Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.schaft und Ekstase; er am meiste" trägt die exaltirte Haltung, welche für die Wenn mau die formelle Anlage der Parsifalmnfik in Betracht zieht, so Was die Behandlung des Recitativs betrifft, worin das prae.t>um 8alivii" Lassen wir nnn den "uisitalischen Teil deS "Parsifal" in seinen Einzelheiten DaS Werk hat wieder el" Vorspiel, welches in der Form dem Sonatinen- schaft und Ekstase; er am meiste» trägt die exaltirte Haltung, welche für die Wenn mau die formelle Anlage der Parsifalmnfik in Betracht zieht, so Was die Behandlung des Recitativs betrifft, worin das prae.t>um 8alivii» Lassen wir nnn den »uisitalischen Teil deS „Parsifal" in seinen Einzelheiten DaS Werk hat wieder el» Vorspiel, welches in der Form dem Sonatinen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193845"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1706" prev="#ID_1705"> schaft und Ekstase; er am meiste» trägt die exaltirte Haltung, welche für die<lb/> Individualität Wagners im allgemeinen charakteristisch ist. In ihrer Vermengung<lb/> mit gläubiger Zerknirschtheit wirkt sie in diesem zweiten Akte des „Parsifal" in<lb/> gesteigertem Maße befremdend und mag wohl imstande sein, manchen Kunst¬<lb/> freunden das ganze Werk vollständig zu verleiden. In der That hat der<lb/> Referent des Pariser „Figaro" seine Kritik über den „Parsifal" ungefähr in<lb/> das Verdikt zusammengefaßt: „Sechsfache Übertreibung!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1707"> Wenn mau die formelle Anlage der Parsifalmnfik in Betracht zieht, so<lb/> findet man, daß „Parsifal" im Vergleich zu den ihm vorausgehenden Werken,<lb/> zum „Ring des Nibelungen" nämlich und zum „Triften," einfacher, leichter<lb/> verständlich und fester gegliedert ist und daß er viel mehr Abwechslung bietet.<lb/> Namentlich die ziemlich zahlreichen und imposanten Chöre wirken als willkommene<lb/> Erfrischnngsftationen. Nur im Vorbeigehen wollen wir bemerken, daß von der<lb/> dramatischen Notwendigkeit dieser Chöre, welche die Wagnerianer natürlich be¬<lb/> haupten, keineswegs an allen Stellen die Rede sein kann. Namentlich der<lb/> reizendste dieser Chorsätze, die Szene der Blumenmädchen, ist für das Drama<lb/> wohl entbehrlich. Indeß danken wir es dem Komponisten, daß er den Musiker<lb/> in sich seinen eignen Prinzipien zum Trotze hat zum Worte kommen lassen.<lb/> Diese rechtzeitige Nachgiebigkeit hat noch an mehreren Stellen des Wertes<lb/> blühende instrnmentale Früchte eingetragen, auf welche wir noch besonders hin¬<lb/> zuweisen Veranlassung haben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1708"> Was die Behandlung des Recitativs betrifft, worin das prae.t>um 8alivii»<lb/> des Wagnerschen Systems liegt, so zeigt sich darin Wagner im Vergleich mit<lb/> dem besten, was er ans diesem Gebiete geleistet, im „Parsifal" sehr ungleich,<lb/> im Gesammtdnrchschnitte vielfach gerndezn äußerlich und gehaltlos. In der<lb/> Harmonik ist er der Alte geblieben; in der Ökonomie der Orchesterfarben<lb/> weist der „Parsifal" eine auffallende Sparsamkeit und Znrücrhnltnng ans.</p><lb/> <p xml:id="ID_1709"> Lassen wir nnn den »uisitalischen Teil deS „Parsifal" in seinen Einzelheiten<lb/> an uns vorübergehe».</p><lb/> <p xml:id="ID_1710" next="#ID_1711"> DaS Werk hat wieder el» Vorspiel, welches in der Form dem Sonatinen-<lb/> satze sehr nahe kommt. Sein erstes Thema ist die Hanplmelvdie der Liebes¬<lb/> mahlsfeier. Das zweite besteht ans zwei Motiven, welche sich wie Vorder- und<lb/> Nachsatz zu einander verhalten. Das vordere Motiv „Gralsmvtiv" be<lb/> nannt .....