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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die Theorie der sphärischen Rraterbeeken,

Diese beiden Sätze liegen dem gegenwärtig herrschenden monistischen Ma¬
terialismus zu Grunde, indem fast alle Naturforscher und Naturphilosophen, in
vielleicht allzukühner Hast den Spuren jener beiden großen Männer folgend,
sich zu der Lehre verstiegen haben, die Materie sei ewig, alle Veränderungen,
die mit ihr vorgingen, funden nach ewig gleichwirkcnden Naturgesetzen statt,
Geist ohne Materie sei nicht wahrzunehmen, existire also nicht, die Materie sei
selbst Geist, und in der Entwicklung der organischen Welt sei kein geistiger Plan,
sondern nur die mechanische Entwicklung der unbewußten Materie zu erkennen.

Wir wollen davon absehen, diese neue Lehre, oder vielmehr diese nrnlte
und uur in neuem Gewande auftretende Anschauung vom philosophischen Stand-
Punkte aus zu beleuchten. Dagegen wollen wir hier ans den interessanten Versuch
eiues deutschen Forschers aufmerksam machen, dessen Theorie in gewisser Weise,
doch anf neuer Basis, die Annahme jener für jetzt in Mißkredit gekommenen
großen Anhänger des Revolutionsgedankens wieder belebt und damit zu Resul¬
taten gelangt, welche den Schlüssen der beiden großen Engländer widersprechen.
Dieser Forscher ist H. Habenicht, ein Schüler August Petermcmns in Justus
Perthes' Geographischer Anstalt in Gotha.

Seit etwa fünfundzwanzig Jahre" damit beschäftigt, umfangreiche geo¬
graphische Materialien übersichtlich in kleinen Maßstäben wiederzugeben, die
wesentlichen physikalischen Grundzüge ans unzähligen Details hernusznfiuden und
anschaulich darzustellen, und durch diese Arbeit vertraut mit der Gestaltung der
Oberflüche der ganzen Erde, dürfte er wohl einen Vorsprung vor manchem jener
Gelehrten haben, welche allein auf geologische oder sonstige naturwissenschaftliche
Detailstudien gestützt, sich ein die Erklärung der Erdentwicklung wagen. Die
genaue Kenntnis der Terrain- und Hvhenkarten, der geognostischen Übersichts¬
karten, sowie der geognostischen Profile sämmtlicher Erdteile, soweit sie bis jetzt
existiren, ist gewiß notwendig, um eine richtige generelle Anschauung von der
Oberflächengestaltung der Erde zu erlangen, und ohne eine solche Anschauung,
die als fester Untergrund aller Spezialstudien in des Forschers Kopfe vorhanden
sein muß, gleichen die Geologen und sonstigen Spezialistin gegenüber der Ge¬
sammtheit der Erdgestaltung und Erdentwicklnng nnr zu sehr deu an einem
Gebäude beschäftigten Maurern, braven und eifrigen Männern, welche anf die
Frage nach dem Bauplan zwar gern bereit aber schwerlich sähig sind, Auskunft
über die Ideen des Baumeisters zu geben. Die erwühnten kartographischen
Hilfsmittel haben deu bedeutenden Geistern, welche sich vordem mit der Ent¬
wicklung der Erde beschäftigten, noch sehr gefehlt. Sie sind eine Errungenschaft
der neuesten, fleißigen Zeit. Der Mangel dieses Materials mag auch wohl
wenn Humboldt in seiner Revolutionstheorie (Vergl. Kosmos, I, 319) hinderlich
Zur Gewinnung des umfassenden Überblicks gewesen sein. Die Theorie Leopold
von Buchs, eiues der letzten Verteidiger von Katastrophentheorien, lief darauf
hinaus, nach Analogie der Vulkane und vulkanischen Gebirge Erhebungskrater


Die Theorie der sphärischen Rraterbeeken,

Diese beiden Sätze liegen dem gegenwärtig herrschenden monistischen Ma¬
terialismus zu Grunde, indem fast alle Naturforscher und Naturphilosophen, in
vielleicht allzukühner Hast den Spuren jener beiden großen Männer folgend,
sich zu der Lehre verstiegen haben, die Materie sei ewig, alle Veränderungen,
die mit ihr vorgingen, funden nach ewig gleichwirkcnden Naturgesetzen statt,
Geist ohne Materie sei nicht wahrzunehmen, existire also nicht, die Materie sei
selbst Geist, und in der Entwicklung der organischen Welt sei kein geistiger Plan,
sondern nur die mechanische Entwicklung der unbewußten Materie zu erkennen.

Wir wollen davon absehen, diese neue Lehre, oder vielmehr diese nrnlte
und uur in neuem Gewande auftretende Anschauung vom philosophischen Stand-
Punkte aus zu beleuchten. Dagegen wollen wir hier ans den interessanten Versuch
eiues deutschen Forschers aufmerksam machen, dessen Theorie in gewisser Weise,
doch anf neuer Basis, die Annahme jener für jetzt in Mißkredit gekommenen
großen Anhänger des Revolutionsgedankens wieder belebt und damit zu Resul¬
taten gelangt, welche den Schlüssen der beiden großen Engländer widersprechen.
Dieser Forscher ist H. Habenicht, ein Schüler August Petermcmns in Justus
Perthes' Geographischer Anstalt in Gotha.

