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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Fähigkeit hat, würde es sich durch den besten Garantievertrng Preußens und
Deutschlands nicht irre machen lassen. Hat es doch den Aprilvertrag von 1L54
zu nichts anderen benutzt, als um ihn in seinem Interesse moussiren zu lassen,
uns schlecht zu^ behandeln und eine ebenso doppelzüngige als unweise Politik zu
betreiben; deu Dezembervertrag aber heimlich abzuschließen und es mit jedem
andern je nach eignem Vorteile zu halten, hat es sich durch unsre Garantie
nicht hindern lassen. . . Meines Dafürhaltens ist unsre Lage, als die eines ge¬
suchten Bundesgenossen, eine günstige, so lange neue politische Gruppirungen
sich noch nicht zu scharf zeichnen, so lange ihre Thätigkeit eine diplomatische
bleibt, und ein gutes Einvernehmen mit dein einen nicht den Bruch mit den
andern involvirt. Käme es aber zur Verwirklichung einer russisch-französischen
Allianz mit kriegerischen Zwecken, so können wir meiner Überzeugung nach nicht
unter den Gegnern derselben sein, weil wir da wahrscheinlich unterliegen,
vielleicht xour Iss dsarix z^sux d<z 1'^.utrivluz vt, <1ö 1". Dises uns siegend ver¬
bluten wiirden."

Ergänzt werden die letzten Worte dnrch ein Schreiben vom 10. Mui, in
welchem Bismarck dein Minister Mnntensfel Pflege der Beziehungen zu Na¬
poleon behufs der Offenhaltung der Aussicht auf ein Bündnis Preußens mit
Frankreich empfiehlt. Es heißt da:

"Wir vermögen es nicht, die gegenseitigen Beziehungen der übrigen Gro߬
mächte zu einander uach unsrer Wahl zu gestalten, aber wir können uns die
Freiheit bewahren, die Gestaltungen, welche sich ohne unser Zuthun und viel¬
leicht gegen unsere Wünsche entwickeln, nach den Anforderungen unsrer Sicher¬
heit und unserer Interessen zu benutzen. Unsere Beziehungen zu Rußland,
England und Österreich siud von der Art, daß sie kein Hindernis für eine An¬
näherung an jede dieser drei Mächte bieten, wenn nus die Umstände eine solche
ratsam erscheinen lassen. In Betreff Frankreichs findet zwar nicht das Gegen¬
teil statt, aber die Keime einer gegenseitigen Entfremdung sind dort nach den
geschichtlichen und dynastischen Verhältnissen in dem Maße vorhanden, daß nnr
eine sorgfältige Pflege unserer Beziehungen uns die Fähigkeit bewahren kann,
nach Umständen ebenso leicht mit Frankreich zu gehen als mit jeder andern
der drei genannten Mächte. Ich will damit nicht einem preußisch-frnnzösischen
Bündnisse das Wort reden; aber ich glaube, es bedarf keines Beweises, daß
unsere Stellung an Gewicht verliert, und die übrigen Mächte anfangen werden,
weniger Rücksicht auf uns zu nehmen, sobald nus dem Kreise der für Preußen
möglichen Entschließungen die Chance eines Bündnisses mit Frankreich als gänz¬
lich gestrichen anzusehen ist, und wir können, ohne daß wir es zu hindern im¬
stande wären, in Lagen geraten, wo jene Chnnee von zwei Übeln das kleinere ist.
Wird dies zugegeben, so folgt auch daraus, daß unsere Beziehungen zu Frankreich
einstweilen von der Art sein müssen, daß sie uns jederzeit erlauben, dieser Macht
ohne Schaden und Demütigung für uns noch näher zu treten, und daß auch die


Fähigkeit hat, würde es sich durch den besten Garantievertrng Preußens und
Deutschlands nicht irre machen lassen. Hat es doch den Aprilvertrag von 1L54
zu nichts anderen benutzt, als um ihn in seinem Interesse moussiren zu lassen,
uns schlecht zu^ behandeln und eine ebenso doppelzüngige als unweise Politik zu
betreiben; deu Dezembervertrag aber heimlich abzuschließen und es mit jedem
andern je nach eignem Vorteile zu halten, hat es sich durch unsre Garantie
nicht hindern lassen. . . Meines Dafürhaltens ist unsre Lage, als die eines ge¬
suchten Bundesgenossen, eine günstige, so lange neue politische Gruppirungen
sich noch nicht zu scharf zeichnen, so lange ihre Thätigkeit eine diplomatische
bleibt, und ein gutes Einvernehmen mit dein einen nicht den Bruch mit den
andern involvirt. Käme es aber zur Verwirklichung einer russisch-französischen
Allianz mit kriegerischen Zwecken, so können wir meiner Überzeugung nach nicht
unter den Gegnern derselben sein, weil wir da wahrscheinlich unterliegen,
vielleicht xour Iss dsarix z^sux d<z 1'^.utrivluz vt, <1ö 1«. Dises uns siegend ver¬
bluten wiirden."

Ergänzt werden die letzten Worte dnrch ein Schreiben vom 10. Mui, in
welchem Bismarck dein Minister Mnntensfel Pflege der Beziehungen zu Na¬
poleon behufs der Offenhaltung der Aussicht auf ein Bündnis Preußens mit
Frankreich empfiehlt. Es heißt da:

„Wir vermögen es nicht, die gegenseitigen Beziehungen der übrigen Gro߬
mächte zu einander uach unsrer Wahl zu gestalten, aber wir können uns die
Freiheit bewahren, die Gestaltungen, welche sich ohne unser Zuthun und viel¬
leicht gegen unsere Wünsche entwickeln, nach den Anforderungen unsrer Sicher¬
heit und unserer Interessen zu benutzen. Unsere Beziehungen zu Rußland,
England und Österreich siud von der Art, daß sie kein Hindernis für eine An¬
näherung an jede dieser drei Mächte bieten, wenn nus die Umstände eine solche
ratsam erscheinen lassen. In Betreff Frankreichs findet zwar nicht das Gegen¬
teil statt, aber die Keime einer gegenseitigen Entfremdung sind dort nach den
geschichtlichen und dynastischen Verhältnissen in dem Maße vorhanden, daß nnr
eine sorgfältige Pflege unserer Beziehungen uns die Fähigkeit bewahren kann,
nach Umständen ebenso leicht mit Frankreich zu gehen als mit jeder andern
der drei genannten Mächte. Ich will damit nicht einem preußisch-frnnzösischen
Bündnisse das Wort reden; aber ich glaube, es bedarf keines Beweises, daß
unsere Stellung an Gewicht verliert, und die übrigen Mächte anfangen werden,
weniger Rücksicht auf uns zu nehmen, sobald nus dem Kreise der für Preußen
möglichen Entschließungen die Chance eines Bündnisses mit Frankreich als gänz¬
lich gestrichen anzusehen ist, und wir können, ohne daß wir es zu hindern im¬
stande wären, in Lagen geraten, wo jene Chnnee von zwei Übeln das kleinere ist.
Wird dies zugegeben, so folgt auch daraus, daß unsere Beziehungen zu Frankreich
einstweilen von der Art sein müssen, daß sie uns jederzeit erlauben, dieser Macht
ohne Schaden und Demütigung für uns noch näher zu treten, und daß auch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/402>, abgerufen am 25.08.2024.