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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ägypten und die heutige" Ägypter.

Länderkomplex im innern Afrika liegt auch dort volkswirtschaftlich noch brach,
ist also für die Staatskasse auch da noch unergiebig, wo er anbaufähig und von
einer ziemlich dichten Bevölkerung besiedelt ist.

Das eigentliche Ägypten, arabisch Bilad Mnsr, welches sich von den Nil¬
mündungen bis Wadi Halfa erstreckt und, soweit es die Finten seines einzigen
Stromes bewässern, größtenteils ünßerst fruchtbar ist, könnte nach unsern Be
rechnnngen bequem acht Millionen Menschen ernähren. Dasselbe hatte den"
anch zu Herodots Zeiten nahezu so viel Einwohner und nicht weniger unter
der Herrschaft der römischen Kaiser. Die Türkenwirtschnst verminderte diese Zahl
in traurigster Weise, verständigere Verwaltung unter Mehemed Ali und seinen
bessern Nachfolgern aber steigerte sie in den Jahren 1838 bis 1376 wieder, lind
nach dem letzten Census beträgt die Bevölkerung Ägyptens ungefähr fünfundeine-
halbe Million, während die Einwohnerzahl des Gesamtreichs des Chedive auf
etwa sechzehn Millionen veranschlagt wird.

Die heutigen Ägypter zerfallen in verschiedene Gruppen, unter denen die
Fellahin (die ansässigen Landleute) den Kern der Volkskraft ausmachen. Sie
haben unzweifelhaft Blut von jener Rasse in ihren Adern, welche die Pyramiden
von Memphis und die Tempel von Theben baute. Ihre Statur überschreitet
nach Schweinfurth die Mittelgröße; muskelkräftig und starkknochig, sind sie doch
fast ausnahmslos schlank gebaut. Ihre Augen sind schwarz, mandelförmig und
mit auffällig dichten Wimpern besetzt, ihre Haare ebenfalls schwarz, die Lippe"
dick. Die Nase ist nicht sehr entwickelt und niemals von der aquilinen Form
der semitischen, die Stirn niedrig, die Backenknochen treten stark hervor. Ihr
Teint ist in Oberägypten tief bronzefarben, im Delta hellbraun. Die Behausung
dieser ägyptischen Bauern ist meist ziemlich armselig. Sie besteht in der Regel
nur aus vier Wänden von Nilschlamm mit einem Dach aus Durrastroh, und
im Innern gewahrt man an Gerät selten mehr als einige Matten oder Schaf¬
felle, auf denen die Familie schläft, einen kupfernen Kochkessel, ein paar irdene
Krüge, einige Körbe und Sessel ans Palmenstübcn und ein und das andre
Blechgefäß. Die Grundlage der Kost des Fellahs ist im Delta Mais-, in Ober-
ügypten Sorgummchl, zu dünnen Fladen verbacken. Daneben werden Linsen
und Sanbohnenbrei, sowie eine Zwiebelbrühe mit Lein- oder scheinst genossen,
desgleichen Gurken, Kürbisse und Banner. Butter essen nur die Wohlhabende,,,
der Arme begnügt sich mit saurer Milch und Käse, und Fleisch kommt bei ihm
fast nur an großen Festtagen auf den Tisch. Bei der Feldarbeit tragen die
Männer mit Ausnahme eines Lendentuchs keine Bekleidung, sonst gewöhnlich
einen langen blauen Baumwollenkittel und darüber bisweilen einen braun- und
weißgestreiftcn weiten Rock ans Ziegenhaar. Den Kopf bedeckt eine sich dicht
an den Schädel anschließende Filzkappe. Meist gehen sie barfuß. Die Dorf¬
scheichs und die bemittelteren Nachbarn derselben erscheinen auf den Märkten in
schwarzwollenen Mänteln, auf dem Kopfe ein rotes Feß, um das ein Weißes


Ägypten und die heutige» Ägypter.

Länderkomplex im innern Afrika liegt auch dort volkswirtschaftlich noch brach,
ist also für die Staatskasse auch da noch unergiebig, wo er anbaufähig und von
einer ziemlich dichten Bevölkerung besiedelt ist.

Das eigentliche Ägypten, arabisch Bilad Mnsr, welches sich von den Nil¬
mündungen bis Wadi Halfa erstreckt und, soweit es die Finten seines einzigen
Stromes bewässern, größtenteils ünßerst fruchtbar ist, könnte nach unsern Be
rechnnngen bequem acht Millionen Menschen ernähren. Dasselbe hatte den»
anch zu Herodots Zeiten nahezu so viel Einwohner und nicht weniger unter
der Herrschaft der römischen Kaiser. Die Türkenwirtschnst verminderte diese Zahl
in traurigster Weise, verständigere Verwaltung unter Mehemed Ali und seinen
bessern Nachfolgern aber steigerte sie in den Jahren 1838 bis 1376 wieder, lind
nach dem letzten Census beträgt die Bevölkerung Ägyptens ungefähr fünfundeine-
halbe Million, während die Einwohnerzahl des Gesamtreichs des Chedive auf
etwa sechzehn Millionen veranschlagt wird.

