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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Ursprung der nordischen Götter- und Heldensage.

gewonnen, kommt es zu einer neuen Schlacht, worin es ihm gelingt, sich dem
Balder zu nähern und ihn mit dem Zanberschwert zu verwunden. In der
Nacht erscheint diesem die Hel und kündigt ihm an, daß sie ihn am folgenden
Tage in ihrem Reiche umarmen werde, was auch eintrifft.

Saxo hat den Holder in die dünische Königsreihe eingeschoben und sucht
deshalb auf ihn möglichst viele treffliche Eigenschaften und Großthaten zu häufen,
während er andrerseits seinen Gegner Balder in derselben Tendenz nach Kräften
herabsetzt. Nun haben wir aber el" Mittel, auch Saxo zu kontrvliren, und das
ist die deutsche Heldensage. In diese ist nämlich der alte Mythus von Balder
und Holder vermenschlicht übergegangen als Kampf zwischen Hetel nud Hagen
um des letztern Tochter Hilde, dargestellt, wie jeder weiß, im ersten Teile der
Kudrnn. Hieraus erkennen wir, daß die Volkssagen, aus deuen Saxo schöpft, zunächst
die Kunst des Saitenspiels nicht den: Holder, zu dessen ganzem Charakter diese
Eigenschaft gar uicht paßt, fondern dem Balder zugeschrieben haben müssen, und
daß folgerichtig die Nanna sich nicht dein Holder, sondern dem Balder, dessen
Gattin sie in der isländischen Überlieferung ist, geneigt erwies: denn in der
Hildeusage ist der berühmte Sänger und Saitenspieler Horand, bei dessen Ge¬
sänge die Vögel ihres Sanges vergessen, "die Tiere in dem Walde ihre Weide
stehen lassen und die Wurme, die da wollten in dem Grase gehen, die Fische,
die da wollten in den Wogen schwimme", ihre Fahrt vergessen" und den wunder¬
baren Tönen lauschen -- Horand ist in der Kudruu ein Recke Hetels, und er ist es,
der durch die Macht seines Gesanges der Hilde (d. i. Nanna bei Saxo, die
auch durch Hothers Saitenspiel berückt wird) Herz bezaubert, daß sie in die
Entführung willigt. Darauf folgt die Verfolgung der Räuber durch Hildes
Vater Helgen, dessen Charakteristik als gewaltiger Kriegsheld zu Holder sehr gut
stimmt (das Wort döclr -- wir haben es noch in Hg,cIn->v!A, Hedwig -- be¬
deutet Kampf). Es kommt zur Schlacht, die ursprünglich anf dem Wülpen-
sande stattfand. Noch ehe diese aber begonnen hatte, "da ging Hilde, wie die
jüngere Edda erzählt, ihren Vater aufzusuchen und bot ihm in Hetels Namen
ein Hcilsbcmd zum Vergleich; wenn er das nicht wolle, so sei Hetel zur Schlacht
bereit und Hagen hätte von ihm keine Schonung zu hoffen. Hagen antwortete
seiner Tochter hart, und als sie Hetel traf, sagte sie ihm, daß Hagen keinen
Vergleich wolle, und bat ihn, sich zum Streit zu rüsten. Und also thaten sie
beide, gingen aus an das Eiland (nämlich ans den Schiffen) und ordneten ihr
Heer. Da rief Hetel seinen Schwnher Hagen an und bot ihm Vergleich und
viel Gold zur Buße. Hagen antwortete: Zu spät bietest du mir das, wenn
du dich vergleichen willst, denn nun habe ich mein Schwert Daiusleif gezogen,
das von Zwergen geschmiedet ist und eines Mannes Tod werden muß, so oft
es entblößt wird, und dessen Hieb immer trifft und Wunden schlägt, die niemals
heilen." In der nun entbrennenden Schlacht trifft Hagen anf Hetel und ver¬
wundet ihn. (Vielleicht tötete er ihn uach der ursprünglichen Sage, denn im


Der Ursprung der nordischen Götter- und Heldensage.

gewonnen, kommt es zu einer neuen Schlacht, worin es ihm gelingt, sich dem
Balder zu nähern und ihn mit dem Zanberschwert zu verwunden. In der
Nacht erscheint diesem die Hel und kündigt ihm an, daß sie ihn am folgenden
Tage in ihrem Reiche umarmen werde, was auch eintrifft.

