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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Richard Wagners Parsifal.

da müssen wir wieder den ganzen Satz anhören, mit dem im ersten Akte Am¬
sortas zuerst ans der Szene erschien. Wir wissen es doch schon, und Gnrnemanz
hat es obendrein noch erzählt, daß Amfortas noch krank ist. Diese Methode
zu komponiren erlaubt stnckcheuwcises Arbeiten. Sie ist die bequemste von der Welt
und in ihrem mechanischen Wesen um kein Haar besser als die von Wagner
mit Recht gegeißelten Kategorien der Judenmusik und der Kapellmeistermnsik.
Bon Geist oder gar von Kunst ist dabei keine Spur mehr.

Schön ist dann wieder im Orchester die kleine Stelle, wo Parsifal sein
Irren schildert. Hier setzt die Jnstrnmentnlmnsik etwas auseinander, wovon
wir noch nichts wissen, und sie kann gerade dieses besser und dramatisch vorteil¬
hafter thun als der Gesaug.

Kaum ist dies vorbei, so wird schon wieder das Gralsmvtiv in sinnloser
Freigebigkeit hingespritzt. Es ist wirklich recht schwach! Und das geht so fort,
so lange Gurnemanz bei der Not der Gralsritter verweilt. Zudem ist die
ganze Textfassung schon an sich unnötig breit. Wenig gehaltvoll ist anch die
Selbstanklage des Parsifal, der sich die Schuld des Elends auf Moutsalvat
beimißt. Schön dagegen ist wieder die Stelle, wo Gnrnemanz den Speer be¬
grüßt, wozu die Musik einen kleinen Satz spielt, der nicht bloß das Motiv des
Speers trocken zitirt, souderu entwickelt.

Hierauf folgt eine Reihe lyrischer Jnstrumeutalbilder, ans denen der Ein¬
druck des Aktes wesentlich mit beruht. Auf der Szene geht folgendes vor:
Parsifal wird gesalbt und Knndry wascht ihm die Füße. Darauf empfängt sie
von Parsifal die heilige Taufe, und zum Schlüsse hält Parsifal Umschau über
die Landschaft und giebt seinen Gefühlen über die herrliche Frühliugsuatur und
den stillen Frieden des Tages -- es ist Charfrcitng -- Ausdruck. Das be¬
gleitet nur das Orchester mit drei lieblichen, friedevoller und zarten Sätzchen. Der
erste, welcher zu der Salbung erklingt, nimmt einen höhern Gralchnrakter an. Der
schönste ist aber der dritte, welchen Herr H. von Wolzogen in seinem Leitfaden zum
Parsifal "Blumenaue" benannt hat. Wagner hat sich hierbei ganz als Musik
ergehen lassen. Denn dramatisch ist weder die "Blumenaue" an sich erforderlich,
"och weniger aber ihre Nepctitiou. Letztere ist im Texte hübsch und geschickt um¬
umkleidet als Frage und Autwort zwischen Pnrsisnl und Gurnemanz.

Die zweite Szene des dritten Aktes wird wieder durch die Verwandlnngs-
mnsik eingeleitet, welche uns ans dem ersten Akte schon bekannt ist. Wie dort,
spielt die Schlußszene im Gralsaale. Wieder ist das Liebesmahl zu feiern.
Amsortas, der sich des Dienstes seit langem geweigert, will hente, wo sein Vater
begraben wird, noch einmal nud zum letztenmal das heilige Gefäß enthüllen.
Als der Moment da ist, weigert er sich wieder, aber noch leidenschaftlicher als
im ersten Alte. Die Ritter drängen. Er reißt das Gewand auf, entblößt die
Wunde und fordert den Tod. Da erscheint Parsifal mit dem heilenden
Speer.


Richard Wagners Parsifal.

da müssen wir wieder den ganzen Satz anhören, mit dem im ersten Akte Am¬
sortas zuerst ans der Szene erschien. Wir wissen es doch schon, und Gnrnemanz
hat es obendrein noch erzählt, daß Amfortas noch krank ist. Diese Methode
zu komponiren erlaubt stnckcheuwcises Arbeiten. Sie ist die bequemste von der Welt
und in ihrem mechanischen Wesen um kein Haar besser als die von Wagner
mit Recht gegeißelten Kategorien der Judenmusik und der Kapellmeistermnsik.
Bon Geist oder gar von Kunst ist dabei keine Spur mehr.

Schön ist dann wieder im Orchester die kleine Stelle, wo Parsifal sein
Irren schildert. Hier setzt die Jnstrnmentnlmnsik etwas auseinander, wovon
wir noch nichts wissen, und sie kann gerade dieses besser und dramatisch vorteil¬
hafter thun als der Gesaug.

Kaum ist dies vorbei, so wird schon wieder das Gralsmvtiv in sinnloser
Freigebigkeit hingespritzt. Es ist wirklich recht schwach! Und das geht so fort,
so lange Gurnemanz bei der Not der Gralsritter verweilt. Zudem ist die
ganze Textfassung schon an sich unnötig breit. Wenig gehaltvoll ist anch die
Selbstanklage des Parsifal, der sich die Schuld des Elends auf Moutsalvat
beimißt. Schön dagegen ist wieder die Stelle, wo Gnrnemanz den Speer be¬
grüßt, wozu die Musik einen kleinen Satz spielt, der nicht bloß das Motiv des
Speers trocken zitirt, souderu entwickelt.