- ist einer bekannten liturgischen Formel, dem sogenannten Dresdner<lb/> „Amen," wie aus dem Auge geschnitten, demselben, welches anch Mendelssohn,<lb/> wenn wir nicht irren, in seiner Reforinationsshmphonie verwendet hat. Bei seinem<lb/> Eintritt scheint sich Wagner, der Virtuos des Orchesterklangcs, über deu Effekt<lb/> der Instrumentirung getäuscht zu haben. Die Trompeten, welche das Thema<lb/> führen, klingen nicht feierlich, sondern ordinär. Das andre Motiv des zweiten<lb/> Themas ist poetisch uicht sehr stark und wirkt nur dnrch einen wuchtigen Nvr-<lb/> trag. Es heißt „Glanbensmotiv" und wird in recht langen Sequenzen unerbittlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
schaft und Ekstase; er am meiste» trägt die exaltirte Haltung, welche für die
Individualität Wagners im allgemeinen charakteristisch ist. In ihrer Vermengung
mit gläubiger Zerknirschtheit wirkt sie in diesem zweiten Akte des „Parsifal" in
gesteigertem Maße befremdend und mag wohl imstande sein, manchen Kunst¬
freunden das ganze Werk vollständig zu verleiden. In der That hat der
Referent des Pariser „Figaro" seine Kritik über den „Parsifal" ungefähr in
das Verdikt zusammengefaßt: „Sechsfache Übertreibung!"
Wenn mau die formelle Anlage der Parsifalmnfik in Betracht zieht, so
findet man, daß „Parsifal" im Vergleich zu den ihm vorausgehenden Werken,
zum „Ring des Nibelungen" nämlich und zum „Triften," einfacher, leichter
verständlich und fester gegliedert ist und daß er viel mehr Abwechslung bietet.
Namentlich die ziemlich zahlreichen und imposanten Chöre wirken als willkommene
Erfrischnngsftationen. Nur im Vorbeigehen wollen wir bemerken, daß von der
dramatischen Notwendigkeit dieser Chöre, welche die Wagnerianer natürlich be¬
haupten, keineswegs an allen Stellen die Rede sein kann. Namentlich der
reizendste dieser Chorsätze, die Szene der Blumenmädchen, ist für das Drama
wohl entbehrlich. Indeß danken wir es dem Komponisten, daß er den Musiker
in sich seinen eignen Prinzipien zum Trotze hat zum Worte kommen lassen.
Diese rechtzeitige Nachgiebigkeit hat noch an mehreren Stellen des Wertes
blühende instrnmentale Früchte eingetragen, auf welche wir noch besonders hin¬
zuweisen Veranlassung haben werden.
Was die Behandlung des Recitativs betrifft, worin das prae.t>um 8alivii»
des Wagnerschen Systems liegt, so zeigt sich darin Wagner im Vergleich mit
dem besten, was er ans diesem Gebiete geleistet, im „Parsifal" sehr ungleich,
im Gesammtdnrchschnitte vielfach gerndezn äußerlich und gehaltlos. In der
Harmonik ist er der Alte geblieben; in der Ökonomie der Orchesterfarben
weist der „Parsifal" eine auffallende Sparsamkeit und Znrücrhnltnng ans.
Lassen wir nnn den »uisitalischen Teil deS „Parsifal" in seinen Einzelheiten
an uns vorübergehe».
DaS Werk hat wieder el» Vorspiel, welches in der Form dem Sonatinen-
satze sehr nahe kommt. Sein erstes Thema ist die Hanplmelvdie der Liebes¬
mahlsfeier. Das zweite besteht ans zwei Motiven, welche sich wie Vorder- und
Nachsatz zu einander verhalten. Das vordere Motiv „Gralsmvtiv" be
nannt .....- ist einer bekannten liturgischen Formel, dem sogenannten Dresdner
„Amen," wie aus dem Auge geschnitten, demselben, welches anch Mendelssohn,
wenn wir nicht irren, in seiner Reforinationsshmphonie verwendet hat. Bei seinem
Eintritt scheint sich Wagner, der Virtuos des Orchesterklangcs, über deu Effekt
der Instrumentirung getäuscht zu haben. Die Trompeten, welche das Thema
führen, klingen nicht feierlich, sondern ordinär. Das andre Motiv des zweiten
Themas ist poetisch uicht sehr stark und wirkt nur dnrch einen wuchtigen Nvr-
trag. Es heißt „Glanbensmotiv" und wird in recht langen Sequenzen unerbittlich
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