Saxo hat den Holder in die dünische Königsreihe eingeschoben und sucht
deshalb auf ihn möglichst viele treffliche Eigenschaften und Großthaten zu häufen,
während er andrerseits seinen Gegner Balder in derselben Tendenz nach Kräften
herabsetzt. Nun haben wir aber el» Mittel, auch Saxo zu kontrvliren, und das
ist die deutsche Heldensage. In diese ist nämlich der alte Mythus von Balder
und Holder vermenschlicht übergegangen als Kampf zwischen Hetel nud Hagen
um des letztern Tochter Hilde, dargestellt, wie jeder weiß, im ersten Teile der
Kudrnn. Hieraus erkennen wir, daß die Volkssagen, aus deuen Saxo schöpft, zunächst
die Kunst des Saitenspiels nicht den: Holder, zu dessen ganzem Charakter diese
Eigenschaft gar uicht paßt, fondern dem Balder zugeschrieben haben müssen, und
daß folgerichtig die Nanna sich nicht dein Holder, sondern dem Balder, dessen
Gattin sie in der isländischen Überlieferung ist, geneigt erwies: denn in der
Hildeusage ist der berühmte Sänger und Saitenspieler Horand, bei dessen Ge¬
sänge die Vögel ihres Sanges vergessen, „die Tiere in dem Walde ihre Weide
stehen lassen und die Wurme, die da wollten in dem Grase gehen, die Fische,
die da wollten in den Wogen schwimme», ihre Fahrt vergessen" und den wunder¬
baren Tönen lauschen — Horand ist in der Kudruu ein Recke Hetels, und er ist es,
der durch die Macht seines Gesanges der Hilde (d. i. Nanna bei Saxo, die
auch durch Hothers Saitenspiel berückt wird) Herz bezaubert, daß sie in die
Entführung willigt. Darauf folgt die Verfolgung der Räuber durch Hildes
Vater Helgen, dessen Charakteristik als gewaltiger Kriegsheld zu Holder sehr gut
stimmt (das Wort döclr — wir haben es noch in Hg,cIn->v!A, Hedwig — be¬
deutet Kampf). Es kommt zur Schlacht, die ursprünglich anf dem Wülpen-
sande stattfand. Noch ehe diese aber begonnen hatte, „da ging Hilde, wie die
jüngere Edda erzählt, ihren Vater aufzusuchen und bot ihm in Hetels Namen
ein Hcilsbcmd zum Vergleich; wenn er das nicht wolle, so sei Hetel zur Schlacht
bereit und Hagen hätte von ihm keine Schonung zu hoffen. Hagen antwortete
seiner Tochter hart, und als sie Hetel traf, sagte sie ihm, daß Hagen keinen
Vergleich wolle, und bat ihn, sich zum Streit zu rüsten. Und also thaten sie
beide, gingen aus an das Eiland (nämlich ans den Schiffen) und ordneten ihr
Heer. Da rief Hetel seinen Schwnher Hagen an und bot ihm Vergleich und
viel Gold zur Buße. Hagen antwortete: Zu spät bietest du mir das, wenn
du dich vergleichen willst, denn nun habe ich mein Schwert Daiusleif gezogen,
das von Zwergen geschmiedet ist und eines Mannes Tod werden muß, so oft
es entblößt wird, und dessen Hieb immer trifft und Wunden schlägt, die niemals
heilen." In der nun entbrennenden Schlacht trifft Hagen anf Hetel und ver¬
wundet ihn. (Vielleicht tötete er ihn uach der ursprünglichen Sage, denn im


