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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bismarck während des Krimkrieges.

noch nicht aufgegeben. Wenn wirklich ... in Wien geheime Verhandlungen mit
Petersburg beabsichtigt sind, um auch von Rußland eine traktatemncißige An¬
erkennung der österreichischen Besetzung der Donaufürsteutümer auf ungewisse
Dauer zu erlangen, so ist das eine wesentliche Befestigung der Einnistung Öster¬
reichs in jenen Ländern und eine wichtige Vervollständigung des Systems,
welches aus dem Vertrage mit der Türkei und aus der Garantie Preußens
und Deutschlands durch den Zusatzartikel ^vom 26. November 1854, der ge¬
meinsame Abwehr eines etwaigen russischen Angriffs auf die in der Moldau
und Walachei stehenden Österreicher zusagte^ gewoben worden. . . Die Zeit muß
lehren, ob die Ereignisse bis zum Frieden Österreich gestatten, die Nützlichkeit,
welche es für jeden der kriegführenden Teile in jenen Ländern haben kann, er¬
folgreich genug auszubeuten, um sein Ziel vollständig zu erreichen. Kann es
die Provinzen selbst nicht gewinnen, so wird es wenigstens das alleinige Pro¬
tektorat in möglichst strammer Form davonzutragen suchen; zeigt sich auch das
unerreichbar, so wird es jedenfalls bemüht sein, für seine außerordentlichen An¬
strengungen zu Gunsten anerkannter deutscher Interessen am Bunde eine Kosten-
liqnidation anzubringen, und auf dieselbe nehmen, was es kriegen kann."

Inzwischen war der Krieg gegen Rußland von feiten der Westmächte, der
Türkei und zuletzt auch Sardiniens energisch fortgesetzt worden. Am 11. Sep¬
tember 1855 fiel nach fast einjähriger Belagerung, harten Kämpfen und unge¬
heuren Menschenopfern Sebastopol in die Hände der Alliierten. England war
geneigt, weiterzukämpfen, in Frankreich aber hatte der Kaiser Napoleon genug
Waffenruhm geerntet, in Rußland war der neue Zar friedfertiger gesinnt als
Nikolaus gewesen, und von seiten Österreichs und Preußens bemühte man sich
eifrig, aus eiuer Lage der Dinge herauszukommen, welche diese Mächte doch noch
nötige" konnte, sich am Kriege zu beteiligen. Bald nachdem die Einnahme von
Kars durch die Russen es dem Kaiser Alexander erleichtert hatte, Frieden zu
schließen, schickte das Wiener Kabinet den Fürsten Esterhazy nach Petersburg,
der sich dort mit Nesselrode bald über ein Protokoll einigte, das als Friedens¬
basis dienen konnte. Am 26. Januar 1856 nahm der Sultan 21 Artikel an,
welche ihm von Österreich und den Westmächten vorgelegt wurden, und welche
die Gleichheit der Christen mit den Muhamedanern im osmanischen Reiche,
Verbesserungen im Steuer- und Gerichtswesen und andre Reformen betrafen,
durch die den Russen für immer jeder Vorwand zur Einmischung in die An¬
gelegenheiten der Türkei entzogen werden sollte. Nach diesen Vorarbeiten wurde
am 25. Februar in Paris ein Kongreß zur Abschließung eines definitiven
Friedens eröffnet, der am 30. März zur Unterzeichnung gelangte. Da Preußen
sich an dem Kriege in keiner Weise beteiligt hatte, so sah es sich anfangs von
den Unterhandlungen ausgeschlossen, da namentlich England sich seiner Ein¬
ladung widersetzte. Insofern aber von dem Kongresse Abänderungen an den
Wiener Vertrügen, zu deren Garanten Preußen gehörte, beschlossen werden


Bismarck während des Krimkrieges.

noch nicht aufgegeben. Wenn wirklich ... in Wien geheime Verhandlungen mit
Petersburg beabsichtigt sind, um auch von Rußland eine traktatemncißige An¬
erkennung der österreichischen Besetzung der Donaufürsteutümer auf ungewisse
Dauer zu erlangen, so ist das eine wesentliche Befestigung der Einnistung Öster¬
reichs in jenen Ländern und eine wichtige Vervollständigung des Systems,
welches aus dem Vertrage mit der Türkei und aus der Garantie Preußens
und Deutschlands durch den Zusatzartikel ^vom 26. November 1854, der ge¬
meinsame Abwehr eines etwaigen russischen Angriffs auf die in der Moldau
und Walachei stehenden Österreicher zusagte^ gewoben worden. . . Die Zeit muß
lehren, ob die Ereignisse bis zum Frieden Österreich gestatten, die Nützlichkeit,
welche es für jeden der kriegführenden Teile in jenen Ländern haben kann, er¬
folgreich genug auszubeuten, um sein Ziel vollständig zu erreichen. Kann es
die Provinzen selbst nicht gewinnen, so wird es wenigstens das alleinige Pro¬
tektorat in möglichst strammer Form davonzutragen suchen; zeigt sich auch das
unerreichbar, so wird es jedenfalls bemüht sein, für seine außerordentlichen An¬
strengungen zu Gunsten anerkannter deutscher Interessen am Bunde eine Kosten-
liqnidation anzubringen, und auf dieselbe nehmen, was es kriegen kann."

