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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Aur Reform unsrer Universitäten.

Semestern durch die Assistenten vorbereitet/") bei ihrem spätern Eintritt in die
Seminarien höhern Anforderungen besser genügen tonnen. Es würde ferner
möglich sein, ein vortreffliches Material für die akademische Laufbahn zu ge¬
winnen, wenn nun den Kandidaten den Rücktritt in den praktischen Dienst ge¬
setzlich jederzeit freistellte und dasselbe Einkommen gewährte, welches sie in der
Praxis beziehen würden, denn die Habilitation als Privatdozent ist gegenwärtig
nur solchen möglich, welche entweder genügendes Vermögen besitzen -- von den
Kollegiengeldern kann kein Privatdozent leben -- oder Mut genng haben, die
von vielen Zufällen abhängigen, sehr unsichern Chancen der akademischen Lauf¬
bahn auf sich zu nehmen. Es sind nicht die nnbefähigtsten oder sonst am
wenigsten qnalifizirten, welche gegenwärtig sich von der akademischen Laufbahn
fernhalten; wir kennen manchen von hervorragender Befähigung, der mit Freuden
der Lehrthätigkeit sich zuwenden würde, wenn ihm nicht das äußere Bedenken
im Wege stünde, nach langen Jahren anhaltenden Studiums vor einer durch
materielle Sorgen gefährdeten Existenz zu stehen.

Wir wüßten kein Analogon, welches die Vorteile der von uns vorge¬
schlagenen Reform deutlicher vor Augen führte, als das, welches unser Generalstab
in seinem Verhältnis zur Armee bietet. Das breite Fundament des gestimmten
Offizierkorps, aus dein er sich rekrutirt, die Vorteile, welche durch deu Rücktritt
wissenschaftlich geschulter Kräfte in den Frontdienst der Armee erwachsen, die
Blüte, zu welcher bei diesem System der praktische Dienst ebenso wie die rein
theoretischen Wissenschaften sich entwickelt haben, das sind Momente, welche un¬
gefähr andeuten können, wie wohlthätig eine ähnliche Organisation, natürlich
inuwti8 inueni-mal", auch für die Universitäten wirken würde.

Unsere Reformen würden wie zu einer Abänderung des Anstellungsmvdns
der Gymnasiallehrer, so zu einer Umgestaltung des gegenwärtigen, sehr besse-
ruugsbedürftigen Instituts der Privatdozenten führen. Da von den in oben
beschriebener Weise fungirenden Assistenten eine über ihre amtlichen Berpflich-
tnngen hinausgehende wissenschaftliche Thätigkeit nicht nnr erwartet, sondern
geradezu gefordert werdeu dürfte, so müßte es ihnen anch unbenommen bleiben,
als Privatdozenten aufzutreten und selbständige Vorlesungen zu halten. Ans
diese Weise würden die beiden Vorzüge gewahrt werden, welche man mit dem
Privatdozententum unsrer Universitäten immer Verbünde!? hat, daß sie nämlich eine
tüchtige Pflanzschule sind, ans der die akademischen Lehrer hervorgehen, und bei
der graßen Ausdehnung, welche die Wissenschaften gewonnen haben, anch einzelne
Spezialfächer vertreten, für welche man nicht immer neue Professuren gründen kann.

Will man diese Form der akademischen Laufbahn nicht die einzige sein
lassen, so wollen wir denen keineswegs entgegentreten, welche die Habilitation



Eine solche Einrichtung hat sich z. B. in istrasibnni für das Studium der romanischen
Philologie bereits trefflich bewahrt.
Aur Reform unsrer Universitäten.

Semestern durch die Assistenten vorbereitet/") bei ihrem spätern Eintritt in die
Seminarien höhern Anforderungen besser genügen tonnen. Es würde ferner
möglich sein, ein vortreffliches Material für die akademische Laufbahn zu ge¬
winnen, wenn nun den Kandidaten den Rücktritt in den praktischen Dienst ge¬
setzlich jederzeit freistellte und dasselbe Einkommen gewährte, welches sie in der
Praxis beziehen würden, denn die Habilitation als Privatdozent ist gegenwärtig
nur solchen möglich, welche entweder genügendes Vermögen besitzen — von den
Kollegiengeldern kann kein Privatdozent leben — oder Mut genng haben, die
von vielen Zufällen abhängigen, sehr unsichern Chancen der akademischen Lauf¬
bahn auf sich zu nehmen. Es sind nicht die nnbefähigtsten oder sonst am
wenigsten qnalifizirten, welche gegenwärtig sich von der akademischen Laufbahn
fernhalten; wir kennen manchen von hervorragender Befähigung, der mit Freuden
der Lehrthätigkeit sich zuwenden würde, wenn ihm nicht das äußere Bedenken
im Wege stünde, nach langen Jahren anhaltenden Studiums vor einer durch
materielle Sorgen gefährdeten Existenz zu stehen.