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[0307] Der Ursprung der nordischen Götter- und Heldensage. gewonnen, kommt es zu einer neuen Schlacht, worin es ihm gelingt, sich dem Balder zu nähern und ihn mit dem Zanberschwert zu verwunden. In der Nacht erscheint diesem die Hel und kündigt ihm an, daß sie ihn am folgenden Tage in ihrem Reiche umarmen werde, was auch eintrifft. Saxo hat den Holder in die dünische Königsreihe eingeschoben und sucht deshalb auf ihn möglichst viele treffliche Eigenschaften und Großthaten zu häufen, während er andrerseits seinen Gegner Balder in derselben Tendenz nach Kräften herabsetzt. Nun haben wir aber el» Mittel, auch Saxo zu kontrvliren, und das ist die deutsche Heldensage. In diese ist nämlich der alte Mythus von Balder und Holder vermenschlicht übergegangen als Kampf zwischen Hetel nud Hagen um des letztern Tochter Hilde, dargestellt, wie jeder weiß, im ersten Teile der Kudrnn. Hieraus erkennen wir, daß die Volkssagen, aus deuen Saxo schöpft, zunächst die Kunst des Saitenspiels nicht den: Holder, zu dessen ganzem Charakter diese Eigenschaft gar uicht paßt, fondern dem Balder zugeschrieben haben müssen, und daß folgerichtig die Nanna sich nicht dein Holder, sondern dem Balder, dessen Gattin sie in der isländischen Überlieferung ist, geneigt erwies: denn in der Hildeusage ist der berühmte Sänger und Saitenspieler Horand, bei dessen Ge¬ sänge die Vögel ihres Sanges vergessen, „die Tiere in dem Walde ihre Weide stehen lassen und die Wurme, die da wollten in dem Grase gehen, die Fische, die da wollten in den Wogen schwimme», ihre Fahrt vergessen" und den wunder¬ baren Tönen lauschen — Horand ist in der Kudruu ein Recke Hetels, und er ist es, der durch die Macht seines Gesanges der Hilde (d. i. Nanna bei Saxo, die auch durch Hothers Saitenspiel berückt wird) Herz bezaubert, daß sie in die Entführung willigt. Darauf folgt die Verfolgung der Räuber durch Hildes Vater Helgen, dessen Charakteristik als gewaltiger Kriegsheld zu Holder sehr gut stimmt (das Wort döclr — wir haben es noch in Hg,cIn->v!A, Hedwig — be¬ deutet Kampf). Es kommt zur Schlacht, die ursprünglich anf dem Wülpen- sande stattfand. Noch ehe diese aber begonnen hatte, „da ging Hilde, wie die jüngere Edda erzählt, ihren Vater aufzusuchen und bot ihm in Hetels Namen ein Hcilsbcmd zum Vergleich; wenn er das nicht wolle, so sei Hetel zur Schlacht bereit und Hagen hätte von ihm keine Schonung zu hoffen. Hagen antwortete seiner Tochter hart, und als sie Hetel traf, sagte sie ihm, daß Hagen keinen Vergleich wolle, und bat ihn, sich zum Streit zu rüsten. Und also thaten sie beide, gingen aus an das Eiland (nämlich ans den Schiffen) und ordneten ihr Heer. Da rief Hetel seinen Schwnher Hagen an und bot ihm Vergleich und viel Gold zur Buße. Hagen antwortete: Zu spät bietest du mir das, wenn du dich vergleichen willst, denn nun habe ich mein Schwert Daiusleif gezogen, das von Zwergen geschmiedet ist und eines Mannes Tod werden muß, so oft es entblößt wird, und dessen Hieb immer trifft und Wunden schlägt, die niemals heilen." In der nun entbrennenden Schlacht trifft Hagen anf Hetel und ver¬ wundet ihn. (Vielleicht tötete er ihn uach der ursprünglichen Sage, denn im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/307>, abgerufen am 25.08.2024.