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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Amerikanische Sekten.

seiner Gesundheit nicht nöthig ist. Niemand trinkt Wein, außer bisweilen eine
kleine Dosis Kirsch- oder Stachelbeerwein in Gestalt von Liqueur. Ich ver¬
suchte drei oder vier Arten dieses selbstgemachten Weins, und stimme mit Vater
Noyes überein, daß es für seine Leute besser ist, wenn sie sich ohne solche Ge¬
tränke behelfen."

Es sei hier bemerkt, daß "Vater Noyes" mit Dixons Schilderung nicht
zufrieden war und nach dem Erscheinen von Dixons Buch eine Kritik desselben
schrieb, aus welcher wir noch Näheres über die Lebensweise der Puritaner er¬
fahren. In dieser Kritik heißt es (S. die Anmerkungen zur sechsten Auflage
von Dixons "Neu-Amerika"): "Ich bin versucht zu glauben, daß Verdauungs-
beschwerden mit der Färbung, welche Dixons Ansichten über uns angenommen,
etwas zu thun haben. Um die Wahrheit zu sagen: unsre Lebensweise behagte
ihm nicht. Wir hatten keinen Thee, keinen Kaffee, kein Fleisch, keinen Wein.
Dies nennt ein munterer Engländer unerträgliches Fasten. Die Quäker und
Mormonen behandelten seinen Magen besser. Nach der ersten Nacht, welche er
bei uns zubrachte, hatte er arge Kopfschmerzen. Ich bemerkte, daß eine Schraube
locker war. Als ich ihn fragte, gestand er, daß er durch unsre magere Kost
abgespannt sei. Mit allem Eifer ging ich daran, dies wieder gut zu macheu;
ich schickte nach Thee, Kaffee und Rindfleisch und setzte ihm den besten Wein
vor, den wir hatten. Ich muß ihm beistimmen, es war nur schlechtes Zeug.
Aber es war zu spät, die Chemie seines Besuches war gestört" (sie). Aus
dieser Berichtigung geht u. n. hervor, daß die Puritaner es nicht wollten gelten
lassen, daß bei ihnen Fleisch und Thee genossen werde, und was die Anspielung
auf die Quäker und Mormonen betrifft, so ist auch da zu schließen, daß Fleisch
und Wein :e. nur dem Gaste zu Gefallen gereicht wurden.

Von deu Mormonen haben wir bestimmte Nachrichten, daß bei ihnen die
vegetarische Lebensweise in strengster Form durch deu Religionsstifter vorge¬
schrieben ist. Es ist bekannt, daß Joseph Smith, der Gründer dieser Sekte,
durch den gewaltigen Schwindel mit den in der Erde gefundenen goldenen Platten
seine Anhänger erwarb, und daß das wichtigste Religionsbuch der Mormonen
im Grunde ein satirischer Roman des Pfarrers Spalding ist. Aber es ist wenig
beachtet worden, daß Smith seinem historisch-dogmatischen Werte andre moralische
Werke an die Seite stellte, welche für die Praxis maßgebend wurden, und daß
unter diesen ein Buch ^ >vorä ol' ^visäcnn sich findet, welches Smith für eine
ihm am 27. Februar 1833 gewordene göttliche Offenbarung ausgab, und welches
vorschreibt, Fleisch dürfe uur im strengen Winter oder während einer Hungersnot
gegessen werden, Rauch-, Kan- und Schnupftabak, Thee, Kaffee, Chokolade, Spiri-
tuosen aller Art, wie Wein, Bier, Whisky ?e. ?e. dürften niemals genossen werden.
Diese Mitteilung findet sich in Schlagintweits Buche über die Mormonen, und
der Verfasser macht verschiedene Mitteilungen, welche beweisen, daß es mit dem
^Vorä ok' ^ol8aom so streng genommen wird, wie sich einer göttlichen Offenbarung


Amerikanische Sekten.

seiner Gesundheit nicht nöthig ist. Niemand trinkt Wein, außer bisweilen eine
kleine Dosis Kirsch- oder Stachelbeerwein in Gestalt von Liqueur. Ich ver¬
suchte drei oder vier Arten dieses selbstgemachten Weins, und stimme mit Vater
Noyes überein, daß es für seine Leute besser ist, wenn sie sich ohne solche Ge¬
tränke behelfen."

