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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.

momentan gefrierenden Wasser als Krystnllisationspnnkte dienen. Je kräftiger
aber der Auftrieb der Luft und je gesättigter diese selbst mit Wasserdampf war,
desto größer fallen die Hagelkörner ans.

Es ist das ein Erklärungsversuch. Für ihn spricht, daß eine andre beim
Hagel beobachtete Erscheinung leicht eingefügt werden kann. Mau hat besonders
durch Beobachtungen, die in der Schweiz gemacht wurden, konstatirt, daß kahle
Abhänge dem Hagel ganz besonders ausgesetzt sind, während Wald einen ziemlich
sichern Schlitz gewährt; natürlich, deun der Wald ist feucht und absorbirt durch
die Verdunstung Wärme, während der kahle Abhang sich bedeutend erwärmt und
einen aufsteigenden Luftstrom verursacht.

Was den Regen betrifft, so galt es früher für ausgemacht, daß es in der
Tiefe mehr regne als in der Höhe, also aus dem Marktplatze mehr als auf
dem Thurme nebenan. Man erklärte die Erscheinung damit, daß der fallende
Tropfen im Fallen Wasser aufnehme und sich dadurch vergrößere. Neuerdings
wird die Richtigkeit der Beobachtung bestritten; damit würden denn auch die
Schlüsse hinfällig werdeu.

Die Luft kann zur Wolkenbildung und zum Niederschlage auch durch
mechanische Ursachen gezwungen werden, wenn sie nämlich in ihrem Flusse durch
Gebirge aufgehalten und genötigt wird, diese Berghöhen zu übersteigen. Sie
kommt beim Ausstiege in geringeren Druck, kühlt sich ab und scheidet Wolken
und Regen aus. Hier ein Beispiel. Air der Westküste vou Irland liegen die
Berge von Killarney. Wenn ein mit Wasserdnmpf beladener Südweststrom an
diese Berge trifft, so wird er gezwungen, dieselben und zu gleicher Zeit seine
Grenze des Thaupunktes zu übersteigen. Er bildet Regenwolken, die ihren
Überschuß an Wasser an den westlichem Hängen des Gebirges abwerfen. In
zwei kleinen Orten diesseits und jenseits des GebirgSknmmes, deren irländische
Namen auszusprechen wir nicht versuchen wollen, hat man die jährliche Regen¬
menge gemessen und gefunden, daß der westlichere Ort die dreifache Regenmenge
des östlicheren aufzuweisen hat.

So ist also auch die Gestaltung der Erdoberfläche von großem, noch lange
nicht genug gewürdigten Einflüsse ans die Menge und Häufigkeit der Nieder¬
schlüge. Daß Gebirge regenreicher sind als das flache Land, ist allerdings be¬
kannt genng; wer hätte es nicht schon erlebt, wenn er im Thüringer Walde
oder im Harz eingeregnet war und ans und davon ging, daß er unmittelbar
vor dem Rande des Gebirges ganz erträgliches Wetter und uicht weit davon
Sonnenschein fand? Der Vorgang war genau derselbe wie im Killarney geb irge.
Dem gleichen Umstände verdankten Flvröe und nächstdem Bergen, beide in Nor¬
wegen, die Auszeichnung, die verregnetsten Städte Europas zu sein. Ein Blick
auf die Karte zeigt uns, daß eine nur drei Meilen vom Meere gelegene Berg-
masse, die über 1250 Meter Höhe hat, gleichsam eine Regenbarriere bildet.
Und wenn der Volksiuund von Heidelberg singt:


Der Regen.

momentan gefrierenden Wasser als Krystnllisationspnnkte dienen. Je kräftiger
aber der Auftrieb der Luft und je gesättigter diese selbst mit Wasserdampf war,
desto größer fallen die Hagelkörner ans.

Es ist das ein Erklärungsversuch. Für ihn spricht, daß eine andre beim
Hagel beobachtete Erscheinung leicht eingefügt werden kann. Mau hat besonders
durch Beobachtungen, die in der Schweiz gemacht wurden, konstatirt, daß kahle
Abhänge dem Hagel ganz besonders ausgesetzt sind, während Wald einen ziemlich
sichern Schlitz gewährt; natürlich, deun der Wald ist feucht und absorbirt durch
die Verdunstung Wärme, während der kahle Abhang sich bedeutend erwärmt und
einen aufsteigenden Luftstrom verursacht.

Was den Regen betrifft, so galt es früher für ausgemacht, daß es in der
Tiefe mehr regne als in der Höhe, also aus dem Marktplatze mehr als auf
dem Thurme nebenan. Man erklärte die Erscheinung damit, daß der fallende
Tropfen im Fallen Wasser aufnehme und sich dadurch vergrößere. Neuerdings
wird die Richtigkeit der Beobachtung bestritten; damit würden denn auch die
Schlüsse hinfällig werdeu.

