Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Vic politischen Parteien und ihr Linflnsj uns Justiz und verwaltnng^ jenige kennt, der sich mit den englischen Zuständen näher beschäftigt oder das Zu den von Lord Brougham geschilderten chronischen Krankheiten treten Die Parteiherrschaft aber kann sich nur dadurch erhalten, daß sie die An¬ Vic politischen Parteien und ihr Linflnsj uns Justiz und verwaltnng^ jenige kennt, der sich mit den englischen Zuständen näher beschäftigt oder das Zu den von Lord Brougham geschilderten chronischen Krankheiten treten Die Parteiherrschaft aber kann sich nur dadurch erhalten, daß sie die An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151223"/> <fw type="header" place="top"> Vic politischen Parteien und ihr Linflnsj uns Justiz und verwaltnng^</fw><lb/> <p xml:id="ID_1642" prev="#ID_1641"> jenige kennt, der sich mit den englischen Zuständen näher beschäftigt oder das<lb/> Unglück hat, in England einen Proceß zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1643"> Zu den von Lord Brougham geschilderten chronischen Krankheiten treten<lb/> aber noch acute Erscheinungen mancher Art. Die Partciherrschaft erzeugt den<lb/> Parteigeist und das FaetionSwescu. Wie das letztere oft zum Umsturz von<lb/> Thron und Staat geführt hat, soll sihr nur erwähnt werden. Der Parteigeist<lb/> aber scheut sich nicht, Mittel aller Art in Bewegung zu setzen, um seine An¬<lb/> hänger in das Parlament zu wählen und so die öffentliche Meinung zu fälschen.<lb/> Ju Frankreich hat die jedesmalige am Ruder befindliche Regierung es nur in<lb/> den seltensten Fällen nicht verstanden, sich ein ihr gefügiges Parlament zu<lb/> schaffen, und die Revolutionen sind in der Regel zu einer Zeit ausgebrochen,<lb/> in welcher sich das Ministerium des besten Einverständnisses mit der Volks¬<lb/> vertretung erfreute. Die Centralisation der Verwaltung, wie sie von Napoleon I.<lb/> geschaffen worden war, ermöglichte mich den verschiedensten aufeinander folgenden<lb/> Parteien, sich des ganzen Apparates zu ihrem Zwecke dienstbar zu machen, und<lb/> so hat auch keine der Republiken daran gedacht, hier Wandel zu schaffen. Die<lb/> Folgen der parlamentarische!, Herrschaft liegen in Frankreich zu klar zu Tage,<lb/> sind so sehr von den Zeitgenossen miterlebt worden, als daß es einer genauen<lb/> Darlegung der Verhältnisse bedürfte. Auch der Kanzler hat sie in seiner Rede<lb/> nur angedentet. Interessant ist hier nur die eine Erscheinung, wie sich bei dem<lb/> Mangel einer ständigen und widerstandsfähigen Herrschergewalt unter der Herr¬<lb/> schaft der Liberalen dieselben sich immer mehr nach links verschieben, wie dem<lb/> Ministerium! Dnfvure das von Waddington, auf diesen Freycinet, dann Ferry<lb/> folgte, bis es endlich an Herrn Gambetta gelangt ist, dem gegenüber sich be¬<lb/> reits Clcmenecau und die Comniuuarden zur Nachfolge rüsten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1644" next="#ID_1645"> Die Parteiherrschaft aber kann sich nur dadurch erhalten, daß sie die An¬<lb/> hänger zu locken und durch Vortheile zu erhalten versteht. Die Folgen des<lb/> Parteiregiments sind nach dieser Richtung in einer unerschöpflichen Fülle in den<lb/> Vereinigten Staaten von Amerika sichtbar, wo der oberste Parteigrundsatz ist, daß<lb/> dem Sieger die Beute gehöre. Die Corruption, welche bereits Toqueville geschildert<lb/> hat, ist seitdem ins maßlose gestiegen. Zwischen Parteien und Wahlcandidaten be¬<lb/> finden sich jetzt die sog. politica»«, d. h. Leute, welche mit Schaaren von An¬<lb/> hängern Stadt und Land durchziehe», werben, täuschen und bedrohen, bis sich<lb/> der Wähler in ihre Arme wirft. Solcher Eifer muß nachträglich natürlich von<lb/> den Gewählten wieder belohnt werden, und so entstehen dann die besonderen<lb/> Vereinigungen (riuks) zur Ausbeutung des Wahlsieges, welche sich nur mit der<lb/> vÄinorrg. oder unten in Italien vergleichen lassen. Keine Partei ist hier makel¬<lb/> los; es darf mir an die Grantsche Bereicherungsverivaltnng erinnert werden.<lb/> Selbst der ehrenwerthe Abraham Lincoln sah sich genöthigt, dem Drängen der<lb/> Partei nachzugebe» und Cameron, einen zweiten Verres, in dem Staatsdienste<lb/> anzustellen. Präsident Garfield mußte sein Widerstreben mit dem Tode be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Vic politischen Parteien und ihr Linflnsj uns Justiz und verwaltnng^
jenige kennt, der sich mit den englischen Zuständen näher beschäftigt oder das
Unglück hat, in England einen Proceß zu haben.
