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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.
von Fritz Anders.
I,. Wasser und Wärme. (Schluß.)

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re Gestalt verdankt die Wolke ihrem Feuchtigkcitsgrade, dein
Wehen des Windes und der Gestalt der Luftschicht, in der sie
sich bildet. Mit den altherkömmlichen Namen Strati, Cumuli,
Nimbi wallen wir uns nicht aufhalten, sondern nur die Wolken
der untern und obern Schicht unterscheiden. Zu der untern ge¬
hören die schweren regenführcnden Wolken verschiedener Gestalt, zu der obern
die bekannten Federwolken, dünne Schleiergebilde, die in den höchsten Regionen aus
Eisnadeln, in tieferen aus Nebelstreifen von verhältnismäßig geringem Feuchtig¬
keitsgehalt gewebt sind.

Die wasserreichen Wolken nehmen häufig die Gestalt von Bergen an, die
aus zusammengeballte" Kugeln zu bestehen scheinen. Wir erklären diese Er-
scheinung aus demselben Gesetze, der die Erde ihre Kugelgestalt verdankt. Schwere
ist gegenseitige Anziehung. Wenn es möglich wäre, eine Schaufel voll Sand so
hoch zu schleudern, daß sie aus der Anziehungssphäre der Erde gelangte, so würde
diese Masse sich in Kugelgestalt, in der die gegenseitigen Schwerebeziehungen sich am
vollkommensten ausgleichen, gruppiren. Wenn ich einen Theelöffel voll Rüböl
in ein Gesäß gieße, das ein Gemisch von Wasser und Spiritus von dem spe¬
zifischen Gewichte des Öls enthält, so nimmt dieser Tropfen volle Kugelgestalt
an. Das von der Luft getragene Heer von Wasserblüschen gruppirt sich ähn¬
lich, uur wird die vollkommenste Gestalt nie erreicht, da sich eine Reihe vou
Zentren dicht neben einander bilden. Wiederum zieht die ganze Wolkenmasse
die benachbarte" Dunstmassen an sich, so daß sie sich zusehends vergrößert. Nicht
selten ist das, was mau für den Zug eines Gewitters hielt, nichts anderes als
das Anwachsen der Gewitterwolken, was natürlich nach derjenigen Seite am
auffälligsten sich zeigt, wo sich die wasserreichsten Dunstmassen befinden.

Anders gestalten sich die Wolken, die sich an der Grenze verschieden er¬
wärmter Luftmeere bilden. Diese habe" die Gestalt von Schichten. Häufig
jedoch befindet sich oberhalb der wagerecht abgeschnittenen Schichtung eine un¬
absehbare Gebirgsszenerie von sich aufthürmenden Wolkenbergen, wie man es
von hohen Bergen aus beobachte" kann. Diese Wolkengebilde bringen meist
das schlechteste Wetter, und wehe dem Touristen, wenn er sie von irgend einer
Jochhöhe ans heranrücken sieht.


Der Regen.
von Fritz Anders.
I,. Wasser und Wärme. (Schluß.)

h
re Gestalt verdankt die Wolke ihrem Feuchtigkcitsgrade, dein
Wehen des Windes und der Gestalt der Luftschicht, in der sie
sich bildet. Mit den altherkömmlichen Namen Strati, Cumuli,
Nimbi wallen wir uns nicht aufhalten, sondern nur die Wolken
der untern und obern Schicht unterscheiden. Zu der untern ge¬
hören die schweren regenführcnden Wolken verschiedener Gestalt, zu der obern
die bekannten Federwolken, dünne Schleiergebilde, die in den höchsten Regionen aus
Eisnadeln, in tieferen aus Nebelstreifen von verhältnismäßig geringem Feuchtig¬
keitsgehalt gewebt sind.

