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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Zur Reform unsrer Universitäten.

zu erkennen geben und ihre Befähigung zu derselben durch wissenschaftliche Ar¬
beiten und durch ein Doktorexamen, das in später noch zu besprechender Weise
zu reformiren wäre, erwiesen haben, und beurlaube dieselben auf ein bis zwei
Jahre zu freier wissenschaftlicher Forschung. Während dieser Zeit muß ihnen
ein allmählich steigendes Einkommen von derselben Höhe zugesichert werden, wie
es ihre im praktischen Staats- oder Kommnnaldienst stehenden gleichalterigen
Kollegen beziehen, und außerdem die Berechtigung, je nachdem ihre Studien es
erfordern, ihren Urlaub an irgend einem Orte des In- oder Auslandes zu ver¬
bringen. Wenn sie während dieser Zeit dnrch ihre literarische Thätigkeit, deren
Begutachtung man einer Kommission, gebildet ans allen oder mehreren Ordi¬
narien desselben Faches (was unsrer Ansicht nach den Vorzug vor dem jetzt
gebräuchlichen Verfahren verdient), anheimgeben könnte, sich des in sie gesetzten
Vertrauens würdig erwiesen haben, so kann man den Urlaub der Tüchtigsten
verlängern und sie zu Assistenten berufen, deren Aufgabe es dann sein würde,
im Einvernehmen mit dem Professor, welchem sie attachirt sind, die an die Vor¬
lesungen desselben sich anschließenden Übungen der jüngern Studenten zu leite".
Bethätigen sie auch hier ihre Befähigung zum alndemischeu Lehramt und zu
selbständiger wissenschaftlicher Arbeit, zu welcher ihnen selbstverständlich ein ge¬
nügendes Maß freier Zeit gelassen werden müßte, so wird es sich empfehlen,
die Assistenten nach einer bestimmten Reihe von Jahren zu außeretatmäßigen
Professoren zu ernennen, bis sich für sie Gelegenheit bietet, in eine etatmäßige
Professur auszurücken, durch die sie dann von ihren Nssistentenpflichten befreit
werden würden.

Bewähren die in dieser Weise Auserwählten sich ans der einen oder andern
Stufe uicht, so würde die Nichterneuernng ihres Urlaubs genügen, um sie zum
praktischen Dienste zurückzuführen. Wir können es in keiner Weife für ein Übel
halten, wenn hierdurch Männer, welche eine Zeit lang mit theoretischen Studien
sich beschäftigt haben, zum Predigt-, Lehr- oder Richteramte zurückkehren müssen.
Selbst zugegeben, daß sie zwei bis vier Jahre lang dem praktischem Berufe
einigermaßen sich entfremdet haben, so bedarf es unsers Erachtens doch mir
einer mäßigen Begabung, um in die praktische Seelsorge, in das Lehramt oder
in die richterliche Thätigkeit sich in kurzer Zeit wieder einzuarbeiten, andrerseits
aber dürfen wir den Vorteil jedenfalls nicht gering anschlagen, welcher daraus
den höhern Schicken, den Gerichten, der Kirche :e. erwächst, wenn ihnen Männer
von tieferer wissenschaftlicher Bildung und weiterem Gesichtskreis zugeführt
werden.

Wir brauchen kaum zu bemerken, daß das höchste Gut unsrer Universi¬
täten, die Freiheit wissenschaftlicher Forschung, durch unsre Reformvorschläge
in keiner Weise beeinträchtigt werden würde. Was aber durch diese Vorschläge
auf der andern Seite erreicht werden würde, ist vor allem die ungleich bessere
und vielseitigere Ausbildung der Studenten. Diese werden, in ihren ersten


Zur Reform unsrer Universitäten.

zu erkennen geben und ihre Befähigung zu derselben durch wissenschaftliche Ar¬
beiten und durch ein Doktorexamen, das in später noch zu besprechender Weise
zu reformiren wäre, erwiesen haben, und beurlaube dieselben auf ein bis zwei
Jahre zu freier wissenschaftlicher Forschung. Während dieser Zeit muß ihnen
ein allmählich steigendes Einkommen von derselben Höhe zugesichert werden, wie
es ihre im praktischen Staats- oder Kommnnaldienst stehenden gleichalterigen
Kollegen beziehen, und außerdem die Berechtigung, je nachdem ihre Studien es
erfordern, ihren Urlaub an irgend einem Orte des In- oder Auslandes zu ver¬
bringen. Wenn sie während dieser Zeit dnrch ihre literarische Thätigkeit, deren
Begutachtung man einer Kommission, gebildet ans allen oder mehreren Ordi¬
narien desselben Faches (was unsrer Ansicht nach den Vorzug vor dem jetzt
gebräuchlichen Verfahren verdient), anheimgeben könnte, sich des in sie gesetzten
Vertrauens würdig erwiesen haben, so kann man den Urlaub der Tüchtigsten
verlängern und sie zu Assistenten berufen, deren Aufgabe es dann sein würde,
im Einvernehmen mit dem Professor, welchem sie attachirt sind, die an die Vor¬
lesungen desselben sich anschließenden Übungen der jüngern Studenten zu leite».
Bethätigen sie auch hier ihre Befähigung zum alndemischeu Lehramt und zu
selbständiger wissenschaftlicher Arbeit, zu welcher ihnen selbstverständlich ein ge¬
nügendes Maß freier Zeit gelassen werden müßte, so wird es sich empfehlen,
die Assistenten nach einer bestimmten Reihe von Jahren zu außeretatmäßigen
Professoren zu ernennen, bis sich für sie Gelegenheit bietet, in eine etatmäßige
Professur auszurücken, durch die sie dann von ihren Nssistentenpflichten befreit
werden würden.

