Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Lessing und andere mit allen ihren Talenten und dem eifrigsten Kunstfleiß Diese heftige Kritik fand in den Berliner Ephemeriden der Literatur und In letzter Beziehung ist nnn freilich der Rezensent in Nikolais Allgemeiner Interessant ist es zu sehen, wie diese Rezension drei Jahre später bei Ge¬ Lessing und andere mit allen ihren Talenten und dem eifrigsten Kunstfleiß Diese heftige Kritik fand in den Berliner Ephemeriden der Literatur und In letzter Beziehung ist nnn freilich der Rezensent in Nikolais Allgemeiner Interessant ist es zu sehen, wie diese Rezension drei Jahre später bei Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193657"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1040" prev="#ID_1039"> Lessing und andere mit allen ihren Talenten und dem eifrigsten Kunstfleiß<lb/> kaum zi> erwerben vermochten, konnte zu dieser ekelhaften Beschäftigung an¬<lb/> spornen. — Nun sei es aber genug; ich wasche meine Hände von diesem<lb/> Schiller'schen Schmutze, und werde mich wohl hüten, mich je wieder dqmit<lb/> zu befassen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1041"> Diese heftige Kritik fand in den Berliner Ephemeriden der Literatur und<lb/> des Theaters eine direkte Entgegnung: „In der hiesigen Vohischen Zeitung<lb/> vorigen Jahres stand davon sovil »Kabale und Liebe«1 eine Rezension voller<lb/> Galle, worin dem Verf. auf das übelste mitgespielt, worin er sogar beschuldigt<lb/> wurde, die besten Scenen nach der Anlage dnrch seine Ausarbeitung verpfuscht zu<lb/> haben. . . Hoher Dichtergenius flammt aus der kleinsten Scene in Schillers<lb/> Arbeiten hervor, das sieht jeder, der es sehn will, so gut wie man die üppigen<lb/> Auswüchse bemerkt, die ausgerottet zu werdeu verdienen. Der Verf. jener Re¬<lb/> zension deklamirte anfänglich blos gegen dieß Schillersche Stück, und als<lb/> man auf Beweise draug, sammelte dieser Rezensent Alles, was nur von Bombast<lb/> und Plattitüden in diesem Trauerspiel zu finden war, und schloß mit der Ver¬<lb/> sicherung: daß noch eine außerordentlich reiche Erndte von beiden übrig bliebe.<lb/> Diese Versicherung war übertrieben, denn er hatte nicht nur alles erschöpft,<lb/> sondern auch verschiedenes mit unter dem Namen: Bombast gerafft, was mit<lb/> einer leichten Veränderung ganz schicklich für einen begeisterten Liebhaber und<lb/> Liebhaberin war. , . So anhaltenden und großen Beifall wie die Räuber und<lb/> Fiesko hat freilich Kabale und Liebe nicht erhalten, anch kann es wohl darauf<lb/> keinen Anspruch machen, da es eben so am Werthe als der Zeitfolge nach das<lb/> dritte Stück vom Hrn. Schiller ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1042"> In letzter Beziehung ist nnn freilich der Rezensent in Nikolais Allgemeiner<lb/> deutscher Bibliothek gerade der entgegengesetzten Meinung; er findet, „daß das<lb/> Stück im Ganzen genommen von den beyden vorigen merkliche Vorzüge hat,<lb/> sowohl in der ganzen Anlage und Führung des Planes, als in der Charcck-<lb/> terisirnng der Personen, in der Vertheilung und Benutzung der Situationen<lb/> und in der Bearbeitung des Dialogs."</p><lb/> <p xml:id="ID_1043" next="#ID_1044"> Interessant ist es zu sehen, wie diese Rezension drei Jahre später bei Ge¬<lb/> legenheit einer Aufführung des Stückes in Mannheim von dem Kritiker des<lb/> „Tagebuchs der Mannheimer Schaubühne" geplündert wurde, der sie einfach<lb/> im wesentlichen wörtlich abschrieb, um daran seine wenigen eignen Bemerkungen<lb/> zu knüpfen. Das hatte sich wohl der Plagiator nicht träumen lassen, daß man<lb/> noch nach hundert Jahren sein ephemeres Geschreibsel mit dein Original kvnfron-<lb/> tiren würde. Zur Warnung für heutige Literaten teilen wir diesen Fall mit.<lb/> Oder ob solche Dinge heute nicht mehr vorkommen können? Wir müssen ge¬<lb/> stehen, daß unsre Achtung vor der literarischen Kritik unsrer Tage und vor der<lb/> innern Autorisation derjenigen, die wir sie gewerbsmäßig ausüben sehen, zu<lb/> gering ist, als daß wir diese Frage verneinen möchten. Noch weniger, wenn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Lessing und andere mit allen ihren Talenten und dem eifrigsten Kunstfleiß
kaum zi> erwerben vermochten, konnte zu dieser ekelhaften Beschäftigung an¬
spornen. — Nun sei es aber genug; ich wasche meine Hände von diesem
Schiller'schen Schmutze, und werde mich wohl hüten, mich je wieder dqmit
zu befassen!"