Die heutigen Ägypter zerfallen in verschiedene Gruppen, unter denen die
Fellahin (die ansässigen Landleute) den Kern der Volkskraft ausmachen. Sie
haben unzweifelhaft Blut von jener Rasse in ihren Adern, welche die Pyramiden
von Memphis und die Tempel von Theben baute. Ihre Statur überschreitet
nach Schweinfurth die Mittelgröße; muskelkräftig und starkknochig, sind sie doch
fast ausnahmslos schlank gebaut. Ihre Augen sind schwarz, mandelförmig und
mit auffällig dichten Wimpern besetzt, ihre Haare ebenfalls schwarz, die Lippe»
dick. Die Nase ist nicht sehr entwickelt und niemals von der aquilinen Form
der semitischen, die Stirn niedrig, die Backenknochen treten stark hervor. Ihr
Teint ist in Oberägypten tief bronzefarben, im Delta hellbraun. Die Behausung
dieser ägyptischen Bauern ist meist ziemlich armselig. Sie besteht in der Regel
nur aus vier Wänden von Nilschlamm mit einem Dach aus Durrastroh, und
im Innern gewahrt man an Gerät selten mehr als einige Matten oder Schaf¬
felle, auf denen die Familie schläft, einen kupfernen Kochkessel, ein paar irdene
Krüge, einige Körbe und Sessel ans Palmenstübcn und ein und das andre
Blechgefäß. Die Grundlage der Kost des Fellahs ist im Delta Mais-, in Ober-
ügypten Sorgummchl, zu dünnen Fladen verbacken. Daneben werden Linsen
und Sanbohnenbrei, sowie eine Zwiebelbrühe mit Lein- oder scheinst genossen,
desgleichen Gurken, Kürbisse und Banner. Butter essen nur die Wohlhabende,,,
der Arme begnügt sich mit saurer Milch und Käse, und Fleisch kommt bei ihm
fast nur an großen Festtagen auf den Tisch. Bei der Feldarbeit tragen die
Männer mit Ausnahme eines Lendentuchs keine Bekleidung, sonst gewöhnlich
einen langen blauen Baumwollenkittel und darüber bisweilen einen braun- und
weißgestreiftcn weiten Rock ans Ziegenhaar. Den Kopf bedeckt eine sich dicht
an den Schädel anschließende Filzkappe. Meist gehen sie barfuß. Die Dorf¬
scheichs und die bemittelteren Nachbarn derselben erscheinen auf den Märkten in
schwarzwollenen Mänteln, auf dem Kopfe ein rotes Feß, um das ein Weißes


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[0106] Ägypten und die heutige» Ägypter. Länderkomplex im innern Afrika liegt auch dort volkswirtschaftlich noch brach, ist also für die Staatskasse auch da noch unergiebig, wo er anbaufähig und von einer ziemlich dichten Bevölkerung besiedelt ist. Das eigentliche Ägypten, arabisch Bilad Mnsr, welches sich von den Nil¬ mündungen bis Wadi Halfa erstreckt und, soweit es die Finten seines einzigen Stromes bewässern, größtenteils ünßerst fruchtbar ist, könnte nach unsern Be rechnnngen bequem acht Millionen Menschen ernähren. Dasselbe hatte den» anch zu Herodots Zeiten nahezu so viel Einwohner und nicht weniger unter der Herrschaft der römischen Kaiser. Die Türkenwirtschnst verminderte diese Zahl in traurigster Weise, verständigere Verwaltung unter Mehemed Ali und seinen bessern Nachfolgern aber steigerte sie in den Jahren 1838 bis 1376 wieder, lind nach dem letzten Census beträgt die Bevölkerung Ägyptens ungefähr fünfundeine- halbe Million, während die Einwohnerzahl des Gesamtreichs des Chedive auf etwa sechzehn Millionen veranschlagt wird. Die heutigen Ägypter zerfallen in verschiedene Gruppen, unter denen die Fellahin (die ansässigen Landleute) den Kern der Volkskraft ausmachen. Sie haben unzweifelhaft Blut von jener Rasse in ihren Adern, welche die Pyramiden von Memphis und die Tempel von Theben baute. Ihre Statur überschreitet nach Schweinfurth die Mittelgröße; muskelkräftig und starkknochig, sind sie doch fast ausnahmslos schlank gebaut. Ihre Augen sind schwarz, mandelförmig und mit auffällig dichten Wimpern besetzt, ihre Haare ebenfalls schwarz, die Lippe» dick. Die Nase ist nicht sehr entwickelt und niemals von der aquilinen Form der semitischen, die Stirn niedrig, die Backenknochen treten stark hervor. Ihr Teint ist in Oberägypten tief bronzefarben, im Delta hellbraun. Die Behausung dieser ägyptischen Bauern ist meist ziemlich armselig. Sie besteht in der Regel nur aus vier Wänden von Nilschlamm mit einem Dach aus Durrastroh, und im Innern gewahrt man an Gerät selten mehr als einige Matten oder Schaf¬ felle, auf denen die Familie schläft, einen kupfernen Kochkessel, ein paar irdene Krüge, einige Körbe und Sessel ans Palmenstübcn und ein und das andre Blechgefäß. Die Grundlage der Kost des Fellahs ist im Delta Mais-, in Ober- ügypten Sorgummchl, zu dünnen Fladen verbacken. Daneben werden Linsen und Sanbohnenbrei, sowie eine Zwiebelbrühe mit Lein- oder scheinst genossen, desgleichen Gurken, Kürbisse und Banner. Butter essen nur die Wohlhabende,,, der Arme begnügt sich mit saurer Milch und Käse, und Fleisch kommt bei ihm fast nur an großen Festtagen auf den Tisch. Bei der Feldarbeit tragen die Männer mit Ausnahme eines Lendentuchs keine Bekleidung, sonst gewöhnlich einen langen blauen Baumwollenkittel und darüber bisweilen einen braun- und weißgestreiftcn weiten Rock ans Ziegenhaar. Den Kopf bedeckt eine sich dicht an den Schädel anschließende Filzkappe. Meist gehen sie barfuß. Die Dorf¬ scheichs und die bemittelteren Nachbarn derselben erscheinen auf den Märkten in schwarzwollenen Mänteln, auf dem Kopfe ein rotes Feß, um das ein Weißes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/106>, abgerufen am 01.10.2024.