Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Der jüngste Tag. 383 Zeit zum Sprunge war. Er ersah deu Augenblick, er that deu Sprung, er Wollen Sie Ihr Geschick mir anvertrauen, Fräulein Anderson? Sie Er sagte durchaus nichts von Liebe. Er hatte das instinktmäßige Gefühl, Sie schwieg. Ich hoffte wirklich und wahrhaftig, indem ich alle meine eignen Hoff¬ Ja, sagte das leidenschaftliche Mädchen in einer Aufwallung von Verzweiflung. Vierzehntes 'Acrpitel. Das Gewebe der spinne. Jetzt, wo Humphrehs seine Beute hatte, wußte er nicht gleich, was er mit HumphreyS seinerseits war noch nicht befriedigt. Ich bediente mich vorhin Der jüngste Tag. 383 Zeit zum Sprunge war. Er ersah deu Augenblick, er that deu Sprung, er Wollen Sie Ihr Geschick mir anvertrauen, Fräulein Anderson? Sie Er sagte durchaus nichts von Liebe. Er hatte das instinktmäßige Gefühl, Sie schwieg. Ich hoffte wirklich und wahrhaftig, indem ich alle meine eignen Hoff¬ Ja, sagte das leidenschaftliche Mädchen in einer Aufwallung von Verzweiflung. Vierzehntes 'Acrpitel. Das Gewebe der spinne. Jetzt, wo Humphrehs seine Beute hatte, wußte er nicht gleich, was er mit HumphreyS seinerseits war noch nicht befriedigt. Ich bediente mich vorhin <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193732"/> <fw type="header" place="top"> Der jüngste Tag.</fw><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> 383</head><lb/> <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295"> Zeit zum Sprunge war. Er ersah deu Augenblick, er that deu Sprung, er<lb/> faßte seine Beute.</p><lb/> <p xml:id="ID_1297"> Wollen Sie Ihr Geschick mir anvertrauen, Fräulein Anderson? Sie<lb/> scheinen schwer bekümmert und bedrängt. Ich habe Mittel. Ich würde mich<lb/> ganz Ihrem Glücke widmen. 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Denn<lb/> bei Leuten von heftiger Gemütsart treten plötzliche Reaktionen ein, und eine<lb/> Minute schon, nachdem Julia jagesagt hatte, erinnerte sie sich an das Bild<lb/> Augusts, wie er in der Scheune gestanden und ihr so rei» und treuherzig und<lb/> ehrlich in die An gen gesehen und ihr in so süßem Tone seine Liebe gelobt hatte,<lb/> und sie blickte auf diese selige Stunde vielleicht mit einem Gefühle zurück, wie<lb/> es der reiche Manu im Evangelium hatte, als er ans der Qual über den Ab-<lb/> grund hinweg ins Paradies schaute; nur daß der reiche Manu das Paradies<lb/> nie gekannt hatte, während sie wußte, wie eS darin war. Denn der Mann oder<lb/> das Weib, das reine, selbstlose, vpfermutige Liebe kennt, die in gleicher Weise<lb/> erwiedert wird, kennt das, was von allen Dingen dieser Welt Gott und dein<lb/> Himmel am nächsten liegt. Es giebt welche, die Ohren haben, zu hören, und<lb/> für diese ist dies geschrieben. Julia dachte an Augusts Liebe und wollte in<lb/> Verzweiflung versinken. Dann aber kehrte die Erinnerung an seine Treulosig-<lb/> keit, an alles, was mau sie zu glauben und zu leiden gezwungen, zurück. Damit<lb/> begann ihr grausamer Schmerz von neuem, und sie freute sich, daß sie einen ent¬<lb/> scheidenden Schritt gethan. Jede Flucht war eine Befreiung. Ich glaube, daß<lb/> es unter einem derartigen Impulse geschieht, wenn Menschen sich selbst'umbringen.<lb/> Julien war es zu Mute, als ob sie ihrer Not durch Selbstmord entflohen'sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1303" next="#ID_1304"> HumphreyS seinerseits war noch nicht befriedigt. Ich bediente mich vorhin<lb/> eines falschen Gleichnisses. Er war uicht die Katze, welche ihre Beute in deu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391]
Der jüngste Tag.