Es sei hier bemerkt, daß „Vater Noyes" mit Dixons Schilderung nicht
zufrieden war und nach dem Erscheinen von Dixons Buch eine Kritik desselben
schrieb, aus welcher wir noch Näheres über die Lebensweise der Puritaner er¬
fahren. In dieser Kritik heißt es (S. die Anmerkungen zur sechsten Auflage
von Dixons „Neu-Amerika"): „Ich bin versucht zu glauben, daß Verdauungs-
beschwerden mit der Färbung, welche Dixons Ansichten über uns angenommen,
etwas zu thun haben. Um die Wahrheit zu sagen: unsre Lebensweise behagte
ihm nicht. Wir hatten keinen Thee, keinen Kaffee, kein Fleisch, keinen Wein.
Dies nennt ein munterer Engländer unerträgliches Fasten. Die Quäker und
Mormonen behandelten seinen Magen besser. Nach der ersten Nacht, welche er
bei uns zubrachte, hatte er arge Kopfschmerzen. Ich bemerkte, daß eine Schraube
locker war. Als ich ihn fragte, gestand er, daß er durch unsre magere Kost
abgespannt sei. Mit allem Eifer ging ich daran, dies wieder gut zu macheu;
ich schickte nach Thee, Kaffee und Rindfleisch und setzte ihm den besten Wein
vor, den wir hatten. Ich muß ihm beistimmen, es war nur schlechtes Zeug.
Aber es war zu spät, die Chemie seines Besuches war gestört" (sie). Aus
dieser Berichtigung geht u. n. hervor, daß die Puritaner es nicht wollten gelten
lassen, daß bei ihnen Fleisch und Thee genossen werde, und was die Anspielung
auf die Quäker und Mormonen betrifft, so ist auch da zu schließen, daß Fleisch
und Wein :e. nur dem Gaste zu Gefallen gereicht wurden.

Von deu Mormonen haben wir bestimmte Nachrichten, daß bei ihnen die
vegetarische Lebensweise in strengster Form durch deu Religionsstifter vorge¬
schrieben ist. Es ist bekannt, daß Joseph Smith, der Gründer dieser Sekte,
durch den gewaltigen Schwindel mit den in der Erde gefundenen goldenen Platten
seine Anhänger erwarb, und daß das wichtigste Religionsbuch der Mormonen
im Grunde ein satirischer Roman des Pfarrers Spalding ist. Aber es ist wenig
beachtet worden, daß Smith seinem historisch-dogmatischen Werte andre moralische
Werke an die Seite stellte, welche für die Praxis maßgebend wurden, und daß
unter diesen ein Buch ^ >vorä ol' ^visäcnn sich findet, welches Smith für eine
ihm am 27. Februar 1833 gewordene göttliche Offenbarung ausgab, und welches
vorschreibt, Fleisch dürfe uur im strengen Winter oder während einer Hungersnot
gegessen werden, Rauch-, Kan- und Schnupftabak, Thee, Kaffee, Chokolade, Spiri-
tuosen aller Art, wie Wein, Bier, Whisky ?e. ?e. dürften niemals genossen werden.
Diese Mitteilung findet sich in Schlagintweits Buche über die Mormonen, und
der Verfasser macht verschiedene Mitteilungen, welche beweisen, daß es mit dem
^Vorä ok' ^ol8aom so streng genommen wird, wie sich einer göttlichen Offenbarung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/26>, abgerufen am 22.07.2024.