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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ägypten und die heutigen Ägypter.

Koillrolkommission, also seit drei Jahren, was in Verbindung mit der Thatsache,
daß die Eingebornen in den gleichen Stellungen viel weniger Gehalt bezogen
als die Fremden, selbstverständlich den Neid und die Eifersucht der Ägypter
erregte.

Die Steuerlast war vor sechs Jahren, wo Klnnzinger seine Erfahrungen
niederschrieb, geradezu ungeheuer, ist aber uuter der europäischen Kontrole, die
manches besserte, geringer geworden. "Da giebt es," berichtet der Genannte,
"eine Grundsteuer, 70 bis 100 Piaster (5 22 Pfennige) auf den Morgen Acker¬
land. Sie erstreckt sich je nach dem Grade der Nilüberschwemmung über eine
größere oder geringere Zahl urbarer Ländereien. Ferner giebt es eine ziemlich
niedrige Gewerbe- und Einkommensteuer, die von einem aus Beamten und Sach¬
verständigen bestehenden Kollegium für jeden Einzelnen bestimmt wird, da man
sich auf die Selbsteinschätzung der zu besteuernden nicht verlassen kann. Sehr
einträglich ist bei der großen Anzahl der Palmen im Nilthale die auf diese
gelegte Steuer, welche für jeden fruchttragenden Baum 20 Piaster beträgt. Nil-
schiffe zahlen jährlich 70 bis 100 Piaster Abgabe. Alle zu Markte gebrachten
Waaren werden mit 2 bis 9 Prozent ihres Wertes belastet, und dazu kommt
noch ein Wegegeld von 1 bis 2 Piaster für den Zentner, das selbst von Brenn¬
holz und Schlachtvieh erhoben wird. Bei letzterem treten dazu noch 4 bis 10
Piaster Schlachthauszins für jedes Stück, auch da, wo es kein Schlachthaus
giebt. . . Der Besitzer vou Vieh zahlt Piaster für das Schaf und die
Ziege, 10 für den Esel, 20 für das Pferd, deu Büffel und das Kameel. Die
Fischer geben teils Pacht, teils liefern sie dem Staate ein Viertel ihres Fanges
ab. Auch das Salz wird besteuert, indem es die Bewohner der Regierung zu
ziemlich hohem Preise abkaufen müssen, desgleichen der Tabak, der früher frei
war. . . Der Kläger bei einem Prozesse hat, ehe er angehört wird, einige Piaster
und für jede schriftliche Eingabe deren 20 zu entrichten. Der Hausbesitzer liefert
eine Monatsrate seiner jährlichen Mieteinnahmen ab, . . Drückender als die
Höhe der Steuern ist die unregelmäßige Eintreibung derselben. Für gewöhnlich
werden sie zwar nach und nach eingezogen, und jeden Monat erscheint vor dem
Sitz der Mudirije ein Regierungsdampfer, um sie nach Abzug der Provinziell-
ausgaben der Laudeshauptkasse zuzuführen. Indeß giebt es in dieser oft plötz¬
liche Ebben, denen schleunigst abgeholfen werden muß. Die Gouverneure der
Provinzen erhalten dann Befehl, in so und so viel Tagen eine bestimmte, oft
sehr hohe Summe einzuliefern, und wenn der betreffende Mudir an einem un¬
zweckmäßig milden Temperamente leiden sollte, so wird ihm zugleich mit der
Eintrcibungsordre unvermutet ein Nachfolger lui trop zugeschickt. Dieser macht
dann mit seinen Schergen und Schreibern eine SchatzungStvnr von Ort zu Ort,
die reicheren Bürger werden höflich gebeten, Vorschüsse zu geben, und sollten sie
das Geld von griechischen Wucherern zu hohen Zinsen entlehnen, die ärmeren
werden gezwungen, ihre Jahresstener sofort zu erlegen, und wer noch im Ruck-


Ägypten und die heutigen Ägypter.

Koillrolkommission, also seit drei Jahren, was in Verbindung mit der Thatsache,
daß die Eingebornen in den gleichen Stellungen viel weniger Gehalt bezogen
als die Fremden, selbstverständlich den Neid und die Eifersucht der Ägypter
erregte.