Bewähren die in dieser Weise Auserwählten sich ans der einen oder andern
Stufe uicht, so würde die Nichterneuernng ihres Urlaubs genügen, um sie zum
praktischen Dienste zurückzuführen. Wir können es in keiner Weife für ein Übel
halten, wenn hierdurch Männer, welche eine Zeit lang mit theoretischen Studien
sich beschäftigt haben, zum Predigt-, Lehr- oder Richteramte zurückkehren müssen.
Selbst zugegeben, daß sie zwei bis vier Jahre lang dem praktischem Berufe
einigermaßen sich entfremdet haben, so bedarf es unsers Erachtens doch mir
einer mäßigen Begabung, um in die praktische Seelsorge, in das Lehramt oder
in die richterliche Thätigkeit sich in kurzer Zeit wieder einzuarbeiten, andrerseits
aber dürfen wir den Vorteil jedenfalls nicht gering anschlagen, welcher daraus
den höhern Schicken, den Gerichten, der Kirche :e. erwächst, wenn ihnen Männer
von tieferer wissenschaftlicher Bildung und weiterem Gesichtskreis zugeführt
werden.

Wir brauchen kaum zu bemerken, daß das höchste Gut unsrer Universi¬
täten, die Freiheit wissenschaftlicher Forschung, durch unsre Reformvorschläge
in keiner Weise beeinträchtigt werden würde. Was aber durch diese Vorschläge
auf der andern Seite erreicht werden würde, ist vor allem die ungleich bessere
und vielseitigere Ausbildung der Studenten. Diese werden, in ihren ersten


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[0174] Zur Reform unsrer Universitäten. zu erkennen geben und ihre Befähigung zu derselben durch wissenschaftliche Ar¬ beiten und durch ein Doktorexamen, das in später noch zu besprechender Weise zu reformiren wäre, erwiesen haben, und beurlaube dieselben auf ein bis zwei Jahre zu freier wissenschaftlicher Forschung. Während dieser Zeit muß ihnen ein allmählich steigendes Einkommen von derselben Höhe zugesichert werden, wie es ihre im praktischen Staats- oder Kommnnaldienst stehenden gleichalterigen Kollegen beziehen, und außerdem die Berechtigung, je nachdem ihre Studien es erfordern, ihren Urlaub an irgend einem Orte des In- oder Auslandes zu ver¬ bringen. Wenn sie während dieser Zeit dnrch ihre literarische Thätigkeit, deren Begutachtung man einer Kommission, gebildet ans allen oder mehreren Ordi¬ narien desselben Faches (was unsrer Ansicht nach den Vorzug vor dem jetzt gebräuchlichen Verfahren verdient), anheimgeben könnte, sich des in sie gesetzten Vertrauens würdig erwiesen haben, so kann man den Urlaub der Tüchtigsten verlängern und sie zu Assistenten berufen, deren Aufgabe es dann sein würde, im Einvernehmen mit dem Professor, welchem sie attachirt sind, die an die Vor¬ lesungen desselben sich anschließenden Übungen der jüngern Studenten zu leite». Bethätigen sie auch hier ihre Befähigung zum alndemischeu Lehramt und zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit, zu welcher ihnen selbstverständlich ein ge¬ nügendes Maß freier Zeit gelassen werden müßte, so wird es sich empfehlen, die Assistenten nach einer bestimmten Reihe von Jahren zu außeretatmäßigen Professoren zu ernennen, bis sich für sie Gelegenheit bietet, in eine etatmäßige Professur auszurücken, durch die sie dann von ihren Nssistentenpflichten befreit werden würden. Bewähren die in dieser Weise Auserwählten sich ans der einen oder andern Stufe uicht, so würde die Nichterneuernng ihres Urlaubs genügen, um sie zum praktischen Dienste zurückzuführen. Wir können es in keiner Weife für ein Übel halten, wenn hierdurch Männer, welche eine Zeit lang mit theoretischen Studien sich beschäftigt haben, zum Predigt-, Lehr- oder Richteramte zurückkehren müssen. Selbst zugegeben, daß sie zwei bis vier Jahre lang dem praktischem Berufe einigermaßen sich entfremdet haben, so bedarf es unsers Erachtens doch mir einer mäßigen Begabung, um in die praktische Seelsorge, in das Lehramt oder in die richterliche Thätigkeit sich in kurzer Zeit wieder einzuarbeiten, andrerseits aber dürfen wir den Vorteil jedenfalls nicht gering anschlagen, welcher daraus den höhern Schicken, den Gerichten, der Kirche :e. erwächst, wenn ihnen Männer von tieferer wissenschaftlicher Bildung und weiterem Gesichtskreis zugeführt werden. Wir brauchen kaum zu bemerken, daß das höchste Gut unsrer Universi¬ täten, die Freiheit wissenschaftlicher Forschung, durch unsre Reformvorschläge in keiner Weise beeinträchtigt werden würde. Was aber durch diese Vorschläge auf der andern Seite erreicht werden würde, ist vor allem die ungleich bessere und vielseitigere Ausbildung der Studenten. Diese werden, in ihren ersten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/174>, abgerufen am 22.07.2024.