Diese heftige Kritik fand in den Berliner Ephemeriden der Literatur und
des Theaters eine direkte Entgegnung: „In der hiesigen Vohischen Zeitung
vorigen Jahres stand davon sovil »Kabale und Liebe«1 eine Rezension voller
Galle, worin dem Verf. auf das übelste mitgespielt, worin er sogar beschuldigt
wurde, die besten Scenen nach der Anlage dnrch seine Ausarbeitung verpfuscht zu
haben. . . Hoher Dichtergenius flammt aus der kleinsten Scene in Schillers
Arbeiten hervor, das sieht jeder, der es sehn will, so gut wie man die üppigen
Auswüchse bemerkt, die ausgerottet zu werdeu verdienen. Der Verf. jener Re¬
zension deklamirte anfänglich blos gegen dieß Schillersche Stück, und als
man auf Beweise draug, sammelte dieser Rezensent Alles, was nur von Bombast
und Plattitüden in diesem Trauerspiel zu finden war, und schloß mit der Ver¬
sicherung: daß noch eine außerordentlich reiche Erndte von beiden übrig bliebe.
Diese Versicherung war übertrieben, denn er hatte nicht nur alles erschöpft,
sondern auch verschiedenes mit unter dem Namen: Bombast gerafft, was mit
einer leichten Veränderung ganz schicklich für einen begeisterten Liebhaber und
Liebhaberin war. , . So anhaltenden und großen Beifall wie die Räuber und
Fiesko hat freilich Kabale und Liebe nicht erhalten, anch kann es wohl darauf
keinen Anspruch machen, da es eben so am Werthe als der Zeitfolge nach das
dritte Stück vom Hrn. Schiller ist."
In letzter Beziehung ist nnn freilich der Rezensent in Nikolais Allgemeiner
deutscher Bibliothek gerade der entgegengesetzten Meinung; er findet, „daß das
Stück im Ganzen genommen von den beyden vorigen merkliche Vorzüge hat,
sowohl in der ganzen Anlage und Führung des Planes, als in der Charcck-
terisirnng der Personen, in der Vertheilung und Benutzung der Situationen
und in der Bearbeitung des Dialogs."
Interessant ist es zu sehen, wie diese Rezension drei Jahre später bei Ge¬
legenheit einer Aufführung des Stückes in Mannheim von dem Kritiker des
„Tagebuchs der Mannheimer Schaubühne" geplündert wurde, der sie einfach
im wesentlichen wörtlich abschrieb, um daran seine wenigen eignen Bemerkungen
zu knüpfen. Das hatte sich wohl der Plagiator nicht träumen lassen, daß man
noch nach hundert Jahren sein ephemeres Geschreibsel mit dein Original kvnfron-
tiren würde. Zur Warnung für heutige Literaten teilen wir diesen Fall mit.
Oder ob solche Dinge heute nicht mehr vorkommen können? Wir müssen ge¬
stehen, daß unsre Achtung vor der literarischen Kritik unsrer Tage und vor der
innern Autorisation derjenigen, die wir sie gewerbsmäßig ausüben sehen, zu
gering ist, als daß wir diese Frage verneinen möchten. Noch weniger, wenn
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