Die Steuerlast war vor sechs Jahren, wo Klnnzinger seine Erfahrungen
niederschrieb, geradezu ungeheuer, ist aber uuter der europäischen Kontrole, die
manches besserte, geringer geworden. „Da giebt es," berichtet der Genannte,
„eine Grundsteuer, 70 bis 100 Piaster (5 22 Pfennige) auf den Morgen Acker¬
land. Sie erstreckt sich je nach dem Grade der Nilüberschwemmung über eine
größere oder geringere Zahl urbarer Ländereien. Ferner giebt es eine ziemlich
niedrige Gewerbe- und Einkommensteuer, die von einem aus Beamten und Sach¬
verständigen bestehenden Kollegium für jeden Einzelnen bestimmt wird, da man
sich auf die Selbsteinschätzung der zu besteuernden nicht verlassen kann. Sehr
einträglich ist bei der großen Anzahl der Palmen im Nilthale die auf diese
gelegte Steuer, welche für jeden fruchttragenden Baum 20 Piaster beträgt. Nil-
schiffe zahlen jährlich 70 bis 100 Piaster Abgabe. Alle zu Markte gebrachten
Waaren werden mit 2 bis 9 Prozent ihres Wertes belastet, und dazu kommt
noch ein Wegegeld von 1 bis 2 Piaster für den Zentner, das selbst von Brenn¬
holz und Schlachtvieh erhoben wird. Bei letzterem treten dazu noch 4 bis 10
Piaster Schlachthauszins für jedes Stück, auch da, wo es kein Schlachthaus
giebt. . . Der Besitzer vou Vieh zahlt Piaster für das Schaf und die
Ziege, 10 für den Esel, 20 für das Pferd, deu Büffel und das Kameel. Die
Fischer geben teils Pacht, teils liefern sie dem Staate ein Viertel ihres Fanges
ab. Auch das Salz wird besteuert, indem es die Bewohner der Regierung zu
ziemlich hohem Preise abkaufen müssen, desgleichen der Tabak, der früher frei
war. . . Der Kläger bei einem Prozesse hat, ehe er angehört wird, einige Piaster
und für jede schriftliche Eingabe deren 20 zu entrichten. Der Hausbesitzer liefert
eine Monatsrate seiner jährlichen Mieteinnahmen ab, . . Drückender als die
Höhe der Steuern ist die unregelmäßige Eintreibung derselben. Für gewöhnlich
werden sie zwar nach und nach eingezogen, und jeden Monat erscheint vor dem
Sitz der Mudirije ein Regierungsdampfer, um sie nach Abzug der Provinziell-
ausgaben der Laudeshauptkasse zuzuführen. Indeß giebt es in dieser oft plötz¬
liche Ebben, denen schleunigst abgeholfen werden muß. Die Gouverneure der
Provinzen erhalten dann Befehl, in so und so viel Tagen eine bestimmte, oft
sehr hohe Summe einzuliefern, und wenn der betreffende Mudir an einem un¬
zweckmäßig milden Temperamente leiden sollte, so wird ihm zugleich mit der
Eintrcibungsordre unvermutet ein Nachfolger lui trop zugeschickt. Dieser macht
dann mit seinen Schergen und Schreibern eine SchatzungStvnr von Ort zu Ort,
die reicheren Bürger werden höflich gebeten, Vorschüsse zu geben, und sollten sie
das Geld von griechischen Wucherern zu hohen Zinsen entlehnen, die ärmeren
werden gezwungen, ihre Jahresstener sofort zu erlegen, und wer noch im Ruck-


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[0115] Ägypten und die heutigen Ägypter. Koillrolkommission, also seit drei Jahren, was in Verbindung mit der Thatsache, daß die Eingebornen in den gleichen Stellungen viel weniger Gehalt bezogen als die Fremden, selbstverständlich den Neid und die Eifersucht der Ägypter erregte. Die Steuerlast war vor sechs Jahren, wo Klnnzinger seine Erfahrungen niederschrieb, geradezu ungeheuer, ist aber uuter der europäischen Kontrole, die manches besserte, geringer geworden. „Da giebt es," berichtet der Genannte, „eine Grundsteuer, 70 bis 100 Piaster (5 22 Pfennige) auf den Morgen Acker¬ land. Sie erstreckt sich je nach dem Grade der Nilüberschwemmung über eine größere oder geringere Zahl urbarer Ländereien. Ferner giebt es eine ziemlich niedrige Gewerbe- und Einkommensteuer, die von einem aus Beamten und Sach¬ verständigen bestehenden Kollegium für jeden Einzelnen bestimmt wird, da man sich auf die Selbsteinschätzung der zu besteuernden nicht verlassen kann. Sehr einträglich ist bei der großen Anzahl der Palmen im Nilthale die auf diese gelegte Steuer, welche für jeden fruchttragenden Baum 20 Piaster beträgt. Nil- schiffe zahlen jährlich 70 bis 100 Piaster Abgabe. Alle zu Markte gebrachten Waaren werden mit 2 bis 9 Prozent ihres Wertes belastet, und dazu kommt noch ein Wegegeld von 1 bis 2 Piaster für den Zentner, das selbst von Brenn¬ holz und Schlachtvieh erhoben wird. Bei letzterem treten dazu noch 4 bis 10 Piaster Schlachthauszins für jedes Stück, auch da, wo es kein Schlachthaus giebt. . . Der Besitzer vou Vieh zahlt Piaster für das Schaf und die Ziege, 10 für den Esel, 20 für das Pferd, deu Büffel und das Kameel. Die Fischer geben teils Pacht, teils liefern sie dem Staate ein Viertel ihres Fanges ab. Auch das Salz wird besteuert, indem es die Bewohner der Regierung zu ziemlich hohem Preise abkaufen müssen, desgleichen der Tabak, der früher frei war. . . Der Kläger bei einem Prozesse hat, ehe er angehört wird, einige Piaster und für jede schriftliche Eingabe deren 20 zu entrichten. Der Hausbesitzer liefert eine Monatsrate seiner jährlichen Mieteinnahmen ab, . . Drückender als die Höhe der Steuern ist die unregelmäßige Eintreibung derselben. Für gewöhnlich werden sie zwar nach und nach eingezogen, und jeden Monat erscheint vor dem Sitz der Mudirije ein Regierungsdampfer, um sie nach Abzug der Provinziell- ausgaben der Laudeshauptkasse zuzuführen. Indeß giebt es in dieser oft plötz¬ liche Ebben, denen schleunigst abgeholfen werden muß. Die Gouverneure der Provinzen erhalten dann Befehl, in so und so viel Tagen eine bestimmte, oft sehr hohe Summe einzuliefern, und wenn der betreffende Mudir an einem un¬ zweckmäßig milden Temperamente leiden sollte, so wird ihm zugleich mit der Eintrcibungsordre unvermutet ein Nachfolger lui trop zugeschickt. Dieser macht dann mit seinen Schergen und Schreibern eine SchatzungStvnr von Ort zu Ort, die reicheren Bürger werden höflich gebeten, Vorschüsse zu geben, und sollten sie das Geld von griechischen Wucherern zu hohen Zinsen entlehnen, die ärmeren werden gezwungen, ihre Jahresstener sofort zu erlegen, und wer noch im Ruck-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/115>, abgerufen am 26.08.2024.