383
Zeit zum Sprunge war. Er ersah deu Augenblick, er that deu Sprung, er
faßte seine Beute.
Wollen Sie Ihr Geschick mir anvertrauen, Fräulein Anderson? Sie
scheinen schwer bekümmert und bedrängt. Ich habe Mittel. Ich würde mich
ganz Ihrem Glücke widmen. Gestatten Sie, daß ich Ihnen beistehe, all dieser
— all dieser Demütigung zu entfliehen und dieser — dieser Tyrannei im Hanse.
Wollen Sie sich nur anvertrauen?
Er sagte durchaus nichts von Liebe. Er hatte das instinktmäßige Gefühl,
daß dies nicht der beste Weg sein würde. Sie sah sich von unübersteiglichen
Schwierigkeiten umgeben, von Seelenkämpfen ärger als der Tod bedroht — so
erschienen sie ihr wenigstens. Er öffnete ihr einfach, kühl die Thür und bot
ihr an, bequem und triumphirend zu entfliehen. Hätte er ein einziges zärtliches
Wort gesagt, so hätte die Reaktion eintrete» müssen.
Sie schwieg.
Ich hoffte wirklich und wahrhaftig, indem ich alle meine eignen Hoff¬
nungen zum Opfer brachte, eine Versöhnung herbeiführen zu können. Aber als
dieser junge Mann sich in beleidigenden Worten über Sie erging, faßte ich auf
der Stelle den Entschluß, Ihnen meine eifrige Protektion anzubieten. Ich bitte
um uicht mehr, als '«le zu geben imstande sind. Wollen Sie meinen Schutz
für Ihr ganzes Leben, meinen Schlitz als ihr Gatte münchner?
Ja, sagte das leidenschaftliche Mädchen in einer Aufwallung von Verzweiflung.
Vierzehntes 'Acrpitel.
Das Gewebe der spinne.
Jetzt, wo Humphrehs seine Beute hatte, wußte er nicht gleich, was er mit
ihr anfangen sollte. Indem er uicht wußte, was er sagen sollte, sagte er gar
nichts, worin er seine Klugheit zeigte. Aber andrerseits fühlte er, daß nichts
sagen fast so schlimm wie etwas sagen war. Und darin hatte er Recht. Denn
bei Leuten von heftiger Gemütsart treten plötzliche Reaktionen ein, und eine
Minute schon, nachdem Julia jagesagt hatte, erinnerte sie sich an das Bild
Augusts, wie er in der Scheune gestanden und ihr so rei» und treuherzig und
ehrlich in die An gen gesehen und ihr in so süßem Tone seine Liebe gelobt hatte,
und sie blickte auf diese selige Stunde vielleicht mit einem Gefühle zurück, wie
es der reiche Manu im Evangelium hatte, als er ans der Qual über den Ab-
grund hinweg ins Paradies schaute; nur daß der reiche Manu das Paradies
nie gekannt hatte, während sie wußte, wie eS darin war. Denn der Mann oder
das Weib, das reine, selbstlose, vpfermutige Liebe kennt, die in gleicher Weise
erwiedert wird, kennt das, was von allen Dingen dieser Welt Gott und dein
Himmel am nächsten liegt. Es giebt welche, die Ohren haben, zu hören, und
für diese ist dies geschrieben. Julia dachte an Augusts Liebe und wollte in
Verzweiflung versinken. Dann aber kehrte die Erinnerung an seine Treulosig-
keit, an alles, was mau sie zu glauben und zu leiden gezwungen, zurück. Damit
begann ihr grausamer Schmerz von neuem, und sie freute sich, daß sie einen ent¬
scheidenden Schritt gethan. Jede Flucht war eine Befreiung. Ich glaube, daß
es unter einem derartigen Impulse geschieht, wenn Menschen sich selbst'umbringen.
Julien war es zu Mute, als ob sie ihrer Not durch Selbstmord entflohen'sei.
HumphreyS seinerseits war noch nicht befriedigt. Ich bediente mich vorhin
eines falschen Gleichnisses. Er war uicht die Katze, welche ihre Beute in deu
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