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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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(Ldmuild Höfer.

zwanziger und dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Die Mehrzahl der größeren
Hoferschen Romane spielt in der gedachten Zeit und greift von ihr aus mit
alten Familienüberlieferungen und Erinnerungen wohl auch noch etwas weiter
zurück. So im "Altermann Ryke," einer Geschichte aus dem Jahre 1806, in
"Unter der Fremdherrschaft," einer Geschichte aus dem Jahre 1813, so in dem
Romane "Der große Baron" und in manchen andern. Es erweckt diese Be¬
sonderheit den Eindruck, als ob alle Geschichten Hofers teils auf Miterlebnis,
teils anf lebendiger Mitteilung beruhten; ungefähr so weit wie seine Zeit-
darstellnngen Pflegt in größeren alten Familien die Anschauung von den Alt¬
vordern, ihrem Wesen und ihren Geschicken zurückzureichen. Nicht als ob damit
irgendwelche Zweifel in Hofers Erfindungskraft gesetzt werden sollten! Wir
meinen nur, es ist der Ton, der in solchen alten Überlieferungen erklingt
und den Höfer lebendig und ergreifend trifft. Ja selbst die Eigentümlichkeit der
mündlichen Erzählung, sich einmal breit und behaglich ausmalend zu ergehen
und ein uüchstesmal im vollen drängenden Strom, mit rascher Aneinander¬
reihung der gewichtigsten Thatsachen zu berichten, dazu hunderterlei jener Aus-
rufe und Wendungen, die nur dem mündlichen Vortrag angehören, finden sich
bei unsern Novellisten vor.

Ein so echter Dichter Hofer in seineu guten Leistungen auch ist, er bleibt
doch eben immer und vor allen Dingen Erzähler, in einem ungewöhnlichen Maße
steht ihm die Kunst des spannenden, fesselnden Vortrags zu Gebote, und sie ist
ihm selbst da tren geblieben, wo er innerlich an seinen Erfindungen wenig mehr
beteiligt war. Doch bleibt es bemerkenswert, daß, während Höfer seine früheren
Geschichten ans einer inneren Fülle heraus erzählt, so daß er oft Not hat, die
drängenden Situationen, die zahlreichen Gestalten kunstgemäß zu bewältigen, er
späterhin sich bei breiten Expositionen aufhält und sich gleichsam erst in das
Vorzutragende hineinerzählt. Hierin liegt wieder eine Aufforderung mehr, sich
vor allem an die früheren Schriften Hofers zu halten, um eine rechte Würdigung
seines Talents zu haben.

Zwei der unbekanntesten unter seinen Büchern zählen zu den wertvollsten
und weisen manche Wurzeln seiner Kraft auf. Das sind seine "Gedichte" (Z853)
und das Skizzenbuch aus Norddeutschland "Schwnnwiek." Die Gedichte unter¬
scheiden sich von der landläufigen Lyrik in höchst prägnanter Weise. So weit
sie lyrisch sind, enthalten sie Naturlaute einer heißen und dabei doch spröden
Natur, Töne aus dem Innersten der Seele, die nicht leicht, aber stark und er¬
greifend hervorquellen. Durch manche der Hoferschen Dichtungen klingen jene
geheimnisvollen Stimmen, welche dann auch in einzelnen Geschichten wiederkehren
und aus dem träumerischen Verkehr mit Wald und Meer stammen. So weit sie
erzählend siud, stellen sie sich als plastische, charakteristische Episoden ans dein
See- und Schifferleben, ans allerhand wunderlichem Meuschentrciben dar, das der
Dichter aufmerksam belauscht hat und für das er die eigentümliche Form sucht.


(Ldmuild Höfer.

zwanziger und dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Die Mehrzahl der größeren
Hoferschen Romane spielt in der gedachten Zeit und greift von ihr aus mit
alten Familienüberlieferungen und Erinnerungen wohl auch noch etwas weiter
zurück. So im „Altermann Ryke," einer Geschichte aus dem Jahre 1806, in
„Unter der Fremdherrschaft," einer Geschichte aus dem Jahre 1813, so in dem
Romane „Der große Baron" und in manchen andern. Es erweckt diese Be¬
sonderheit den Eindruck, als ob alle Geschichten Hofers teils auf Miterlebnis,
teils anf lebendiger Mitteilung beruhten; ungefähr so weit wie seine Zeit-
darstellnngen Pflegt in größeren alten Familien die Anschauung von den Alt¬
vordern, ihrem Wesen und ihren Geschicken zurückzureichen. Nicht als ob damit
irgendwelche Zweifel in Hofers Erfindungskraft gesetzt werden sollten! Wir
meinen nur, es ist der Ton, der in solchen alten Überlieferungen erklingt
und den Höfer lebendig und ergreifend trifft. Ja selbst die Eigentümlichkeit der
mündlichen Erzählung, sich einmal breit und behaglich ausmalend zu ergehen
und ein uüchstesmal im vollen drängenden Strom, mit rascher Aneinander¬
reihung der gewichtigsten Thatsachen zu berichten, dazu hunderterlei jener Aus-
rufe und Wendungen, die nur dem mündlichen Vortrag angehören, finden sich
bei unsern Novellisten vor.