Wir wüßten kein Analogon, welches die Vorteile der von uns vorge¬
schlagenen Reform deutlicher vor Augen führte, als das, welches unser Generalstab
in seinem Verhältnis zur Armee bietet. Das breite Fundament des gestimmten
Offizierkorps, aus dein er sich rekrutirt, die Vorteile, welche durch deu Rücktritt
wissenschaftlich geschulter Kräfte in den Frontdienst der Armee erwachsen, die
Blüte, zu welcher bei diesem System der praktische Dienst ebenso wie die rein
theoretischen Wissenschaften sich entwickelt haben, das sind Momente, welche un¬
gefähr andeuten können, wie wohlthätig eine ähnliche Organisation, natürlich
inuwti8 inueni-mal«, auch für die Universitäten wirken würde.

Unsere Reformen würden wie zu einer Abänderung des Anstellungsmvdns
der Gymnasiallehrer, so zu einer Umgestaltung des gegenwärtigen, sehr besse-
ruugsbedürftigen Instituts der Privatdozenten führen. Da von den in oben
beschriebener Weise fungirenden Assistenten eine über ihre amtlichen Berpflich-
tnngen hinausgehende wissenschaftliche Thätigkeit nicht nnr erwartet, sondern
geradezu gefordert werdeu dürfte, so müßte es ihnen anch unbenommen bleiben,
als Privatdozenten aufzutreten und selbständige Vorlesungen zu halten. Ans
diese Weise würden die beiden Vorzüge gewahrt werden, welche man mit dem
Privatdozententum unsrer Universitäten immer Verbünde!? hat, daß sie nämlich eine
tüchtige Pflanzschule sind, ans der die akademischen Lehrer hervorgehen, und bei
der graßen Ausdehnung, welche die Wissenschaften gewonnen haben, anch einzelne
Spezialfächer vertreten, für welche man nicht immer neue Professuren gründen kann.

Will man diese Form der akademischen Laufbahn nicht die einzige sein
lassen, so wollen wir denen keineswegs entgegentreten, welche die Habilitation



Eine solche Einrichtung hat sich z. B. in istrasibnni für das Studium der romanischen
Philologie bereits trefflich bewahrt.
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[0175] Aur Reform unsrer Universitäten. Semestern durch die Assistenten vorbereitet/") bei ihrem spätern Eintritt in die Seminarien höhern Anforderungen besser genügen tonnen. Es würde ferner möglich sein, ein vortreffliches Material für die akademische Laufbahn zu ge¬ winnen, wenn nun den Kandidaten den Rücktritt in den praktischen Dienst ge¬ setzlich jederzeit freistellte und dasselbe Einkommen gewährte, welches sie in der Praxis beziehen würden, denn die Habilitation als Privatdozent ist gegenwärtig nur solchen möglich, welche entweder genügendes Vermögen besitzen — von den Kollegiengeldern kann kein Privatdozent leben — oder Mut genng haben, die von vielen Zufällen abhängigen, sehr unsichern Chancen der akademischen Lauf¬ bahn auf sich zu nehmen. Es sind nicht die nnbefähigtsten oder sonst am wenigsten qnalifizirten, welche gegenwärtig sich von der akademischen Laufbahn fernhalten; wir kennen manchen von hervorragender Befähigung, der mit Freuden der Lehrthätigkeit sich zuwenden würde, wenn ihm nicht das äußere Bedenken im Wege stünde, nach langen Jahren anhaltenden Studiums vor einer durch materielle Sorgen gefährdeten Existenz zu stehen. Wir wüßten kein Analogon, welches die Vorteile der von uns vorge¬ schlagenen Reform deutlicher vor Augen führte, als das, welches unser Generalstab in seinem Verhältnis zur Armee bietet. Das breite Fundament des gestimmten Offizierkorps, aus dein er sich rekrutirt, die Vorteile, welche durch deu Rücktritt wissenschaftlich geschulter Kräfte in den Frontdienst der Armee erwachsen, die Blüte, zu welcher bei diesem System der praktische Dienst ebenso wie die rein theoretischen Wissenschaften sich entwickelt haben, das sind Momente, welche un¬ gefähr andeuten können, wie wohlthätig eine ähnliche Organisation, natürlich inuwti8 inueni-mal«, auch für die Universitäten wirken würde. Unsere Reformen würden wie zu einer Abänderung des Anstellungsmvdns der Gymnasiallehrer, so zu einer Umgestaltung des gegenwärtigen, sehr besse- ruugsbedürftigen Instituts der Privatdozenten führen. Da von den in oben beschriebener Weise fungirenden Assistenten eine über ihre amtlichen Berpflich- tnngen hinausgehende wissenschaftliche Thätigkeit nicht nnr erwartet, sondern geradezu gefordert werdeu dürfte, so müßte es ihnen anch unbenommen bleiben, als Privatdozenten aufzutreten und selbständige Vorlesungen zu halten. Ans diese Weise würden die beiden Vorzüge gewahrt werden, welche man mit dem Privatdozententum unsrer Universitäten immer Verbünde!? hat, daß sie nämlich eine tüchtige Pflanzschule sind, ans der die akademischen Lehrer hervorgehen, und bei der graßen Ausdehnung, welche die Wissenschaften gewonnen haben, anch einzelne Spezialfächer vertreten, für welche man nicht immer neue Professuren gründen kann. Will man diese Form der akademischen Laufbahn nicht die einzige sein lassen, so wollen wir denen keineswegs entgegentreten, welche die Habilitation Eine solche Einrichtung hat sich z. B. in istrasibnni für das Studium der romanischen Philologie bereits trefflich bewahrt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/175>, abgerufen am 22.07.2024.