Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Theater und Polizei. hat, wo Autorität und Verantwortlichkeit bestimmter Persönlichkeiten außer allem In einem andern Punkte klagen auch wir die Behörden in Bausch und Bogen Allein wir sind der Ansicht, daß der Staat Recht und Pflicht habe, der¬ Theater und Polizei. hat, wo Autorität und Verantwortlichkeit bestimmter Persönlichkeiten außer allem In einem andern Punkte klagen auch wir die Behörden in Bausch und Bogen Allein wir sind der Ansicht, daß der Staat Recht und Pflicht habe, der¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151291"/> <fw type="header" place="top"> Theater und Polizei.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1852" prev="#ID_1851"> hat, wo Autorität und Verantwortlichkeit bestimmter Persönlichkeiten außer allem<lb/> Zweifel stehen. Nur nebenbei sei berührt, daß das jetzt verlangte Eingreifen<lb/> der Aufsichtsbehörde durchaus nicht die gewünschte Sicherheit gewähren würde.<lb/> Wenn ein Polizeibeamter vor Beginn der Vorstellung alles in Ordnung findet,<lb/> kann fünf Minuten später alles in Unordnung sein. Aber würde nicht die<lb/> Consequenz erfordern, daß zu jedem Dampfkessel ein Polizist gestellt werde, daß<lb/> in jeder Fabrik, in der mit feuergefährlichen Stoffen hantirt wird, permanente<lb/> Polizeiliche Ueberwachung bestehe? Da haben wir abermals das stündige Schau¬<lb/> spiel unsrer Tage! So lange die Dinge glatt gehen, will man sich von nie¬<lb/> mand dreinreden lassen, aber im gefährlichen Moment keine Verantwortlichkeit<lb/> übernehmen. Welche Verwirrung aller Begriffe! Da wird mit Emphase be¬<lb/> gehrt strenge Bestrafung der Schuldigen, wer sie auch seien, zugleich aber eine<lb/> ganze Kategorie von Betheiligten, die vor allen sich von dem Schuldverdacht<lb/> werden zu reinigen haben, ausgeschlossen, um auf die vßts noirs, die Polizei,<lb/> loszuschlagen. Und Volksvertreter fordern von den Ministern Namhaftmachung<lb/> der Schuldigen in dem Augenblick, da die Untersuchung noch nicht einmal be¬<lb/> gonnen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1853"> In einem andern Punkte klagen auch wir die Behörden in Bausch und Bogen<lb/> an. Es ist Sitte geworden, Leuten die Führung eines so großen Unternehmens,<lb/> wie ein Theater, zu gestatten, die keine genügende Garantie gewähren. Das<lb/> entspricht den Anschauungen jener liberalen Politiker, auf deren Freiheiten-Register<lb/> auch die Theaterfreiheit figurirt. Diese Leute stellen das Theater auf eine Stufe<lb/> mit jedem beliebigen Vergnügungsunternehmen. „Ob Hinz oder Kunz Theater¬<lb/> direktor ist, ob er sein Geschüft versteht oder nicht, ob er dabei ein reicher Mann<lb/> wird oder schmählich zu Grunde geht, das ist seine Sache, ob Hunderte von<lb/> Menschen ihre Existenz an ein Unternehmen knüpfen, daß der soliden Basis<lb/> entbehrt, ob sie ins Elend gerathen, wenn die Spekulation fehlschlägt, das ist<lb/> ihre Sache, und wie endlich die Kunst dabei fährt, welchen Einfluß solche Wirth¬<lb/> schaft auf die öffentliche Sittlichkeit hat, das ist uns ganz gleichgiltig." Es läßt<lb/> sich nicht leugnen, daß diese Auffassung viele Anhänger zählt. Vor allem unter<lb/> den unternehmungslustigen Leuten. Was diese ihre Kunstinstitute nennen, ist<lb/> wirklich sehr oft nichts andres als ein Vergnügungslocal niedrigsten Ranges,<lb/> eine Brutstätte aller erdenklichen schlechten Sitten, im besseren Falle nicht selten<lb/> ein sich gut rentirendes Industrie-Unternehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1854" next="#ID_1855"> Allein wir sind der Ansicht, daß der Staat Recht und Pflicht habe, der¬<lb/> gleichen Institute unter einem andern Gesichtspunkte zu betrachten. Die Censur<lb/> übt ihnen gegenüber ihr Amt aus, wie die Gesundheitspolizei gegenüber den<lb/> Wirthen und Händlern mit Lebensmitteln, und wenn sie die Verbreitung ver¬<lb/> dorbener, vergifteter Kost verhindert, so darf sie sich dabei von dem Gerede des<lb/> vulgären Journalismus nicht beirren lassen. Doch ist das nicht genug. Die<lb/> Behörde sollte sich auch die Gewißheit verschaffen, daß ein Theaterdirektor die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Theater und Polizei.
