Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Aur socialen Frage. und Pamfili-Doria fast wie öffentliches Eigenthum betrachtet werden können, daß Das Beispiel des heutige" Italiens ist in der That sehr beachtenswerth. Es hat sich bei der Vergleichung mit den Zuständen der römische" Kaiser¬ Doch fahren wir fort in der Vergleichung beider Perioden. Rom war bis Aur socialen Frage. und Pamfili-Doria fast wie öffentliches Eigenthum betrachtet werden können, daß Das Beispiel des heutige» Italiens ist in der That sehr beachtenswerth. Es hat sich bei der Vergleichung mit den Zuständen der römische» Kaiser¬ Doch fahren wir fort in der Vergleichung beider Perioden. Rom war bis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151178"/> <fw type="header" place="top"> Aur socialen Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1500" prev="#ID_1499"> und Pamfili-Doria fast wie öffentliches Eigenthum betrachtet werden können, daß<lb/> so viele Kunstsammlungen im Besitze patrizischer Familien jedermann zugänglich<lb/> sind, oder daß ein Herzog Galliera seiner Vaterstadt Genna zweimal je 20 Mil¬<lb/> lionen für Hafenbauten geschenkt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501"> Das Beispiel des heutige» Italiens ist in der That sehr beachtenswerth.<lb/> Es hat mich in diesem Lande, wo die meisten Reisenden nur auf Kunst- und<lb/> Naturgenuß ausgehen, nichts mehr betroffen als der demokratische Charakter<lb/> der bürgerlichen Gesellschaft. Der Conte, der Marchese, der Duca und Principe<lb/> leben in und mit dem Volke auf der Straße, im Caso; sie rauchen dieselbe<lb/> schlechte Cigarre wie der gemeine Mann, sie sitzen im Stadtrath, sind Bürger¬<lb/> meister, sind Mitglieder aller politischen Vereine, reden in den Volksversamm¬<lb/> lungen. In Bergamo sitzen mehr als zwanzig Grafen im Stadtrath; der ra¬<lb/> dikale Pvdesta, von Neapel war Duca ti S. Donato, der jetzige ist Conte Ginsso z<lb/> in Florenz war es Peruzzi ans einer der berühmtesten Familien der Republik.<lb/> So angenehm dies alles das Leben in Italien macht, so konnte ich mir doch<lb/> nicht verbergen, daß es ein Nachtheil für das Fortschreiten des Landes ist.<lb/> Weil nämlich die Aristokratie so populär ist, so denkt niemand daran, ihr ihre<lb/> Vorrechte streitig zu machen. Bei uns war der Adel gehaßt, und alle, Bauern,<lb/> Bürger und Wissenschaft, führten den Kampf gegen seine Vorrechte. In Italien<lb/> scheint das Volk sich dieser Vorrechte kaum bewußt zu sein. Der Besitz der<lb/> todten Hand, die Fideieommisse, die Latifnndien, jene tödtliche Erbkrankheit<lb/> Italiens, sind unangefochten und werden es bleiben, bis eine große sociale<lb/> Krise eintreten wird. Dies im Vorübergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1502"> Es hat sich bei der Vergleichung mit den Zuständen der römische» Kaiser¬<lb/> zeit gezeigt, daß die heutige» Riesenvermögen die damaligen an Größe über¬<lb/> treffen, daß sie wirthschaftlich nachtheiliger wirken, daß diese Wirkungen von<lb/> unserm freien Volke tiefer empfunden werden und mehr zum Bewußtsein kommen<lb/> als im Sklavenstaate Rom, und daß nur das bedeutende Correctiv gänzlich mangelt,<lb/> welches Rom in der großartigen Liberalität seiner reichen Bürger besaß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1503" next="#ID_1504"> Doch fahren wir fort in der Vergleichung beider Perioden. Rom war bis<lb/> zum Beginn seiner Eroberungen in Griechenland und Asien — Anfang des<lb/> 2. Jahrh, v. Chr. — ein verhältnißmäßig armer Staat von einfachen Sitten.<lb/> Erst die Berührung mit griechischer und asiatischer Ueppigkeit und das Zuströmen<lb/> der Schütze des Orients nach Rom hatte bei gleichzeitiger Verarmung des<lb/> Volkes die Entstehung ungeheurer Vermögen zur Folge. Aber es waren an¬<lb/> fangs doch nur die politischen Mäuner, die Eroberer des Orients, welche sich<lb/> zu Nabobs erhoben, und das Volk, das in dem stolzen Gefühl der Sieges-<lb/> trunkcnheit schwelgte, konnte sich an dem Glänze, in dem seine großen Männer<lb/> strahlten, erfreuen und ihn ohne Neid betrachten. Ja es konnte sich sogar<lb/> glücklich preisen, wenn Schätze, die großentheils bisher in den Schatzkammern<lb/> orientalischer Fürsten oder in Tempeln müßig und ohne Nutzen für die Welt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Aur socialen Frage.
