Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Die Juden in Rumänien, herbei, giebt ihm, immer auf Credit, Schnaps zu trinken und richtet es so ein, Die Emancipation der Juden hat sich kaum theilweise vollzogen, und schon In einem andern Capitel erzählt der Verfasser: "Wir waren (auf dem Wege Die Juden in Rumänien, herbei, giebt ihm, immer auf Credit, Schnaps zu trinken und richtet es so ein, Die Emancipation der Juden hat sich kaum theilweise vollzogen, und schon In einem andern Capitel erzählt der Verfasser: „Wir waren (auf dem Wege <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151203"/> <fw type="header" place="top"> Die Juden in Rumänien,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1577" prev="#ID_1576"> herbei, giebt ihm, immer auf Credit, Schnaps zu trinken und richtet es so ein,<lb/> daß die Rechmmgen sich ausgleichen, und daß der Bauer, zwar stumpfsinnig ge¬<lb/> worden durch das Trinken und erschöpft von der Plackerei, vergnügt ist, wenigstens keine<lb/> Schulden mehr zu haben. In dieser Weise ist das rumänische Landvolk herunter¬<lb/> gekommen, obwohl diese Leute aufgeweckter und vielfach besser begabt als ihre<lb/> Nachbarn sind, obwohl sie Geschick zu den verschiedensten Handwerken, eine leb¬<lb/> hafte Phantasie und eine fast unvergleichliche Hingebung haben, die sich auf deu<lb/> Schlachtfeldern des letzte» Krieges glänzend bewährt hat. Sie sind dnrch die schlechte<lb/> Ernährungsweise zu Schwächlingen geworden, stumpf und gleichgiltig infolge ihres<lb/> Elends, Fatalisten ohne Hoffnung nud Streben, ohne Bildung und Wissen....</p><lb/> <p xml:id="ID_1578"> Die Emancipation der Juden hat sich kaum theilweise vollzogen, und schon<lb/> sind sie fast im ganzen Norden der Moldau die Herren, und der rumänische Bauer<lb/> ist mir noch ein Werkzeug in ihren Händen. Zu Sascnt führte der technische<lb/> Leiter der dortigen Zuckerfabrik mich in der Umgebung umher. Vor einen: kleinen<lb/> Pachthause ließ er unser Fuhrwerk halt machen. Im Hofe desselben erhoben sich<lb/> ans dem Boden zwei Pfosten, die einer großen russischen Schaukel (serMeiobnw),<lb/> wie mau sie auf unsern Jahrmärkten sieht, als Stützen dienten. Die Bauern kommen<lb/> an Festtagen hierher, um sich zu schaukeln; denn dieses ist eines von ihren Lieb¬<lb/> lingsvergnügen. Wie überall, ist's mich hier ein Jude, welcher diese Radschankel<lb/> in der Nähe seiner Branntweinschenke aufgestellt hat. Er trägt schwarze Bein-<lb/> kleider und eine bis an den Hals zugeknöpfte Weste, und den Kopf bedeckt ein<lb/> schwarzes Snmmctknppchcn. Ueber die Brust fließt ihm ein Vollbart herab. Dies<lb/> ist die Tracht aller jüdischen Schenkwirthe in den Städten wie auf dem Lande.<lb/> Die Frau sitzt unter dein Dache der Galerie, welche das Hans umgiebt; sie hat<lb/> neben sich eine Bäuerin, welche die Kleidungsstücke der Familie ausbessere. Der<lb/> Jude nähert sich unserm Wagen, nachdem er zwei Bauern herbeigerufen, die ans<lb/> seinem Maisfelde mit Jäten beschäftigt sind. Sie kommen herzugelaufen. Während<lb/> der eine die Sitze an das große Rad der Schaukel befestigt, die, mit Stricken um¬<lb/> geben, als Schwerte dienen, und uns zeigt, wie die Maschine sich bewegt, bringt<lb/> uns der andre auf einem Präsentirbrete äulesti als trÄlläe^diri, einen dicken Sirup<lb/> aus eingekochten Rosenblättern. Der Bauer geht leicht gebückt einher, ohne etwas<lb/> von seiner stattlichen Größe zu verlieren. Seine Hüften umspannt ein breiter<lb/> Gürtel von Leder. Mit seineu über der Stirn gerade verschnittenen Haaren, seinen<lb/> schweren brannen Locken, die ihm zu beiden Seiten auf die Schulter fallen, seiner<lb/> großen Adlernase, seinem gewaltigen Schnurrbärte könnte er einem Maler als<lb/> Modell zu einem Krieger aus der Zeit der Kreuzfahrer dienen. »Sie sehen, wie<lb/> gelehrig und dienstfertig diese Leute sind, sagte der Ingenieur zu mir, und Sie<lb/> werden das allenthalben sehen: beim Juden trinken sie, bei ihm vergnügen sie sich.<lb/> Wenn sie Geld brauchen, leiht ers ihnen, und so stehen sie ihm immer zu Diensten.<lb/> Sie leben in gutem Einvernehmen mit ihm. Der Bauer keimt kein Mißtrauen,<lb/> und wird er übers Ohr gehauen, so merkt ers in der Regel erst, wenn es zu<lb/> spät ist.«"</p><lb/> <p xml:id="ID_1579" next="#ID_1580"> In einem andern Capitel erzählt der Verfasser: „Wir waren (auf dem Wege<lb/> von Agapia nach Piatra) vor einem einsam im Gefilde liegenden Hause angekommen,<lb/> vor dem mehrere Karren halt gemacht hatten. Wir traten ein und fanden eine<lb/> aus drei niedrigen Stübchen bestehende Wohnung, in der sich eine Schankwirth-<lb/> schaft bcfmid. In einem kleinen Breterkäfig saß ein alter Jude, der eine bis an<lb/> den Hals zugeknöpfte Weste und ein schwarzes Snmmetkäppchen trug. Er hatte<lb/> vor sich eine Sammlung von Flaschen und Caraffen mit Liqueuren stehe» und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0481]
