ein Organ der „weißen," aristokratischen oder Cznrtoryskischen Partei, Gnnizbvwi III. 1882, 7Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/585>, abgerufen am 24.08.2024.