Seit etwa fünfundzwanzig Jahre« damit beschäftigt, umfangreiche geo¬
graphische Materialien übersichtlich in kleinen Maßstäben wiederzugeben, die
wesentlichen physikalischen Grundzüge ans unzähligen Details hernusznfiuden und
anschaulich darzustellen, und durch diese Arbeit vertraut mit der Gestaltung der
Oberflüche der ganzen Erde, dürfte er wohl einen Vorsprung vor manchem jener
Gelehrten haben, welche allein auf geologische oder sonstige naturwissenschaftliche
Detailstudien gestützt, sich ein die Erklärung der Erdentwicklung wagen. Die
genaue Kenntnis der Terrain- und Hvhenkarten, der geognostischen Übersichts¬
karten, sowie der geognostischen Profile sämmtlicher Erdteile, soweit sie bis jetzt
existiren, ist gewiß notwendig, um eine richtige generelle Anschauung von der
Oberflächengestaltung der Erde zu erlangen, und ohne eine solche Anschauung,
die als fester Untergrund aller Spezialstudien in des Forschers Kopfe vorhanden
sein muß, gleichen die Geologen und sonstigen Spezialistin gegenüber der Ge¬
sammtheit der Erdgestaltung und Erdentwicklnng nnr zu sehr deu an einem
Gebäude beschäftigten Maurern, braven und eifrigen Männern, welche anf die
Frage nach dem Bauplan zwar gern bereit aber schwerlich sähig sind, Auskunft
über die Ideen des Baumeisters zu geben. Die erwühnten kartographischen
Hilfsmittel haben deu bedeutenden Geistern, welche sich vordem mit der Ent¬
wicklung der Erde beschäftigten, noch sehr gefehlt. Sie sind eine Errungenschaft
der neuesten, fleißigen Zeit. Der Mangel dieses Materials mag auch wohl
wenn Humboldt in seiner Revolutionstheorie (Vergl. Kosmos, I, 319) hinderlich
Zur Gewinnung des umfassenden Überblicks gewesen sein. Die Theorie Leopold
von Buchs, eiues der letzten Verteidiger von Katastrophentheorien, lief darauf
hinaus, nach Analogie der Vulkane und vulkanischen Gebirge Erhebungskrater


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[0355] Die Theorie der sphärischen Rraterbeeken, Diese beiden Sätze liegen dem gegenwärtig herrschenden monistischen Ma¬ terialismus zu Grunde, indem fast alle Naturforscher und Naturphilosophen, in vielleicht allzukühner Hast den Spuren jener beiden großen Männer folgend, sich zu der Lehre verstiegen haben, die Materie sei ewig, alle Veränderungen, die mit ihr vorgingen, funden nach ewig gleichwirkcnden Naturgesetzen statt, Geist ohne Materie sei nicht wahrzunehmen, existire also nicht, die Materie sei selbst Geist, und in der Entwicklung der organischen Welt sei kein geistiger Plan, sondern nur die mechanische Entwicklung der unbewußten Materie zu erkennen. Wir wollen davon absehen, diese neue Lehre, oder vielmehr diese nrnlte und uur in neuem Gewande auftretende Anschauung vom philosophischen Stand- Punkte aus zu beleuchten. Dagegen wollen wir hier ans den interessanten Versuch eiues deutschen Forschers aufmerksam machen, dessen Theorie in gewisser Weise, doch anf neuer Basis, die Annahme jener für jetzt in Mißkredit gekommenen großen Anhänger des Revolutionsgedankens wieder belebt und damit zu Resul¬ taten gelangt, welche den Schlüssen der beiden großen Engländer widersprechen. Dieser Forscher ist H. Habenicht, ein Schüler August Petermcmns in Justus Perthes' Geographischer Anstalt in Gotha. Seit etwa fünfundzwanzig Jahre« damit beschäftigt, umfangreiche geo¬ graphische Materialien übersichtlich in kleinen Maßstäben wiederzugeben, die wesentlichen physikalischen Grundzüge ans unzähligen Details hernusznfiuden und anschaulich darzustellen, und durch diese Arbeit vertraut mit der Gestaltung der Oberflüche der ganzen Erde, dürfte er wohl einen Vorsprung vor manchem jener Gelehrten haben, welche allein auf geologische oder sonstige naturwissenschaftliche Detailstudien gestützt, sich ein die Erklärung der Erdentwicklung wagen. Die genaue Kenntnis der Terrain- und Hvhenkarten, der geognostischen Übersichts¬ karten, sowie der geognostischen Profile sämmtlicher Erdteile, soweit sie bis jetzt existiren, ist gewiß notwendig, um eine richtige generelle Anschauung von der Oberflächengestaltung der Erde zu erlangen, und ohne eine solche Anschauung, die als fester Untergrund aller Spezialstudien in des Forschers Kopfe vorhanden sein muß, gleichen die Geologen und sonstigen Spezialistin gegenüber der Ge¬ sammtheit der Erdgestaltung und Erdentwicklnng nnr zu sehr deu an einem Gebäude beschäftigten Maurern, braven und eifrigen Männern, welche anf die Frage nach dem Bauplan zwar gern bereit aber schwerlich sähig sind, Auskunft über die Ideen des Baumeisters zu geben. Die erwühnten kartographischen Hilfsmittel haben deu bedeutenden Geistern, welche sich vordem mit der Ent¬ wicklung der Erde beschäftigten, noch sehr gefehlt. Sie sind eine Errungenschaft der neuesten, fleißigen Zeit. Der Mangel dieses Materials mag auch wohl wenn Humboldt in seiner Revolutionstheorie (Vergl. Kosmos, I, 319) hinderlich Zur Gewinnung des umfassenden Überblicks gewesen sein. Die Theorie Leopold von Buchs, eiues der letzten Verteidiger von Katastrophentheorien, lief darauf hinaus, nach Analogie der Vulkane und vulkanischen Gebirge Erhebungskrater

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/355>, abgerufen am 24.08.2024.