Zu den von Lord Brougham geschilderten chronischen Krankheiten treten
aber noch acute Erscheinungen mancher Art. Die Partciherrschaft erzeugt den
Parteigeist und das FaetionSwescu. Wie das letztere oft zum Umsturz von
Thron und Staat geführt hat, soll sihr nur erwähnt werden. Der Parteigeist
aber scheut sich nicht, Mittel aller Art in Bewegung zu setzen, um seine An¬
hänger in das Parlament zu wählen und so die öffentliche Meinung zu fälschen.
Ju Frankreich hat die jedesmalige am Ruder befindliche Regierung es nur in
den seltensten Fällen nicht verstanden, sich ein ihr gefügiges Parlament zu
schaffen, und die Revolutionen sind in der Regel zu einer Zeit ausgebrochen,
in welcher sich das Ministerium des besten Einverständnisses mit der Volks¬
vertretung erfreute. Die Centralisation der Verwaltung, wie sie von Napoleon I.
geschaffen worden war, ermöglichte mich den verschiedensten aufeinander folgenden
Parteien, sich des ganzen Apparates zu ihrem Zwecke dienstbar zu machen, und
so hat auch keine der Republiken daran gedacht, hier Wandel zu schaffen. Die
Folgen der parlamentarische!, Herrschaft liegen in Frankreich zu klar zu Tage,
sind so sehr von den Zeitgenossen miterlebt worden, als daß es einer genauen
Darlegung der Verhältnisse bedürfte. Auch der Kanzler hat sie in seiner Rede
nur angedentet. Interessant ist hier nur die eine Erscheinung, wie sich bei dem
Mangel einer ständigen und widerstandsfähigen Herrschergewalt unter der Herr¬
schaft der Liberalen dieselben sich immer mehr nach links verschieben, wie dem
Ministerium! Dnfvure das von Waddington, auf diesen Freycinet, dann Ferry
folgte, bis es endlich an Herrn Gambetta gelangt ist, dem gegenüber sich be¬
reits Clcmenecau und die Comniuuarden zur Nachfolge rüsten.
Die Parteiherrschaft aber kann sich nur dadurch erhalten, daß sie die An¬
hänger zu locken und durch Vortheile zu erhalten versteht. Die Folgen des
Parteiregiments sind nach dieser Richtung in einer unerschöpflichen Fülle in den
Vereinigten Staaten von Amerika sichtbar, wo der oberste Parteigrundsatz ist, daß
dem Sieger die Beute gehöre. Die Corruption, welche bereits Toqueville geschildert
hat, ist seitdem ins maßlose gestiegen. Zwischen Parteien und Wahlcandidaten be¬
finden sich jetzt die sog. politica»«, d. h. Leute, welche mit Schaaren von An¬
hängern Stadt und Land durchziehe», werben, täuschen und bedrohen, bis sich
der Wähler in ihre Arme wirft. Solcher Eifer muß nachträglich natürlich von
den Gewählten wieder belohnt werden, und so entstehen dann die besonderen
Vereinigungen (riuks) zur Ausbeutung des Wahlsieges, welche sich nur mit der
vÄinorrg. oder unten in Italien vergleichen lassen. Keine Partei ist hier makel¬
los; es darf mir an die Grantsche Bereicherungsverivaltnng erinnert werden.
Selbst der ehrenwerthe Abraham Lincoln sah sich genöthigt, dem Drängen der
Partei nachzugebe» und Cameron, einen zweiten Verres, in dem Staatsdienste
anzustellen. Präsident Garfield mußte sein Widerstreben mit dem Tode be-
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