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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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den Namen Befugter betrieben werden könnte. Und endlich läge mich da der
Mißbrauch zu gefährlich nahe.

Zweckmäßige Ergänzung der Strafbestimmungen scheint nicht ganz un¬
möglich. Mit der Tendenz, die Verantwortlichkeit in der Richtung der Ver¬
breitung des Strafbaren aufs weiteste auszudehnen, war man wohl kaum auf
rechtem Wege, vielmehr würde es sich empfehlen, die Haftbarkeit der Zeitnngs-
eigentümcr mehr zu betonen. Die letzteren müssen es ja als eine Zurücksetzung
auffassen, wenn sie bloß durch einige Einbuße an schnödem Mammon für ihre
Überzeugung einstehen dürfen, während die Mitarbeiter, oder gar ein armer
Teufel von Verantwortlichem, ihre Freiheit zu opfern haben, und Vernach¬
lässigung der pflichtmäßigen Obsorge läßt sich ohne Zweifel auch der zu Schulden
kommen, der auf einen verantwortliche" Posten eine unzuverlässige Person stellt.
Anstrengungen, dem Gesetz eine Nase zu drehen, würden, wie sich von selbst
versteht, nicht ausbleiben, aber ganz so leicht wäre in dem Falle das Durch¬
schlüpfen doch kaum, und die Haltung manches Blattes dürfte wohl eine andre
werden, wenn die Ausrede: "Das Geschäft ist mein, aber um seine Leitung
bekümmere ich mich nicht" unstatthaft wäre.

In andrer Beziehung hat die Journalistik selbst vor kurzem einen beachtens¬
werten Fingerzeig gegeben, indem Zeitungen einen Korrespondenten verklagte!?,
weil er ihnen erfundene Mitteilungen gemacht und sich dafür hatte honoriren
lassen. Ein ähnliches Verhältnis besteht auch zwischen dem Zeitnngsunter-
nehmen und dem Abonnenten. Die Form müßte sich mithin wohl finden lassen,
dem Verbreiter ersnndener Nachrichten Vonseiten des betrogenen Publikums zu
Leibe zu gehen. Als der Reichskanzler in seiner letzten großen Rede von der
Verlogenheit der liberalen Presse sprach, machte eine von jenen Zeitungen, die
stolz darauf siud, den Geschmack der Menge um besten zu treffen, den geist¬
reichen Witz, leider sei es nicht möglich, den Fürsten Vismarck wegen Preßbe-
leidignng zu belangen. Ob der Versuch wohl schou gemacht worden ist? Es
wäre wenigstens denkbar, daß die "Verfolgung" gestattet, aber much der Beweis
der Wahrheit angetreten würde. Und Vielehe Fülle von Material mag gerade
der Kanzler angesammelt haben! Was alles hat er nicht schon gedacht, gewollt,
beabsichtigt, gesagt, vorbereitet u. s. w. n. s. w., wovon er nicht das geringste
ahnte, bis die Zeitungen es ihm und der Welt verkündeten! Wenn einem Fabri¬
kanten öffentlich nachgesagt würde, er wolle absichtlich sein Geschäft ruiniren,
seine Gebände in Brand stecken, oder er machinire hinter dem Rücken seiner
Kompagnons oder dergleichen mehr, so würde er sich Recht zu verschaffen Nüssen;
aber wenn es sich bloß um den Staat, dessen Regierung und das Haupt der¬
selben handelt, darf ein jeder die Thatsachen entstellen, Lügen leichtfertig ver¬
breiten oder selbst in die Welt setzen. Der Ausdruck Verlogenheit hat die
Herren verletzt; nnn wohl, ein kleines, aber recht bezeichnendes Beispiel ans
jüngster Zeit. Ans dem Wahlprogramm des "Reichsboten" teilten liberale Zei-


In i^r^uno»!

den Namen Befugter betrieben werden könnte. Und endlich läge mich da der
Mißbrauch zu gefährlich nahe.

Zweckmäßige Ergänzung der Strafbestimmungen scheint nicht ganz un¬
möglich. Mit der Tendenz, die Verantwortlichkeit in der Richtung der Ver¬
breitung des Strafbaren aufs weiteste auszudehnen, war man wohl kaum auf
rechtem Wege, vielmehr würde es sich empfehlen, die Haftbarkeit der Zeitnngs-
eigentümcr mehr zu betonen. Die letzteren müssen es ja als eine Zurücksetzung
auffassen, wenn sie bloß durch einige Einbuße an schnödem Mammon für ihre
Überzeugung einstehen dürfen, während die Mitarbeiter, oder gar ein armer
Teufel von Verantwortlichem, ihre Freiheit zu opfern haben, und Vernach¬
lässigung der pflichtmäßigen Obsorge läßt sich ohne Zweifel auch der zu Schulden
kommen, der auf einen verantwortliche» Posten eine unzuverlässige Person stellt.
Anstrengungen, dem Gesetz eine Nase zu drehen, würden, wie sich von selbst
versteht, nicht ausbleiben, aber ganz so leicht wäre in dem Falle das Durch¬
schlüpfen doch kaum, und die Haltung manches Blattes dürfte wohl eine andre
werden, wenn die Ausrede: „Das Geschäft ist mein, aber um seine Leitung
bekümmere ich mich nicht" unstatthaft wäre.