Die Juden in Rumänien,
herbei, giebt ihm, immer auf Credit, Schnaps zu trinken und richtet es so ein,
daß die Rechmmgen sich ausgleichen, und daß der Bauer, zwar stumpfsinnig ge¬
worden durch das Trinken und erschöpft von der Plackerei, vergnügt ist, wenigstens keine
Schulden mehr zu haben. In dieser Weise ist das rumänische Landvolk herunter¬
gekommen, obwohl diese Leute aufgeweckter und vielfach besser begabt als ihre
Nachbarn sind, obwohl sie Geschick zu den verschiedensten Handwerken, eine leb¬
hafte Phantasie und eine fast unvergleichliche Hingebung haben, die sich auf deu
Schlachtfeldern des letzte» Krieges glänzend bewährt hat. Sie sind dnrch die schlechte
Ernährungsweise zu Schwächlingen geworden, stumpf und gleichgiltig infolge ihres
Elends, Fatalisten ohne Hoffnung nud Streben, ohne Bildung und Wissen....
Die Emancipation der Juden hat sich kaum theilweise vollzogen, und schon
sind sie fast im ganzen Norden der Moldau die Herren, und der rumänische Bauer
ist mir noch ein Werkzeug in ihren Händen. Zu Sascnt führte der technische
Leiter der dortigen Zuckerfabrik mich in der Umgebung umher. Vor einen: kleinen
Pachthause ließ er unser Fuhrwerk halt machen. Im Hofe desselben erhoben sich
ans dem Boden zwei Pfosten, die einer großen russischen Schaukel (serMeiobnw),
wie mau sie auf unsern Jahrmärkten sieht, als Stützen dienten. Die Bauern kommen
an Festtagen hierher, um sich zu schaukeln; denn dieses ist eines von ihren Lieb¬
lingsvergnügen. Wie überall, ist's mich hier ein Jude, welcher diese Radschankel
in der Nähe seiner Branntweinschenke aufgestellt hat. Er trägt schwarze Bein-
kleider und eine bis an den Hals zugeknöpfte Weste, und den Kopf bedeckt ein
schwarzes Snmmctknppchcn. Ueber die Brust fließt ihm ein Vollbart herab. Dies
ist die Tracht aller jüdischen Schenkwirthe in den Städten wie auf dem Lande.
Die Frau sitzt unter dein Dache der Galerie, welche das Hans umgiebt; sie hat
neben sich eine Bäuerin, welche die Kleidungsstücke der Familie ausbessere. Der
Jude nähert sich unserm Wagen, nachdem er zwei Bauern herbeigerufen, die ans
seinem Maisfelde mit Jäten beschäftigt sind. Sie kommen herzugelaufen. Während
der eine die Sitze an das große Rad der Schaukel befestigt, die, mit Stricken um¬
geben, als Schwerte dienen, und uns zeigt, wie die Maschine sich bewegt, bringt
uns der andre auf einem Präsentirbrete äulesti als trÄlläe^diri, einen dicken Sirup
aus eingekochten Rosenblättern. Der Bauer geht leicht gebückt einher, ohne etwas
von seiner stattlichen Größe zu verlieren. Seine Hüften umspannt ein breiter
Gürtel von Leder. Mit seineu über der Stirn gerade verschnittenen Haaren, seinen
schweren brannen Locken, die ihm zu beiden Seiten auf die Schulter fallen, seiner
großen Adlernase, seinem gewaltigen Schnurrbärte könnte er einem Maler als
Modell zu einem Krieger aus der Zeit der Kreuzfahrer dienen. »Sie sehen, wie
gelehrig und dienstfertig diese Leute sind, sagte der Ingenieur zu mir, und Sie
werden das allenthalben sehen: beim Juden trinken sie, bei ihm vergnügen sie sich.
Wenn sie Geld brauchen, leiht ers ihnen, und so stehen sie ihm immer zu Diensten.
Sie leben in gutem Einvernehmen mit ihm. Der Bauer keimt kein Mißtrauen,
und wird er übers Ohr gehauen, so merkt ers in der Regel erst, wenn es zu
spät ist.«"
In einem andern Capitel erzählt der Verfasser: „Wir waren (auf dem Wege
von Agapia nach Piatra) vor einem einsam im Gefilde liegenden Hause angekommen,
vor dem mehrere Karren halt gemacht hatten. Wir traten ein und fanden eine
aus drei niedrigen Stübchen bestehende Wohnung, in der sich eine Schankwirth-
schaft bcfmid. In einem kleinen Breterkäfig saß ein alter Jude, der eine bis an
den Hals zugeknöpfte Weste und ein schwarzes Snmmetkäppchen trug. Er hatte
vor sich eine Sammlung von Flaschen und Caraffen mit Liqueuren stehe» und
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