Ein so echter Dichter Hofer in seineu guten Leistungen auch ist, er bleibt
doch eben immer und vor allen Dingen Erzähler, in einem ungewöhnlichen Maße
steht ihm die Kunst des spannenden, fesselnden Vortrags zu Gebote, und sie ist
ihm selbst da tren geblieben, wo er innerlich an seinen Erfindungen wenig mehr
beteiligt war. Doch bleibt es bemerkenswert, daß, während Höfer seine früheren
Geschichten ans einer inneren Fülle heraus erzählt, so daß er oft Not hat, die
drängenden Situationen, die zahlreichen Gestalten kunstgemäß zu bewältigen, er
späterhin sich bei breiten Expositionen aufhält und sich gleichsam erst in das
Vorzutragende hineinerzählt. Hierin liegt wieder eine Aufforderung mehr, sich
vor allem an die früheren Schriften Hofers zu halten, um eine rechte Würdigung
seines Talents zu haben.

Zwei der unbekanntesten unter seinen Büchern zählen zu den wertvollsten
und weisen manche Wurzeln seiner Kraft auf. Das sind seine „Gedichte" (Z853)
und das Skizzenbuch aus Norddeutschland „Schwnnwiek." Die Gedichte unter¬
scheiden sich von der landläufigen Lyrik in höchst prägnanter Weise. So weit
sie lyrisch sind, enthalten sie Naturlaute einer heißen und dabei doch spröden
Natur, Töne aus dem Innersten der Seele, die nicht leicht, aber stark und er¬
greifend hervorquellen. Durch manche der Hoferschen Dichtungen klingen jene
geheimnisvollen Stimmen, welche dann auch in einzelnen Geschichten wiederkehren
und aus dem träumerischen Verkehr mit Wald und Meer stammen. So weit sie
erzählend siud, stellen sie sich als plastische, charakteristische Episoden ans dein
See- und Schifferleben, ans allerhand wunderlichem Meuschentrciben dar, das der
Dichter aufmerksam belauscht hat und für das er die eigentümliche Form sucht.


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[0134] (Ldmuild Höfer. zwanziger und dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Die Mehrzahl der größeren Hoferschen Romane spielt in der gedachten Zeit und greift von ihr aus mit alten Familienüberlieferungen und Erinnerungen wohl auch noch etwas weiter zurück. So im „Altermann Ryke," einer Geschichte aus dem Jahre 1806, in „Unter der Fremdherrschaft," einer Geschichte aus dem Jahre 1813, so in dem Romane „Der große Baron" und in manchen andern. Es erweckt diese Be¬ sonderheit den Eindruck, als ob alle Geschichten Hofers teils auf Miterlebnis, teils anf lebendiger Mitteilung beruhten; ungefähr so weit wie seine Zeit- darstellnngen Pflegt in größeren alten Familien die Anschauung von den Alt¬ vordern, ihrem Wesen und ihren Geschicken zurückzureichen. Nicht als ob damit irgendwelche Zweifel in Hofers Erfindungskraft gesetzt werden sollten! Wir meinen nur, es ist der Ton, der in solchen alten Überlieferungen erklingt und den Höfer lebendig und ergreifend trifft. Ja selbst die Eigentümlichkeit der mündlichen Erzählung, sich einmal breit und behaglich ausmalend zu ergehen und ein uüchstesmal im vollen drängenden Strom, mit rascher Aneinander¬ reihung der gewichtigsten Thatsachen zu berichten, dazu hunderterlei jener Aus- rufe und Wendungen, die nur dem mündlichen Vortrag angehören, finden sich bei unsern Novellisten vor. Ein so echter Dichter Hofer in seineu guten Leistungen auch ist, er bleibt doch eben immer und vor allen Dingen Erzähler, in einem ungewöhnlichen Maße steht ihm die Kunst des spannenden, fesselnden Vortrags zu Gebote, und sie ist ihm selbst da tren geblieben, wo er innerlich an seinen Erfindungen wenig mehr beteiligt war. Doch bleibt es bemerkenswert, daß, während Höfer seine früheren Geschichten ans einer inneren Fülle heraus erzählt, so daß er oft Not hat, die drängenden Situationen, die zahlreichen Gestalten kunstgemäß zu bewältigen, er späterhin sich bei breiten Expositionen aufhält und sich gleichsam erst in das Vorzutragende hineinerzählt. Hierin liegt wieder eine Aufforderung mehr, sich vor allem an die früheren Schriften Hofers zu halten, um eine rechte Würdigung seines Talents zu haben. Zwei der unbekanntesten unter seinen Büchern zählen zu den wertvollsten und weisen manche Wurzeln seiner Kraft auf. Das sind seine „Gedichte" (Z853) und das Skizzenbuch aus Norddeutschland „Schwnnwiek." Die Gedichte unter¬ scheiden sich von der landläufigen Lyrik in höchst prägnanter Weise. So weit sie lyrisch sind, enthalten sie Naturlaute einer heißen und dabei doch spröden Natur, Töne aus dem Innersten der Seele, die nicht leicht, aber stark und er¬ greifend hervorquellen. Durch manche der Hoferschen Dichtungen klingen jene geheimnisvollen Stimmen, welche dann auch in einzelnen Geschichten wiederkehren und aus dem träumerischen Verkehr mit Wald und Meer stammen. So weit sie erzählend siud, stellen sie sich als plastische, charakteristische Episoden ans dein See- und Schifferleben, ans allerhand wunderlichem Meuschentrciben dar, das der Dichter aufmerksam belauscht hat und für das er die eigentümliche Form sucht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/134>, abgerufen am 22.07.2024.