Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Zur Reform unsrer Universitäten. VN dem Drängen nach Neugestaltung aller bestehenden Verhält¬ An diesem Vermächtnis sollten wir rütteln? Vielleicht war es gut, daß Heute, da der Strom in ruhigere Bahnen lenkt, darf es zeitgemäß erscheinen, Zunächst müssen wir konstatiren, daß eine maßvolle Reform sich nur auf Zur Reform unsrer Universitäten. VN dem Drängen nach Neugestaltung aller bestehenden Verhält¬ An diesem Vermächtnis sollten wir rütteln? Vielleicht war es gut, daß Heute, da der Strom in ruhigere Bahnen lenkt, darf es zeitgemäß erscheinen, Zunächst müssen wir konstatiren, daß eine maßvolle Reform sich nur auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193511"/> </div> <div n="1"> <head> Zur Reform unsrer Universitäten.</head><lb/> <p xml:id="ID_542"> VN dem Drängen nach Neugestaltung aller bestehenden Verhält¬<lb/> nisse, welches die siebziger Jahre kennzeichnete, sind die deutsche»<lb/> Universitäten unberührt geblieben, Wohl vornehmlich darum,<lb/> weil man in ihnen den in stürmischen Zeiten erprobten Hort gei¬<lb/> stiger Freiheit und freier Wissenschaft erblickte, von welchem dnrch<lb/> Jahrhunderte das Licht echter Forschung ausströmte und den Glanz des deut¬<lb/> schen Namens wenigstens auf einem Gebiete ungetrübt erhielt, zu einer Zeit,<lb/> wo die politische Macht der deutschen Lande tief im Staube lag, Unsre Uni¬<lb/> versitäten waren lange das einzige Band, welches die durch Svuderinteressen<lb/> vielfach zerklüftete Nation zusammenhielt; sie haben die Sehnsucht mich eiuer<lb/> Auferstehung von Kaiser und Reich laufenden von jugendlich empfänglichen Ge¬<lb/> mütern eingepflanzt und als ein bedeutungsvolles Erbe für die Zukunft mit¬<lb/> gegeben; die Deutschen aller Zeiten und aller Parteien sind darum mit Recht<lb/> auf ihre Hochschulen stolz gewesen, welche in wissenschaftlichem Geiste und aka¬<lb/> demischer Freiheit die englischem Universitäten wie die französischen Fachschulen<lb/> in gleichem Maße überragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_543"> An diesem Vermächtnis sollten wir rütteln? Vielleicht war es gut, daß<lb/> man zu einer Zeit, in welcher der Drang, für den neuen Zeitgeist neue Formen<lb/> zu schaffen, nicht nur vielfach überlebte Schränken einer freiheitlichen Entwick¬<lb/> lung, sondern auch historisch berechtigtes und trefflich bewährtes hinwegriß,<lb/> vielleicht war es gut, daß man bei so ungestümem Drängen den Gedanken an<lb/> eine Umgestaltung unsrer Universitäten nicht gefaßt hat. Es wäre der Richtung<lb/> jener Tage konform gewesen, sich nicht auf das zu beschränken, was als wirk¬<lb/> lich reformbedürftig gelten mußte; der entfesselte Strom der neuen Zeit hätte<lb/> mit sich fortgerissen, was in andern Tagen als gut und heilsam erkannt worden<lb/> wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_544"> Heute, da der Strom in ruhigere Bahnen lenkt, darf es zeitgemäß erscheinen,<lb/> daß wir den Blick ans unsre Hochschulen wenden, indem nur erwägen, ob auch<lb/> sie ganz das sind, was sie sein sollen, und ob nicht eine Abstellung der Übel¬<lb/> stände, welche unleugbar an thuen haften, sie noch reichere Blüten treiben lassen<lb/> würde als die, welche wir von ihnen jetzt entwickelt sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Zunächst müssen wir konstatiren, daß eine maßvolle Reform sich nur auf<lb/> Nebendinge wird erstrecken können, deren Neugestaltung das, was unsre Hoch¬<lb/> schulen groß gemacht hat, unangetastet lassen würde, die aber trotzdem wichtig<lb/> genug sind. Wir meinen also nicht, daß die große Ausdehnung der akademischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Zur Reform unsrer Universitäten.
VN dem Drängen nach Neugestaltung aller bestehenden Verhält¬
nisse, welches die siebziger Jahre kennzeichnete, sind die deutsche»
Universitäten unberührt geblieben, Wohl vornehmlich darum,
weil man in ihnen den in stürmischen Zeiten erprobten Hort gei¬
stiger Freiheit und freier Wissenschaft erblickte, von welchem dnrch
Jahrhunderte das Licht echter Forschung ausströmte und den Glanz des deut¬
schen Namens wenigstens auf einem Gebiete ungetrübt erhielt, zu einer Zeit,
wo die politische Macht der deutschen Lande tief im Staube lag, Unsre Uni¬
versitäten waren lange das einzige Band, welches die durch Svuderinteressen
vielfach zerklüftete Nation zusammenhielt; sie haben die Sehnsucht mich eiuer
Auferstehung von Kaiser und Reich laufenden von jugendlich empfänglichen Ge¬
mütern eingepflanzt und als ein bedeutungsvolles Erbe für die Zukunft mit¬
gegeben; die Deutschen aller Zeiten und aller Parteien sind darum mit Recht
auf ihre Hochschulen stolz gewesen, welche in wissenschaftlichem Geiste und aka¬
demischer Freiheit die englischem Universitäten wie die französischen Fachschulen
in gleichem Maße überragen.
An diesem Vermächtnis sollten wir rütteln? Vielleicht war es gut, daß
man zu einer Zeit, in welcher der Drang, für den neuen Zeitgeist neue Formen
zu schaffen, nicht nur vielfach überlebte Schränken einer freiheitlichen Entwick¬
lung, sondern auch historisch berechtigtes und trefflich bewährtes hinwegriß,
vielleicht war es gut, daß man bei so ungestümem Drängen den Gedanken an
eine Umgestaltung unsrer Universitäten nicht gefaßt hat. Es wäre der Richtung
jener Tage konform gewesen, sich nicht auf das zu beschränken, was als wirk¬
lich reformbedürftig gelten mußte; der entfesselte Strom der neuen Zeit hätte
mit sich fortgerissen, was in andern Tagen als gut und heilsam erkannt worden
wäre.
Heute, da der Strom in ruhigere Bahnen lenkt, darf es zeitgemäß erscheinen,
daß wir den Blick ans unsre Hochschulen wenden, indem nur erwägen, ob auch
sie ganz das sind, was sie sein sollen, und ob nicht eine Abstellung der Übel¬
stände, welche unleugbar an thuen haften, sie noch reichere Blüten treiben lassen
würde als die, welche wir von ihnen jetzt entwickelt sehen.
Zunächst müssen wir konstatiren, daß eine maßvolle Reform sich nur auf
Nebendinge wird erstrecken können, deren Neugestaltung das, was unsre Hoch¬
schulen groß gemacht hat, unangetastet lassen würde, die aber trotzdem wichtig
genug sind. Wir meinen also nicht, daß die große Ausdehnung der akademischen
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