In andrer Beziehung hat die Journalistik selbst vor kurzem einen beachtens¬
werten Fingerzeig gegeben, indem Zeitungen einen Korrespondenten verklagte!?,
weil er ihnen erfundene Mitteilungen gemacht und sich dafür hatte honoriren
lassen. Ein ähnliches Verhältnis besteht auch zwischen dem Zeitnngsunter-
nehmen und dem Abonnenten. Die Form müßte sich mithin wohl finden lassen,
dem Verbreiter ersnndener Nachrichten Vonseiten des betrogenen Publikums zu
Leibe zu gehen. Als der Reichskanzler in seiner letzten großen Rede von der
Verlogenheit der liberalen Presse sprach, machte eine von jenen Zeitungen, die
stolz darauf siud, den Geschmack der Menge um besten zu treffen, den geist¬
reichen Witz, leider sei es nicht möglich, den Fürsten Vismarck wegen Preßbe-
leidignng zu belangen. Ob der Versuch wohl schou gemacht worden ist? Es
wäre wenigstens denkbar, daß die „Verfolgung" gestattet, aber much der Beweis
der Wahrheit angetreten würde. Und Vielehe Fülle von Material mag gerade
der Kanzler angesammelt haben! Was alles hat er nicht schon gedacht, gewollt,
beabsichtigt, gesagt, vorbereitet u. s. w. n. s. w., wovon er nicht das geringste
ahnte, bis die Zeitungen es ihm und der Welt verkündeten! Wenn einem Fabri¬
kanten öffentlich nachgesagt würde, er wolle absichtlich sein Geschäft ruiniren,
seine Gebände in Brand stecken, oder er machinire hinter dem Rücken seiner
Kompagnons oder dergleichen mehr, so würde er sich Recht zu verschaffen Nüssen;
aber wenn es sich bloß um den Staat, dessen Regierung und das Haupt der¬
selben handelt, darf ein jeder die Thatsachen entstellen, Lügen leichtfertig ver¬
breiten oder selbst in die Welt setzen. Der Ausdruck Verlogenheit hat die
Herren verletzt; nnn wohl, ein kleines, aber recht bezeichnendes Beispiel ans
jüngster Zeit. Ans dem Wahlprogramm des „Reichsboten" teilten liberale Zei-


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[0445] In i^r^uno»! den Namen Befugter betrieben werden könnte. Und endlich läge mich da der Mißbrauch zu gefährlich nahe. Zweckmäßige Ergänzung der Strafbestimmungen scheint nicht ganz un¬ möglich. Mit der Tendenz, die Verantwortlichkeit in der Richtung der Ver¬ breitung des Strafbaren aufs weiteste auszudehnen, war man wohl kaum auf rechtem Wege, vielmehr würde es sich empfehlen, die Haftbarkeit der Zeitnngs- eigentümcr mehr zu betonen. Die letzteren müssen es ja als eine Zurücksetzung auffassen, wenn sie bloß durch einige Einbuße an schnödem Mammon für ihre Überzeugung einstehen dürfen, während die Mitarbeiter, oder gar ein armer Teufel von Verantwortlichem, ihre Freiheit zu opfern haben, und Vernach¬ lässigung der pflichtmäßigen Obsorge läßt sich ohne Zweifel auch der zu Schulden kommen, der auf einen verantwortliche» Posten eine unzuverlässige Person stellt. Anstrengungen, dem Gesetz eine Nase zu drehen, würden, wie sich von selbst versteht, nicht ausbleiben, aber ganz so leicht wäre in dem Falle das Durch¬ schlüpfen doch kaum, und die Haltung manches Blattes dürfte wohl eine andre werden, wenn die Ausrede: „Das Geschäft ist mein, aber um seine Leitung bekümmere ich mich nicht" unstatthaft wäre. In andrer Beziehung hat die Journalistik selbst vor kurzem einen beachtens¬ werten Fingerzeig gegeben, indem Zeitungen einen Korrespondenten verklagte!?, weil er ihnen erfundene Mitteilungen gemacht und sich dafür hatte honoriren lassen. Ein ähnliches Verhältnis besteht auch zwischen dem Zeitnngsunter- nehmen und dem Abonnenten. Die Form müßte sich mithin wohl finden lassen, dem Verbreiter ersnndener Nachrichten Vonseiten des betrogenen Publikums zu Leibe zu gehen. Als der Reichskanzler in seiner letzten großen Rede von der Verlogenheit der liberalen Presse sprach, machte eine von jenen Zeitungen, die stolz darauf siud, den Geschmack der Menge um besten zu treffen, den geist¬ reichen Witz, leider sei es nicht möglich, den Fürsten Vismarck wegen Preßbe- leidignng zu belangen. Ob der Versuch wohl schou gemacht worden ist? Es wäre wenigstens denkbar, daß die „Verfolgung" gestattet, aber much der Beweis der Wahrheit angetreten würde. Und Vielehe Fülle von Material mag gerade der Kanzler angesammelt haben! Was alles hat er nicht schon gedacht, gewollt, beabsichtigt, gesagt, vorbereitet u. s. w. n. s. w., wovon er nicht das geringste ahnte, bis die Zeitungen es ihm und der Welt verkündeten! Wenn einem Fabri¬ kanten öffentlich nachgesagt würde, er wolle absichtlich sein Geschäft ruiniren, seine Gebände in Brand stecken, oder er machinire hinter dem Rücken seiner Kompagnons oder dergleichen mehr, so würde er sich Recht zu verschaffen Nüssen; aber wenn es sich bloß um den Staat, dessen Regierung und das Haupt der¬ selben handelt, darf ein jeder die Thatsachen entstellen, Lügen leichtfertig ver¬ breiten oder selbst in die Welt setzen. Der Ausdruck Verlogenheit hat die Herren verletzt; nnn wohl, ein kleines, aber recht bezeichnendes Beispiel ans jüngster Zeit. Ans dem Wahlprogramm des „Reichsboten" teilten liberale Zei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/445>, abgerufen am 24.08.2024.