Hierauf folgt eine Reihe lyrischer Jnstrumeutalbilder, ans denen der Ein¬
druck des Aktes wesentlich mit beruht. Auf der Szene geht folgendes vor:
Parsifal wird gesalbt und Knndry wascht ihm die Füße. Darauf empfängt sie
von Parsifal die heilige Taufe, und zum Schlüsse hält Parsifal Umschau über
die Landschaft und giebt seinen Gefühlen über die herrliche Frühliugsuatur und
den stillen Frieden des Tages — es ist Charfrcitng — Ausdruck. Das be¬
gleitet nur das Orchester mit drei lieblichen, friedevoller und zarten Sätzchen. Der
erste, welcher zu der Salbung erklingt, nimmt einen höhern Gralchnrakter an. Der
schönste ist aber der dritte, welchen Herr H. von Wolzogen in seinem Leitfaden zum
Parsifal „Blumenaue" benannt hat. Wagner hat sich hierbei ganz als Musik
ergehen lassen. Denn dramatisch ist weder die „Blumenaue" an sich erforderlich,
»och weniger aber ihre Nepctitiou. Letztere ist im Texte hübsch und geschickt um¬
umkleidet als Frage und Autwort zwischen Pnrsisnl und Gurnemanz.

Die zweite Szene des dritten Aktes wird wieder durch die Verwandlnngs-
mnsik eingeleitet, welche uns ans dem ersten Akte schon bekannt ist. Wie dort,
spielt die Schlußszene im Gralsaale. Wieder ist das Liebesmahl zu feiern.
Amsortas, der sich des Dienstes seit langem geweigert, will hente, wo sein Vater
begraben wird, noch einmal nud zum letztenmal das heilige Gefäß enthüllen.
Als der Moment da ist, weigert er sich wieder, aber noch leidenschaftlicher als
im ersten Alte. Die Ritter drängen. Er reißt das Gewand auf, entblößt die
Wunde und fordert den Tod. Da erscheint Parsifal mit dem heilenden
Speer.


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[0512] Richard Wagners Parsifal. da müssen wir wieder den ganzen Satz anhören, mit dem im ersten Akte Am¬ sortas zuerst ans der Szene erschien. Wir wissen es doch schon, und Gnrnemanz hat es obendrein noch erzählt, daß Amfortas noch krank ist. Diese Methode zu komponiren erlaubt stnckcheuwcises Arbeiten. Sie ist die bequemste von der Welt und in ihrem mechanischen Wesen um kein Haar besser als die von Wagner mit Recht gegeißelten Kategorien der Judenmusik und der Kapellmeistermnsik. Bon Geist oder gar von Kunst ist dabei keine Spur mehr. Schön ist dann wieder im Orchester die kleine Stelle, wo Parsifal sein Irren schildert. Hier setzt die Jnstrnmentnlmnsik etwas auseinander, wovon wir noch nichts wissen, und sie kann gerade dieses besser und dramatisch vorteil¬ hafter thun als der Gesaug. Kaum ist dies vorbei, so wird schon wieder das Gralsmvtiv in sinnloser Freigebigkeit hingespritzt. Es ist wirklich recht schwach! Und das geht so fort, so lange Gurnemanz bei der Not der Gralsritter verweilt. Zudem ist die ganze Textfassung schon an sich unnötig breit. Wenig gehaltvoll ist anch die Selbstanklage des Parsifal, der sich die Schuld des Elends auf Moutsalvat beimißt. Schön dagegen ist wieder die Stelle, wo Gnrnemanz den Speer be¬ grüßt, wozu die Musik einen kleinen Satz spielt, der nicht bloß das Motiv des Speers trocken zitirt, souderu entwickelt. Hierauf folgt eine Reihe lyrischer Jnstrumeutalbilder, ans denen der Ein¬ druck des Aktes wesentlich mit beruht. Auf der Szene geht folgendes vor: Parsifal wird gesalbt und Knndry wascht ihm die Füße. Darauf empfängt sie von Parsifal die heilige Taufe, und zum Schlüsse hält Parsifal Umschau über die Landschaft und giebt seinen Gefühlen über die herrliche Frühliugsuatur und den stillen Frieden des Tages — es ist Charfrcitng — Ausdruck. Das be¬ gleitet nur das Orchester mit drei lieblichen, friedevoller und zarten Sätzchen. Der erste, welcher zu der Salbung erklingt, nimmt einen höhern Gralchnrakter an. Der schönste ist aber der dritte, welchen Herr H. von Wolzogen in seinem Leitfaden zum Parsifal „Blumenaue" benannt hat. Wagner hat sich hierbei ganz als Musik ergehen lassen. Denn dramatisch ist weder die „Blumenaue" an sich erforderlich, »och weniger aber ihre Nepctitiou. Letztere ist im Texte hübsch und geschickt um¬ umkleidet als Frage und Autwort zwischen Pnrsisnl und Gurnemanz. Die zweite Szene des dritten Aktes wird wieder durch die Verwandlnngs- mnsik eingeleitet, welche uns ans dem ersten Akte schon bekannt ist. Wie dort, spielt die Schlußszene im Gralsaale. Wieder ist das Liebesmahl zu feiern. Amsortas, der sich des Dienstes seit langem geweigert, will hente, wo sein Vater begraben wird, noch einmal nud zum letztenmal das heilige Gefäß enthüllen. Als der Moment da ist, weigert er sich wieder, aber noch leidenschaftlicher als im ersten Alte. Die Ritter drängen. Er reißt das Gewand auf, entblößt die Wunde und fordert den Tod. Da erscheint Parsifal mit dem heilenden Speer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/512>, abgerufen am 23.07.2024.