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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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trugen schwächer und schwächer. Gleichwohl würde es außerordentlich schwer
sein, eine nur einigermaßen zuverlässige Grenzlinie zwischen den bedeutsamen,
poetisch reichen Produktionen Hofers und deu dürftigeren und äußerlicheren zu
ziehein Wer zufällig eine Gruppe der letzteren zuerst keimen lernte, dem würden
immerhin der Reichtum der Erfindung, das außerordentliche Talent für die Dar¬
stellung namentlich alter Adelshüuser und patrizischen Bürgerfamilien mit ihren
mannichfach freudigen, zumeist aber dunklen und oft tragischen Erinnerungen, die
straffe, vorwärts drängende und am rechten Ort doch wieder ruhige, bequeme
Weise des Erzählens auffallen. Denn wie gesagt, etwas von den Vorzügen
der besten Hoferschen Schriften ist auch uoch in die mindest gelungenen über¬
gegangen, und bei kleineren Erzählungen schlug unser Dichter wohl auch uoch
in der letzten Zeit, je nachdem ihm eine bis dahin nie verwertete Erinnerung
in die Seele trat, den starken, klangreichen Ton früherer Tage an. Aber
wer die Schöpfungen Hüfers mit einander vergleicht, der wird ohne die thö¬
richte Vorliebe, die bei uns für Erstlingswerte herrscht, zu teilen, nicht einen
Augenblick austehen, den älteren den entschiedensten Vorzug zu gebe". In
deu Büchern "Alls dem Volke," deu Novellen "Aus alter und neuer Zeit,"
dem lebensvollen Idyll "Schwanwiek," der Sammlung "Bewegtes Leben," in
"Nvrien, Erinnerungen einer alten Fran," in der Schloß- und Waldgeschichte
"Lorelei" und in dem ersten Roman "Die Alten von Rühret" sind meist schon
alle Elemente und zwar schon in jener eigentümlichen Mischling enthalten, auf
welcher die Wirkungen Hofers beruhen. Die ernste Anschauung des Lebens, die
ausgesprochene Vorliebe für alle edeln, selbstbewußten, frei auf sich gestellte,,,
ein wenig trotzigen, im eigentlichen Sinne des Worts adlichen Naturen und Ge¬
stalten, das Wohlgefallen an einem ehrenhaften Dasein, das dabei von allem
Behagen und aller Sicherheit des Wohlstandes getragen ist, dazu das echt poe¬
tische Verständnis für heißblutige Leidenschaft, für alle urwüchsigen, aus der
Natur unvertilgbaren Empfindungen in Liebe und Haß, die stimmungsvolle
Wiedergabe der äußeren Szenerie, mit der seine Menschen durch tausend Fäden
verbunden sind, die Kunst, den Vvllgehalt einer jeden Geschichte in einen oder
ein paar entscheidende, mit vollster sinnlicher Deutlichkeit dargestellte Momente
znsammenzndräuge", die wechselvolle, bald kurze und knappe, bald bequeme, immer
aber kräftige Sprache treten uns in den Erstlingsbüchern in frischester Unmittel¬
barkeit und mit einer noch jugendlichen Lust an dem Schatz der Erinnerungen
und Gestalten, über den er zu verfügen hat, entgegen.

Höfer beschränkt sich in seinen Darstellungen weder auf die Gegeuwnrt,
noch teilt er die Vorliebe für weit zurückliegende Jahrhunderte. Genau so wie
er einen Lieblingshintergrund hat, das norddeutsche Küstenland mit den Ebene",
Haiden und Wäldern, die sich bis an die Dünen der Ostsee heranziehen, hat
er auch eine Liebliugszeit, in deren Anschauungen und Sitten er so gut, jn besser
zu Hause ist, als in der Gegenwart: die Zeit vom siebenjährigen Kriege bis in die


trugen schwächer und schwächer. Gleichwohl würde es außerordentlich schwer
sein, eine nur einigermaßen zuverlässige Grenzlinie zwischen den bedeutsamen,
poetisch reichen Produktionen Hofers und deu dürftigeren und äußerlicheren zu
ziehein Wer zufällig eine Gruppe der letzteren zuerst keimen lernte, dem würden
immerhin der Reichtum der Erfindung, das außerordentliche Talent für die Dar¬
stellung namentlich alter Adelshüuser und patrizischen Bürgerfamilien mit ihren
mannichfach freudigen, zumeist aber dunklen und oft tragischen Erinnerungen, die
straffe, vorwärts drängende und am rechten Ort doch wieder ruhige, bequeme
Weise des Erzählens auffallen. Denn wie gesagt, etwas von den Vorzügen
der besten Hoferschen Schriften ist auch uoch in die mindest gelungenen über¬
gegangen, und bei kleineren Erzählungen schlug unser Dichter wohl auch uoch
in der letzten Zeit, je nachdem ihm eine bis dahin nie verwertete Erinnerung
in die Seele trat, den starken, klangreichen Ton früherer Tage an. Aber
wer die Schöpfungen Hüfers mit einander vergleicht, der wird ohne die thö¬
richte Vorliebe, die bei uns für Erstlingswerte herrscht, zu teilen, nicht einen
Augenblick austehen, den älteren den entschiedensten Vorzug zu gebe». In
deu Büchern „Alls dem Volke," deu Novellen „Aus alter und neuer Zeit,"
dem lebensvollen Idyll „Schwanwiek," der Sammlung „Bewegtes Leben," in
„Nvrien, Erinnerungen einer alten Fran," in der Schloß- und Waldgeschichte
„Lorelei" und in dem ersten Roman „Die Alten von Rühret" sind meist schon
alle Elemente und zwar schon in jener eigentümlichen Mischling enthalten, auf
welcher die Wirkungen Hofers beruhen. Die ernste Anschauung des Lebens, die
ausgesprochene Vorliebe für alle edeln, selbstbewußten, frei auf sich gestellte,,,
ein wenig trotzigen, im eigentlichen Sinne des Worts adlichen Naturen und Ge¬
stalten, das Wohlgefallen an einem ehrenhaften Dasein, das dabei von allem
Behagen und aller Sicherheit des Wohlstandes getragen ist, dazu das echt poe¬
tische Verständnis für heißblutige Leidenschaft, für alle urwüchsigen, aus der
Natur unvertilgbaren Empfindungen in Liebe und Haß, die stimmungsvolle
Wiedergabe der äußeren Szenerie, mit der seine Menschen durch tausend Fäden
verbunden sind, die Kunst, den Vvllgehalt einer jeden Geschichte in einen oder
ein paar entscheidende, mit vollster sinnlicher Deutlichkeit dargestellte Momente
znsammenzndräuge», die wechselvolle, bald kurze und knappe, bald bequeme, immer
aber kräftige Sprache treten uns in den Erstlingsbüchern in frischester Unmittel¬
barkeit und mit einer noch jugendlichen Lust an dem Schatz der Erinnerungen
und Gestalten, über den er zu verfügen hat, entgegen.

Höfer beschränkt sich in seinen Darstellungen weder auf die Gegeuwnrt,
noch teilt er die Vorliebe für weit zurückliegende Jahrhunderte. Genau so wie
er einen Lieblingshintergrund hat, das norddeutsche Küstenland mit den Ebene»,
Haiden und Wäldern, die sich bis an die Dünen der Ostsee heranziehen, hat
er auch eine Liebliugszeit, in deren Anschauungen und Sitten er so gut, jn besser
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/133>, abgerufen am 03.07.2024.