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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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den Gegensatz, den Konflikt zweier Mächte, Der "Parsifal" ist darnach ein Drcuna,
welches den Kampf zwischen der reinen, gläubigen Frömmigkeit lind der ver¬
führerische" Sinnenlust behandelt, ein Motiv also, welches in der Oper schon
oft und in den vielfachsten Spielarten ausgeführt worden ist, noch jüngst ziemlich
handgreiflich in Gvldmarks "Königin von Saba," ja ruck-M" inuwnäis schon
von Wagner selbst in seinem "Tannhäuser." Einer besondern Beliebtheit erfreut
sich dieses Motiv bei den Operndichtern in der Nüance: Christentum gegen
Heidentum mit ihren vielfachen Unterarten.

Wir treffen bei Wagner mit Aufgehen des Vorganges den Konflikt bereits
in vollem Gange. Die Sachen stehen nicht gut für die Gralsritter. Sogar
ihr eigner König ist durch die List des Klingsor schon geschädigt. Ist er auch
deu Händen des Zauberers wieder entrissen worden, so schmerzt ihn doch eine
schivere Wunde, die ihn für den Dienst des Grals halb unfähig macht, und eine
der wichtigste" Reliquien des Grals, der heilige Speer -- das ist die Lanze,
Vielehe am Kreuze in die Seite des Heilands gestoßen wurde --, ist drüben im
Zauberschloß zurückgeblieben, als der König vom Sinnentaumel umnachtet war.
Unlängst hat der kranke König inbrünstig um Erlösung gebetet; da ist ihm eine
geheimnisvolle Verheißung geworden:


Durch Mitleid wissend
Der reine Thor,
Harre sein,
Den ich erkor.

Dieser "reine Thor" scheint jetzt gefunden zu sein. Im Walde draußen haben
die Ritter des Grals einen jungen Menschen ergriffen, der ihnen einen der ge¬
hegten Schwäne erschossen hat. Dieser junge Mensch sieht nicht ein, was er
für ein Unrecht begangen haben soll, er kennt keinen Unterschied vo" Gut und
Böse. Er ist von zu Hanse fort, vorbeireitenden, glänzend gerüsteten Männern
nachgelaufen, weiß aber nicht, wo seine Heimat ist, nicht wie sie heißt, nicht den
Namen seines Baders, nicht seinen eignen, nur den seiner Mutter: Herzcleide
(Herzeloyde bei Wolfram). Als ihm Knndry, eine Dienerin des Grals, mitteilt,
sale Mutter sei inzwischen gestorben, will er Knndry wegen dieser Mitteilung
umbringen. Genug, der junge Mensch -- es ist Parsifal -- scheint nach
Thorheit und Einfalt der Mann des Orakels zu sei" und wird deshalb mit
hinaufgenommen zur Gralsburg. Dort wohnt er einer Feier deS Liebesmahls
bei u"d einer Enthüllung des Grals. Er sieht die Herrlichkeit des Kultus und
sieht die Leiden deS Amfvrtas, bleibt aber scheinbar unberührt. Man führt ihn
deshalb wieder zur Burg hinaus und überläßt ihn seinein weitern Schicksale.

Parsifal setzt seine Fahrten fort und kommt in deren Verlauf auch nach
dem Zanberschlosse des Klingsor. Kurz vor dem Ersteigen der letzten Mauern
schlägt er el" beträchtliches Quantum von Rittern nieder, die zur Teufelsburg
gehören, ""d kündigt sich schon durch dieses Entree für deren Herrscher als einen


den Gegensatz, den Konflikt zweier Mächte, Der „Parsifal" ist darnach ein Drcuna,
welches den Kampf zwischen der reinen, gläubigen Frömmigkeit lind der ver¬
führerische» Sinnenlust behandelt, ein Motiv also, welches in der Oper schon
oft und in den vielfachsten Spielarten ausgeführt worden ist, noch jüngst ziemlich
handgreiflich in Gvldmarks „Königin von Saba," ja ruck-M« inuwnäis schon
von Wagner selbst in seinem „Tannhäuser." Einer besondern Beliebtheit erfreut
sich dieses Motiv bei den Operndichtern in der Nüance: Christentum gegen
Heidentum mit ihren vielfachen Unterarten.

Wir treffen bei Wagner mit Aufgehen des Vorganges den Konflikt bereits
in vollem Gange. Die Sachen stehen nicht gut für die Gralsritter. Sogar
ihr eigner König ist durch die List des Klingsor schon geschädigt. Ist er auch
deu Händen des Zauberers wieder entrissen worden, so schmerzt ihn doch eine
schivere Wunde, die ihn für den Dienst des Grals halb unfähig macht, und eine
der wichtigste» Reliquien des Grals, der heilige Speer — das ist die Lanze,
Vielehe am Kreuze in die Seite des Heilands gestoßen wurde —, ist drüben im
Zauberschloß zurückgeblieben, als der König vom Sinnentaumel umnachtet war.
Unlängst hat der kranke König inbrünstig um Erlösung gebetet; da ist ihm eine
geheimnisvolle Verheißung geworden:


Durch Mitleid wissend
Der reine Thor,
Harre sein,
Den ich erkor.