Die Luft kann zur Wolkenbildung und zum Niederschlage auch durch
mechanische Ursachen gezwungen werden, wenn sie nämlich in ihrem Flusse durch
Gebirge aufgehalten und genötigt wird, diese Berghöhen zu übersteigen. Sie
kommt beim Ausstiege in geringeren Druck, kühlt sich ab und scheidet Wolken
und Regen aus. Hier ein Beispiel. Air der Westküste vou Irland liegen die
Berge von Killarney. Wenn ein mit Wasserdnmpf beladener Südweststrom an
diese Berge trifft, so wird er gezwungen, dieselben und zu gleicher Zeit seine
Grenze des Thaupunktes zu übersteigen. Er bildet Regenwolken, die ihren
Überschuß an Wasser an den westlichem Hängen des Gebirges abwerfen. In
zwei kleinen Orten diesseits und jenseits des GebirgSknmmes, deren irländische
Namen auszusprechen wir nicht versuchen wollen, hat man die jährliche Regen¬
menge gemessen und gefunden, daß der westlichere Ort die dreifache Regenmenge
des östlicheren aufzuweisen hat.

So ist also auch die Gestaltung der Erdoberfläche von großem, noch lange
nicht genug gewürdigten Einflüsse ans die Menge und Häufigkeit der Nieder¬
schlüge. Daß Gebirge regenreicher sind als das flache Land, ist allerdings be¬
kannt genng; wer hätte es nicht schon erlebt, wenn er im Thüringer Walde
oder im Harz eingeregnet war und ans und davon ging, daß er unmittelbar
vor dem Rande des Gebirges ganz erträgliches Wetter und uicht weit davon
Sonnenschein fand? Der Vorgang war genau derselbe wie im Killarney geb irge.
Dem gleichen Umstände verdankten Flvröe und nächstdem Bergen, beide in Nor¬
wegen, die Auszeichnung, die verregnetsten Städte Europas zu sein. Ein Blick
auf die Karte zeigt uns, daß eine nur drei Meilen vom Meere gelegene Berg-
masse, die über 1250 Meter Höhe hat, gleichsam eine Regenbarriere bildet.
Und wenn der Volksiuund von Heidelberg singt:


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[0526] Der Regen. momentan gefrierenden Wasser als Krystnllisationspnnkte dienen. Je kräftiger aber der Auftrieb der Luft und je gesättigter diese selbst mit Wasserdampf war, desto größer fallen die Hagelkörner ans. Es ist das ein Erklärungsversuch. Für ihn spricht, daß eine andre beim Hagel beobachtete Erscheinung leicht eingefügt werden kann. Mau hat besonders durch Beobachtungen, die in der Schweiz gemacht wurden, konstatirt, daß kahle Abhänge dem Hagel ganz besonders ausgesetzt sind, während Wald einen ziemlich sichern Schlitz gewährt; natürlich, deun der Wald ist feucht und absorbirt durch die Verdunstung Wärme, während der kahle Abhang sich bedeutend erwärmt und einen aufsteigenden Luftstrom verursacht. Was den Regen betrifft, so galt es früher für ausgemacht, daß es in der Tiefe mehr regne als in der Höhe, also aus dem Marktplatze mehr als auf dem Thurme nebenan. Man erklärte die Erscheinung damit, daß der fallende Tropfen im Fallen Wasser aufnehme und sich dadurch vergrößere. Neuerdings wird die Richtigkeit der Beobachtung bestritten; damit würden denn auch die Schlüsse hinfällig werdeu. Die Luft kann zur Wolkenbildung und zum Niederschlage auch durch mechanische Ursachen gezwungen werden, wenn sie nämlich in ihrem Flusse durch Gebirge aufgehalten und genötigt wird, diese Berghöhen zu übersteigen. Sie kommt beim Ausstiege in geringeren Druck, kühlt sich ab und scheidet Wolken und Regen aus. Hier ein Beispiel. Air der Westküste vou Irland liegen die Berge von Killarney. Wenn ein mit Wasserdnmpf beladener Südweststrom an diese Berge trifft, so wird er gezwungen, dieselben und zu gleicher Zeit seine Grenze des Thaupunktes zu übersteigen. Er bildet Regenwolken, die ihren Überschuß an Wasser an den westlichem Hängen des Gebirges abwerfen. In zwei kleinen Orten diesseits und jenseits des GebirgSknmmes, deren irländische Namen auszusprechen wir nicht versuchen wollen, hat man die jährliche Regen¬ menge gemessen und gefunden, daß der westlichere Ort die dreifache Regenmenge des östlicheren aufzuweisen hat. So ist also auch die Gestaltung der Erdoberfläche von großem, noch lange nicht genug gewürdigten Einflüsse ans die Menge und Häufigkeit der Nieder¬ schlüge. Daß Gebirge regenreicher sind als das flache Land, ist allerdings be¬ kannt genng; wer hätte es nicht schon erlebt, wenn er im Thüringer Walde oder im Harz eingeregnet war und ans und davon ging, daß er unmittelbar vor dem Rande des Gebirges ganz erträgliches Wetter und uicht weit davon Sonnenschein fand? Der Vorgang war genau derselbe wie im Killarney geb irge. Dem gleichen Umstände verdankten Flvröe und nächstdem Bergen, beide in Nor¬ wegen, die Auszeichnung, die verregnetsten Städte Europas zu sein. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, daß eine nur drei Meilen vom Meere gelegene Berg- masse, die über 1250 Meter Höhe hat, gleichsam eine Regenbarriere bildet. Und wenn der Volksiuund von Heidelberg singt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/526>, abgerufen am 23.07.2024.