hat, wo Autorität und Verantwortlichkeit bestimmter Persönlichkeiten außer allem
Zweifel stehen. Nur nebenbei sei berührt, daß das jetzt verlangte Eingreifen
der Aufsichtsbehörde durchaus nicht die gewünschte Sicherheit gewähren würde.
Wenn ein Polizeibeamter vor Beginn der Vorstellung alles in Ordnung findet,
kann fünf Minuten später alles in Unordnung sein. Aber würde nicht die
Consequenz erfordern, daß zu jedem Dampfkessel ein Polizist gestellt werde, daß
in jeder Fabrik, in der mit feuergefährlichen Stoffen hantirt wird, permanente
Polizeiliche Ueberwachung bestehe? Da haben wir abermals das stündige Schau¬
spiel unsrer Tage! So lange die Dinge glatt gehen, will man sich von nie¬
mand dreinreden lassen, aber im gefährlichen Moment keine Verantwortlichkeit
übernehmen. Welche Verwirrung aller Begriffe! Da wird mit Emphase be¬
gehrt strenge Bestrafung der Schuldigen, wer sie auch seien, zugleich aber eine
ganze Kategorie von Betheiligten, die vor allen sich von dem Schuldverdacht
werden zu reinigen haben, ausgeschlossen, um auf die vßts noirs, die Polizei,
loszuschlagen. Und Volksvertreter fordern von den Ministern Namhaftmachung
der Schuldigen in dem Augenblick, da die Untersuchung noch nicht einmal be¬
gonnen hat.
In einem andern Punkte klagen auch wir die Behörden in Bausch und Bogen
an. Es ist Sitte geworden, Leuten die Führung eines so großen Unternehmens,
wie ein Theater, zu gestatten, die keine genügende Garantie gewähren. Das
entspricht den Anschauungen jener liberalen Politiker, auf deren Freiheiten-Register
auch die Theaterfreiheit figurirt. Diese Leute stellen das Theater auf eine Stufe
mit jedem beliebigen Vergnügungsunternehmen. „Ob Hinz oder Kunz Theater¬
direktor ist, ob er sein Geschüft versteht oder nicht, ob er dabei ein reicher Mann
wird oder schmählich zu Grunde geht, das ist seine Sache, ob Hunderte von
Menschen ihre Existenz an ein Unternehmen knüpfen, daß der soliden Basis
entbehrt, ob sie ins Elend gerathen, wenn die Spekulation fehlschlägt, das ist
ihre Sache, und wie endlich die Kunst dabei fährt, welchen Einfluß solche Wirth¬
schaft auf die öffentliche Sittlichkeit hat, das ist uns ganz gleichgiltig." Es läßt
sich nicht leugnen, daß diese Auffassung viele Anhänger zählt. Vor allem unter
den unternehmungslustigen Leuten. Was diese ihre Kunstinstitute nennen, ist
wirklich sehr oft nichts andres als ein Vergnügungslocal niedrigsten Ranges,
eine Brutstätte aller erdenklichen schlechten Sitten, im besseren Falle nicht selten
ein sich gut rentirendes Industrie-Unternehmen.
Allein wir sind der Ansicht, daß der Staat Recht und Pflicht habe, der¬
gleichen Institute unter einem andern Gesichtspunkte zu betrachten. Die Censur
übt ihnen gegenüber ihr Amt aus, wie die Gesundheitspolizei gegenüber den
Wirthen und Händlern mit Lebensmitteln, und wenn sie die Verbreitung ver¬
dorbener, vergifteter Kost verhindert, so darf sie sich dabei von dem Gerede des
vulgären Journalismus nicht beirren lassen. Doch ist das nicht genug. Die
Behörde sollte sich auch die Gewißheit verschaffen, daß ein Theaterdirektor die
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