Die wasserreichen Wolken nehmen häufig die Gestalt von Bergen an, die
aus zusammengeballte» Kugeln zu bestehen scheinen. Wir erklären diese Er-
scheinung aus demselben Gesetze, der die Erde ihre Kugelgestalt verdankt. Schwere
ist gegenseitige Anziehung. Wenn es möglich wäre, eine Schaufel voll Sand so
hoch zu schleudern, daß sie aus der Anziehungssphäre der Erde gelangte, so würde
diese Masse sich in Kugelgestalt, in der die gegenseitigen Schwerebeziehungen sich am
vollkommensten ausgleichen, gruppiren. Wenn ich einen Theelöffel voll Rüböl
in ein Gesäß gieße, das ein Gemisch von Wasser und Spiritus von dem spe¬
zifischen Gewichte des Öls enthält, so nimmt dieser Tropfen volle Kugelgestalt
an. Das von der Luft getragene Heer von Wasserblüschen gruppirt sich ähn¬
lich, uur wird die vollkommenste Gestalt nie erreicht, da sich eine Reihe vou
Zentren dicht neben einander bilden. Wiederum zieht die ganze Wolkenmasse
die benachbarte» Dunstmassen an sich, so daß sie sich zusehends vergrößert. Nicht
selten ist das, was mau für den Zug eines Gewitters hielt, nichts anderes als
das Anwachsen der Gewitterwolken, was natürlich nach derjenigen Seite am
auffälligsten sich zeigt, wo sich die wasserreichsten Dunstmassen befinden.

Anders gestalten sich die Wolken, die sich an der Grenze verschieden er¬
wärmter Luftmeere bilden. Diese habe» die Gestalt von Schichten. Häufig
jedoch befindet sich oberhalb der wagerecht abgeschnittenen Schichtung eine un¬
absehbare Gebirgsszenerie von sich aufthürmenden Wolkenbergen, wie man es
von hohen Bergen aus beobachte» kann. Diese Wolkengebilde bringen meist
das schlechteste Wetter, und wehe dem Touristen, wenn er sie von irgend einer
Jochhöhe ans heranrücken sieht.


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[0524] Der Regen. von Fritz Anders. I,. Wasser und Wärme. (Schluß.) h re Gestalt verdankt die Wolke ihrem Feuchtigkcitsgrade, dein Wehen des Windes und der Gestalt der Luftschicht, in der sie sich bildet. Mit den altherkömmlichen Namen Strati, Cumuli, Nimbi wallen wir uns nicht aufhalten, sondern nur die Wolken der untern und obern Schicht unterscheiden. Zu der untern ge¬ hören die schweren regenführcnden Wolken verschiedener Gestalt, zu der obern die bekannten Federwolken, dünne Schleiergebilde, die in den höchsten Regionen aus Eisnadeln, in tieferen aus Nebelstreifen von verhältnismäßig geringem Feuchtig¬ keitsgehalt gewebt sind. Die wasserreichen Wolken nehmen häufig die Gestalt von Bergen an, die aus zusammengeballte» Kugeln zu bestehen scheinen. Wir erklären diese Er- scheinung aus demselben Gesetze, der die Erde ihre Kugelgestalt verdankt. Schwere ist gegenseitige Anziehung. Wenn es möglich wäre, eine Schaufel voll Sand so hoch zu schleudern, daß sie aus der Anziehungssphäre der Erde gelangte, so würde diese Masse sich in Kugelgestalt, in der die gegenseitigen Schwerebeziehungen sich am vollkommensten ausgleichen, gruppiren. Wenn ich einen Theelöffel voll Rüböl in ein Gesäß gieße, das ein Gemisch von Wasser und Spiritus von dem spe¬ zifischen Gewichte des Öls enthält, so nimmt dieser Tropfen volle Kugelgestalt an. Das von der Luft getragene Heer von Wasserblüschen gruppirt sich ähn¬ lich, uur wird die vollkommenste Gestalt nie erreicht, da sich eine Reihe vou Zentren dicht neben einander bilden. Wiederum zieht die ganze Wolkenmasse die benachbarte» Dunstmassen an sich, so daß sie sich zusehends vergrößert. Nicht selten ist das, was mau für den Zug eines Gewitters hielt, nichts anderes als das Anwachsen der Gewitterwolken, was natürlich nach derjenigen Seite am auffälligsten sich zeigt, wo sich die wasserreichsten Dunstmassen befinden. Anders gestalten sich die Wolken, die sich an der Grenze verschieden er¬ wärmter Luftmeere bilden. Diese habe» die Gestalt von Schichten. Häufig jedoch befindet sich oberhalb der wagerecht abgeschnittenen Schichtung eine un¬ absehbare Gebirgsszenerie von sich aufthürmenden Wolkenbergen, wie man es von hohen Bergen aus beobachte» kann. Diese Wolkengebilde bringen meist das schlechteste Wetter, und wehe dem Touristen, wenn er sie von irgend einer Jochhöhe ans heranrücken sieht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/524>, abgerufen am 23.07.2024.