Dieser „reine Thor" scheint jetzt gefunden zu sein. Im Walde draußen haben
die Ritter des Grals einen jungen Menschen ergriffen, der ihnen einen der ge¬
hegten Schwäne erschossen hat. Dieser junge Mensch sieht nicht ein, was er
für ein Unrecht begangen haben soll, er kennt keinen Unterschied vo» Gut und
Böse. Er ist von zu Hanse fort, vorbeireitenden, glänzend gerüsteten Männern
nachgelaufen, weiß aber nicht, wo seine Heimat ist, nicht wie sie heißt, nicht den
Namen seines Baders, nicht seinen eignen, nur den seiner Mutter: Herzcleide
(Herzeloyde bei Wolfram). Als ihm Knndry, eine Dienerin des Grals, mitteilt,
sale Mutter sei inzwischen gestorben, will er Knndry wegen dieser Mitteilung
umbringen. Genug, der junge Mensch — es ist Parsifal — scheint nach
Thorheit und Einfalt der Mann des Orakels zu sei» und wird deshalb mit
hinaufgenommen zur Gralsburg. Dort wohnt er einer Feier deS Liebesmahls
bei u»d einer Enthüllung des Grals. Er sieht die Herrlichkeit des Kultus und
sieht die Leiden deS Amfvrtas, bleibt aber scheinbar unberührt. Man führt ihn
deshalb wieder zur Burg hinaus und überläßt ihn seinein weitern Schicksale.

Parsifal setzt seine Fahrten fort und kommt in deren Verlauf auch nach
dem Zanberschlosse des Klingsor. Kurz vor dem Ersteigen der letzten Mauern
schlägt er el» beträchtliches Quantum von Rittern nieder, die zur Teufelsburg
gehören, »»d kündigt sich schon durch dieses Entree für deren Herrscher als einen


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[0499] den Gegensatz, den Konflikt zweier Mächte, Der „Parsifal" ist darnach ein Drcuna, welches den Kampf zwischen der reinen, gläubigen Frömmigkeit lind der ver¬ führerische» Sinnenlust behandelt, ein Motiv also, welches in der Oper schon oft und in den vielfachsten Spielarten ausgeführt worden ist, noch jüngst ziemlich handgreiflich in Gvldmarks „Königin von Saba," ja ruck-M« inuwnäis schon von Wagner selbst in seinem „Tannhäuser." Einer besondern Beliebtheit erfreut sich dieses Motiv bei den Operndichtern in der Nüance: Christentum gegen Heidentum mit ihren vielfachen Unterarten. Wir treffen bei Wagner mit Aufgehen des Vorganges den Konflikt bereits in vollem Gange. Die Sachen stehen nicht gut für die Gralsritter. Sogar ihr eigner König ist durch die List des Klingsor schon geschädigt. Ist er auch deu Händen des Zauberers wieder entrissen worden, so schmerzt ihn doch eine schivere Wunde, die ihn für den Dienst des Grals halb unfähig macht, und eine der wichtigste» Reliquien des Grals, der heilige Speer — das ist die Lanze, Vielehe am Kreuze in die Seite des Heilands gestoßen wurde —, ist drüben im Zauberschloß zurückgeblieben, als der König vom Sinnentaumel umnachtet war. Unlängst hat der kranke König inbrünstig um Erlösung gebetet; da ist ihm eine geheimnisvolle Verheißung geworden: Durch Mitleid wissend Der reine Thor, Harre sein, Den ich erkor. Dieser „reine Thor" scheint jetzt gefunden zu sein. Im Walde draußen haben die Ritter des Grals einen jungen Menschen ergriffen, der ihnen einen der ge¬ hegten Schwäne erschossen hat. Dieser junge Mensch sieht nicht ein, was er für ein Unrecht begangen haben soll, er kennt keinen Unterschied vo» Gut und Böse. Er ist von zu Hanse fort, vorbeireitenden, glänzend gerüsteten Männern nachgelaufen, weiß aber nicht, wo seine Heimat ist, nicht wie sie heißt, nicht den Namen seines Baders, nicht seinen eignen, nur den seiner Mutter: Herzcleide (Herzeloyde bei Wolfram). Als ihm Knndry, eine Dienerin des Grals, mitteilt, sale Mutter sei inzwischen gestorben, will er Knndry wegen dieser Mitteilung umbringen. Genug, der junge Mensch — es ist Parsifal — scheint nach Thorheit und Einfalt der Mann des Orakels zu sei» und wird deshalb mit hinaufgenommen zur Gralsburg. Dort wohnt er einer Feier deS Liebesmahls bei u»d einer Enthüllung des Grals. Er sieht die Herrlichkeit des Kultus und sieht die Leiden deS Amfvrtas, bleibt aber scheinbar unberührt. Man führt ihn deshalb wieder zur Burg hinaus und überläßt ihn seinein weitern Schicksale. Parsifal setzt seine Fahrten fort und kommt in deren Verlauf auch nach dem Zanberschlosse des Klingsor. Kurz vor dem Ersteigen der letzten Mauern schlägt er el» beträchtliches Quantum von Rittern nieder, die zur Teufelsburg gehören, »»d kündigt sich schon durch dieses Entree für deren Herrscher als einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/499>, abgerufen am 22.07.2024.