Inzwischen war der Krieg gegen Rußland von feiten der Westmächte, der
Türkei und zuletzt auch Sardiniens energisch fortgesetzt worden. Am 11. Sep¬
tember 1855 fiel nach fast einjähriger Belagerung, harten Kämpfen und unge¬
heuren Menschenopfern Sebastopol in die Hände der Alliierten. England war
geneigt, weiterzukämpfen, in Frankreich aber hatte der Kaiser Napoleon genug
Waffenruhm geerntet, in Rußland war der neue Zar friedfertiger gesinnt als
Nikolaus gewesen, und von seiten Österreichs und Preußens bemühte man sich
eifrig, aus eiuer Lage der Dinge herauszukommen, welche diese Mächte doch noch
nötige» konnte, sich am Kriege zu beteiligen. Bald nachdem die Einnahme von
Kars durch die Russen es dem Kaiser Alexander erleichtert hatte, Frieden zu
schließen, schickte das Wiener Kabinet den Fürsten Esterhazy nach Petersburg,
der sich dort mit Nesselrode bald über ein Protokoll einigte, das als Friedens¬
basis dienen konnte. Am 26. Januar 1856 nahm der Sultan 21 Artikel an,
welche ihm von Österreich und den Westmächten vorgelegt wurden, und welche
die Gleichheit der Christen mit den Muhamedanern im osmanischen Reiche,
Verbesserungen im Steuer- und Gerichtswesen und andre Reformen betrafen,
durch die den Russen für immer jeder Vorwand zur Einmischung in die An¬
gelegenheiten der Türkei entzogen werden sollte. Nach diesen Vorarbeiten wurde
am 25. Februar in Paris ein Kongreß zur Abschließung eines definitiven
Friedens eröffnet, der am 30. März zur Unterzeichnung gelangte. Da Preußen
sich an dem Kriege in keiner Weise beteiligt hatte, so sah es sich anfangs von
den Unterhandlungen ausgeschlossen, da namentlich England sich seiner Ein¬
ladung widersetzte. Insofern aber von dem Kongresse Abänderungen an den
Wiener Vertrügen, zu deren Garanten Preußen gehörte, beschlossen werden


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[0395] Bismarck während des Krimkrieges. noch nicht aufgegeben. Wenn wirklich ... in Wien geheime Verhandlungen mit Petersburg beabsichtigt sind, um auch von Rußland eine traktatemncißige An¬ erkennung der österreichischen Besetzung der Donaufürsteutümer auf ungewisse Dauer zu erlangen, so ist das eine wesentliche Befestigung der Einnistung Öster¬ reichs in jenen Ländern und eine wichtige Vervollständigung des Systems, welches aus dem Vertrage mit der Türkei und aus der Garantie Preußens und Deutschlands durch den Zusatzartikel ^vom 26. November 1854, der ge¬ meinsame Abwehr eines etwaigen russischen Angriffs auf die in der Moldau und Walachei stehenden Österreicher zusagte^ gewoben worden. . . Die Zeit muß lehren, ob die Ereignisse bis zum Frieden Österreich gestatten, die Nützlichkeit, welche es für jeden der kriegführenden Teile in jenen Ländern haben kann, er¬ folgreich genug auszubeuten, um sein Ziel vollständig zu erreichen. Kann es die Provinzen selbst nicht gewinnen, so wird es wenigstens das alleinige Pro¬ tektorat in möglichst strammer Form davonzutragen suchen; zeigt sich auch das unerreichbar, so wird es jedenfalls bemüht sein, für seine außerordentlichen An¬ strengungen zu Gunsten anerkannter deutscher Interessen am Bunde eine Kosten- liqnidation anzubringen, und auf dieselbe nehmen, was es kriegen kann." Inzwischen war der Krieg gegen Rußland von feiten der Westmächte, der Türkei und zuletzt auch Sardiniens energisch fortgesetzt worden. Am 11. Sep¬ tember 1855 fiel nach fast einjähriger Belagerung, harten Kämpfen und unge¬ heuren Menschenopfern Sebastopol in die Hände der Alliierten. England war geneigt, weiterzukämpfen, in Frankreich aber hatte der Kaiser Napoleon genug Waffenruhm geerntet, in Rußland war der neue Zar friedfertiger gesinnt als Nikolaus gewesen, und von seiten Österreichs und Preußens bemühte man sich eifrig, aus eiuer Lage der Dinge herauszukommen, welche diese Mächte doch noch nötige» konnte, sich am Kriege zu beteiligen. Bald nachdem die Einnahme von Kars durch die Russen es dem Kaiser Alexander erleichtert hatte, Frieden zu schließen, schickte das Wiener Kabinet den Fürsten Esterhazy nach Petersburg, der sich dort mit Nesselrode bald über ein Protokoll einigte, das als Friedens¬ basis dienen konnte. Am 26. Januar 1856 nahm der Sultan 21 Artikel an, welche ihm von Österreich und den Westmächten vorgelegt wurden, und welche die Gleichheit der Christen mit den Muhamedanern im osmanischen Reiche, Verbesserungen im Steuer- und Gerichtswesen und andre Reformen betrafen, durch die den Russen für immer jeder Vorwand zur Einmischung in die An¬ gelegenheiten der Türkei entzogen werden sollte. Nach diesen Vorarbeiten wurde am 25. Februar in Paris ein Kongreß zur Abschließung eines definitiven Friedens eröffnet, der am 30. März zur Unterzeichnung gelangte. Da Preußen sich an dem Kriege in keiner Weise beteiligt hatte, so sah es sich anfangs von den Unterhandlungen ausgeschlossen, da namentlich England sich seiner Ein¬ ladung widersetzte. Insofern aber von dem Kongresse Abänderungen an den Wiener Vertrügen, zu deren Garanten Preußen gehörte, beschlossen werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/395>, abgerufen am 03.07.2024.