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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bismarck während des Arimkrieges.

möglich, die Selbstverleugnung so weit zu treiben, daß wir die eigne Existenz
einsehen, um die Integrität Österreichs zu schütze", und zwar in einem meines
Erachtens hoffnungslosen Kampfe. . . . Wenn wir wirklich gegen ein französisch-
rnssisches Bündnis siegreich bleiben, wofür hätten wir schließlich gekämpft? Für
die Erhaltung des österreichischen Übergewichts in Deutschland lind der erbärm¬
lichen Verfassung des Bundes, und dafür können wir doch unmöglich unsre letzte
Kraft ein- und unsre Existenz muss Spiel setzen. . . .

Wenn es wahr ist, was man hier erzählt, daß Österreich schon in München
Garantieverträge wegen Italien angeregt habe, daß es bei uns ähnliches be¬
absichtige, daß Graf Brot zu diesem Zwecke Hannover und Dresden besucht
habe, so glaube ich nicht, daß dein der Gedanke zu Grunde liegt, Deutschland
fest um sich zu schaaren und dann einer Welt in Waffen zu trotzen; sondern
das Wiener Kabinet wird unsere und etwaige andere Zusicherungen diplomatisch
ausbeuten, um sich mit Frankreich und, wenn es sein kann, mit Rußland bessere
Bedingungen einer Verständigung ans unsere Kosten zu verschaffen. Es wird
den Don Juan bei allen Kabinetten spielen, wenn es einen so stämmigen Leporello
wie Preußen mißbrauchen kann, und getreu dieser Rolle wird es stets bereit sein,
sich ans unsre Kosten aus der Klemme zu ziehen und uns darin zu lassen.
Bleibt Frieden, so wird es uus aus Dankbarkeit für unsere bundesfrenndliche
Gesinnung im Punkte der Solidarität der deutschen Interessen beim Worte zu
halten suchen, um uus den Zollverein aus der Hand zu winden. Wird Krieg,
so wird es sich durch alle in seiner Tasche befindlichen Garantieverträge nicht
abhalten lassen, sich mit ebensoviel Geschwindigkeit als Sicherheit auf der Seite
anzudrängen, wo es die beste Aussicht hat auf Herrschaft in Deutschland, deren
es bei seiner dermaligen germanisirenden Zentralisation mehr als früher bedarf."

Der Briefschreiber meint hierauf, daß Österreich nicht glauben könne, Preußen
werde jetzt, wo noch keine Gefahr nahegetreten sei, ans einen Garantievertrag
eingehen, und führt dann fort: "Im Jahre 1851 . . . lagen die Gefahren eines
Debvrdirens der Revolution ans Frankreich und Italien noch näher, und es
war eine Solidarität der Monarchen gegen diese Gefahr vorhanden, welche
unsern Maivertrag jdas geheime Schutzbüudnis vom 16. Mai 1851j ganz
natürlich herbeiführte; eine ähnliche Situation würde erst wieder da sein, wenn
das französische Kaisertum gestürzt wäre. So lange es steht, handelt es sich
nicht um Abwehr der Demokraten, sondern um Kabinetspolitik, bei der die In¬
teressen Österreichs eben nicht mit den unsrigen zusanunenfallen. Ein ähnlicher
Vertrag, zum Schutze j Österreichisch-j Italiens jetzt abgeschlossen, würde nnr den
Effekt einer vorzeitigen Provokation Frankreichs und einer Abkühlung Rußlands
gegen uus haben. Das lüge ganz in Österreichs Interesse, und man würde in
Wien schou dafür sorgen, daß die Thatsache in Petersburg und Paris uicht
unbekannt bliebe; die Schuld der Indiskretion würde dann obendrein ans uns
geschoben. In allem aber, was Österreich ohne uns zu thun die Lust und die


Grenzboten III. 1882. 50
Bismarck während des Arimkrieges.

möglich, die Selbstverleugnung so weit zu treiben, daß wir die eigne Existenz
einsehen, um die Integrität Österreichs zu schütze», und zwar in einem meines
Erachtens hoffnungslosen Kampfe. . . . Wenn wir wirklich gegen ein französisch-
rnssisches Bündnis siegreich bleiben, wofür hätten wir schließlich gekämpft? Für
die Erhaltung des österreichischen Übergewichts in Deutschland lind der erbärm¬
lichen Verfassung des Bundes, und dafür können wir doch unmöglich unsre letzte
Kraft ein- und unsre Existenz muss Spiel setzen. . . .

Wenn es wahr ist, was man hier erzählt, daß Österreich schon in München
Garantieverträge wegen Italien angeregt habe, daß es bei uns ähnliches be¬
absichtige, daß Graf Brot zu diesem Zwecke Hannover und Dresden besucht
habe, so glaube ich nicht, daß dein der Gedanke zu Grunde liegt, Deutschland
fest um sich zu schaaren und dann einer Welt in Waffen zu trotzen; sondern
das Wiener Kabinet wird unsere und etwaige andere Zusicherungen diplomatisch
ausbeuten, um sich mit Frankreich und, wenn es sein kann, mit Rußland bessere
Bedingungen einer Verständigung ans unsere Kosten zu verschaffen. Es wird
den Don Juan bei allen Kabinetten spielen, wenn es einen so stämmigen Leporello
wie Preußen mißbrauchen kann, und getreu dieser Rolle wird es stets bereit sein,
sich ans unsre Kosten aus der Klemme zu ziehen und uns darin zu lassen.
Bleibt Frieden, so wird es uus aus Dankbarkeit für unsere bundesfrenndliche
Gesinnung im Punkte der Solidarität der deutschen Interessen beim Worte zu
halten suchen, um uus den Zollverein aus der Hand zu winden. Wird Krieg,
so wird es sich durch alle in seiner Tasche befindlichen Garantieverträge nicht
abhalten lassen, sich mit ebensoviel Geschwindigkeit als Sicherheit auf der Seite
anzudrängen, wo es die beste Aussicht hat auf Herrschaft in Deutschland, deren
es bei seiner dermaligen germanisirenden Zentralisation mehr als früher bedarf."

Der Briefschreiber meint hierauf, daß Österreich nicht glauben könne, Preußen
werde jetzt, wo noch keine Gefahr nahegetreten sei, ans einen Garantievertrag
eingehen, und führt dann fort: „Im Jahre 1851 . . . lagen die Gefahren eines
Debvrdirens der Revolution ans Frankreich und Italien noch näher, und es
war eine Solidarität der Monarchen gegen diese Gefahr vorhanden, welche
unsern Maivertrag jdas geheime Schutzbüudnis vom 16. Mai 1851j ganz
natürlich herbeiführte; eine ähnliche Situation würde erst wieder da sein, wenn
das französische Kaisertum gestürzt wäre. So lange es steht, handelt es sich
nicht um Abwehr der Demokraten, sondern um Kabinetspolitik, bei der die In¬
teressen Österreichs eben nicht mit den unsrigen zusanunenfallen. Ein ähnlicher
Vertrag, zum Schutze j Österreichisch-j Italiens jetzt abgeschlossen, würde nnr den
Effekt einer vorzeitigen Provokation Frankreichs und einer Abkühlung Rußlands
gegen uus haben. Das lüge ganz in Österreichs Interesse, und man würde in
Wien schou dafür sorgen, daß die Thatsache in Petersburg und Paris uicht
unbekannt bliebe; die Schuld der Indiskretion würde dann obendrein ans uns
geschoben. In allem aber, was Österreich ohne uns zu thun die Lust und die


Grenzboten III. 1882. 50
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/401>, abgerufen am 25.08.2024.