und Pamfili-Doria fast wie öffentliches Eigenthum betrachtet werden können, daß
so viele Kunstsammlungen im Besitze patrizischer Familien jedermann zugänglich
sind, oder daß ein Herzog Galliera seiner Vaterstadt Genna zweimal je 20 Mil¬
lionen für Hafenbauten geschenkt hat.
Das Beispiel des heutige» Italiens ist in der That sehr beachtenswerth.
Es hat mich in diesem Lande, wo die meisten Reisenden nur auf Kunst- und
Naturgenuß ausgehen, nichts mehr betroffen als der demokratische Charakter
der bürgerlichen Gesellschaft. Der Conte, der Marchese, der Duca und Principe
leben in und mit dem Volke auf der Straße, im Caso; sie rauchen dieselbe
schlechte Cigarre wie der gemeine Mann, sie sitzen im Stadtrath, sind Bürger¬
meister, sind Mitglieder aller politischen Vereine, reden in den Volksversamm¬
lungen. In Bergamo sitzen mehr als zwanzig Grafen im Stadtrath; der ra¬
dikale Pvdesta, von Neapel war Duca ti S. Donato, der jetzige ist Conte Ginsso z
in Florenz war es Peruzzi ans einer der berühmtesten Familien der Republik.
So angenehm dies alles das Leben in Italien macht, so konnte ich mir doch
nicht verbergen, daß es ein Nachtheil für das Fortschreiten des Landes ist.
Weil nämlich die Aristokratie so populär ist, so denkt niemand daran, ihr ihre
Vorrechte streitig zu machen. Bei uns war der Adel gehaßt, und alle, Bauern,
Bürger und Wissenschaft, führten den Kampf gegen seine Vorrechte. In Italien
scheint das Volk sich dieser Vorrechte kaum bewußt zu sein. Der Besitz der
todten Hand, die Fideieommisse, die Latifnndien, jene tödtliche Erbkrankheit
Italiens, sind unangefochten und werden es bleiben, bis eine große sociale
Krise eintreten wird. Dies im Vorübergehen.
Es hat sich bei der Vergleichung mit den Zuständen der römische» Kaiser¬
zeit gezeigt, daß die heutige» Riesenvermögen die damaligen an Größe über¬
treffen, daß sie wirthschaftlich nachtheiliger wirken, daß diese Wirkungen von
unserm freien Volke tiefer empfunden werden und mehr zum Bewußtsein kommen
als im Sklavenstaate Rom, und daß nur das bedeutende Correctiv gänzlich mangelt,
welches Rom in der großartigen Liberalität seiner reichen Bürger besaß.
Doch fahren wir fort in der Vergleichung beider Perioden. Rom war bis
zum Beginn seiner Eroberungen in Griechenland und Asien — Anfang des
2. Jahrh, v. Chr. — ein verhältnißmäßig armer Staat von einfachen Sitten.
Erst die Berührung mit griechischer und asiatischer Ueppigkeit und das Zuströmen
der Schütze des Orients nach Rom hatte bei gleichzeitiger Verarmung des
Volkes die Entstehung ungeheurer Vermögen zur Folge. Aber es waren an¬
fangs doch nur die politischen Mäuner, die Eroberer des Orients, welche sich
zu Nabobs erhoben, und das Volk, das in dem stolzen Gefühl der Sieges-
trunkcnheit schwelgte, konnte sich an dem Glänze, in dem seine großen Männer
strahlten, erfreuen und ihn ohne Neid betrachten. Ja es konnte sich sogar
glücklich preisen, wenn Schätze, die großentheils bisher in den Schatzkammern
orientalischer Fürsten oder in Tempeln müßig und ohne Nutzen für die Welt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |