Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.La halbasiatischer Roman, trauen. Da sich kein andrer für dieses heilige Amt gefunden, so werde ich es Dem Verfasser des Romans "Ein Kampf ums Recht" truü die Aehn- Ein zweites Mittel, welches Franzos angewendet, um seinen Helden weit La halbasiatischer Roman, trauen. Da sich kein andrer für dieses heilige Amt gefunden, so werde ich es Dem Verfasser des Romans „Ein Kampf ums Recht" truü die Aehn- Ein zweites Mittel, welches Franzos angewendet, um seinen Helden weit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151147"/> <fw type="header" place="top"> La halbasiatischer Roman,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1403" prev="#ID_1402"> trauen. Da sich kein andrer für dieses heilige Amt gefunden, so werde ich es<lb/> übernehmen und sichren, so lange ich es vermag!" verkündigt Taras Barabola<lb/> der versammelten Dorfgemeinde von Zulawce. Bis auf den Todestrost ist die<lb/> Entwicklung des innern Schicksals der beiden die gleiche: Kvhlhas, dem auf dem<lb/> Richtplatz sein Rappenpaar, das ihm der Junker von Tronka wiederum fett¬<lb/> füttern müsse», die Seele erquickt, und Taras, welcher ans dem Wege zur Richt-<lb/> stätte seinem Beichtiger froh zuruft: „Ohne mich erfreute sich die Gemeinde nicht<lb/> wieder ihres Ackers und eines menschlich gesinnten Mandatars" ende» bei¬<lb/> nahe in derselben Seelenstimmung. Gleichwohl bleiben in dem, was zwischen den<lb/> Anfängen der Erzählung und des Romans und zwischen den Ausgängen beider<lb/> liegt, sehr bedeutsame Verschiedenheiten vorhanden, welche nicht bloß in den ver-<lb/> schiednen Zeit- und Localverhältnisse» ihre Begründung finde».</p><lb/> <p xml:id="ID_1404"> Dem Verfasser des Romans „Ein Kampf ums Recht" truü die Aehn-<lb/> lichkeit seines Stoffes (der sicher zu einem guten Theil, wir wissen nicht, soll<lb/> man sagen historisch oder actenmäßig ist) mit Kleists Novelleustoff nicht ent¬<lb/> gangen sein. Er hat gefühlt, daß der Decorationswechsel zwischen den ober¬<lb/> sächsischen Landschaften an der Elbe und Mulde und zwischen der galizisch-buko-<lb/> winischcn Landschaft seiner Arbeit nicht ausreichen würde, um seinem Roman<lb/> eine selbständige Bedeutung zu geben. Er hat eine tiefere psychologische Be¬<lb/> gründung und eine wesentliche Abweichung seines Taras vom Kvhlhas des Kleist<lb/> in der Charakteristik erstrebt. Während Michael Kohlhas einfach nur als ein<lb/> rechtschaffener, arbeitsamer, gottesfürchtiger Roßkamm geschildert ist, versucht<lb/> Franzos seinem Helden einen stärkeren inneren Gehalt zu geben und webt ihm<lb/> einen Heiligenschein ums Haupt. Die überstarke Betonung des mild-demiithige»,<lb/> friedfertigen, kindlich reinen u»d leidenschaftslose» Podoliers bringt freilich el»e»<lb/> wirksamen Gegensatz zu den: spätern unbeugsame» Hajdamakm-Hetman hervor,<lb/> der als Rächer überall deu Tod verhängt, aber erweckt im Leser gerechte Zweifel,<lb/> ob in einer solchen Natur keine Erwägung der Billigkeit und der „Gebrechlichkeit<lb/> der Welt" Raum habe. Wenn der ruthenische Beamte, Herr Vroza in Wien,<lb/> an welche» Dr. Starkowski in Kolomea den Taras empfohlen und gewiesen, sich<lb/> fast blasphemisch bis dahin versteigt, Taras Barabola einen „Christusmenschen"<lb/> zu nennen und wenn der Pope Leo von ihm rühmt, daß Taras der reinste<lb/> Christ sei, den er kenne, so wandelt »»s unwillkürlich der Wunsch an, daß diese<lb/> Natur auch etwas von dem stilleren Gottvertrauen einer so gestimmten Seele<lb/> haben möchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405" next="#ID_1406"> Ein zweites Mittel, welches Franzos angewendet, um seinen Helden weit<lb/> interessanter und wirksamer erscheinen zu lassen als Kohlhas, ist die starke Reflexion<lb/> und die lebendige Veredtsamkeit, durch die sich Taras Barabola auszeichnet. Die<lb/> große Rede, welche er vor der Gemeindeversammlung von Zulawee vor seinem<lb/> Ausbruch in den Bergwald hält, die Beredtsamkeit, die er später bei verschiedenen<lb/> Anlässen und zuletzt noch dem Anwalt Dr. Starkowski gegenüber entwickelt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0425]
La halbasiatischer Roman,
trauen. Da sich kein andrer für dieses heilige Amt gefunden, so werde ich es
übernehmen und sichren, so lange ich es vermag!" verkündigt Taras Barabola
der versammelten Dorfgemeinde von Zulawce. Bis auf den Todestrost ist die
Entwicklung des innern Schicksals der beiden die gleiche: Kvhlhas, dem auf dem
Richtplatz sein Rappenpaar, das ihm der Junker von Tronka wiederum fett¬
füttern müsse», die Seele erquickt, und Taras, welcher ans dem Wege zur Richt-
stätte seinem Beichtiger froh zuruft: „Ohne mich erfreute sich die Gemeinde nicht
wieder ihres Ackers und eines menschlich gesinnten Mandatars" ende» bei¬
nahe in derselben Seelenstimmung. Gleichwohl bleiben in dem, was zwischen den
Anfängen der Erzählung und des Romans und zwischen den Ausgängen beider
liegt, sehr bedeutsame Verschiedenheiten vorhanden, welche nicht bloß in den ver-
schiednen Zeit- und Localverhältnisse» ihre Begründung finde».
Dem Verfasser des Romans „Ein Kampf ums Recht" truü die Aehn-
lichkeit seines Stoffes (der sicher zu einem guten Theil, wir wissen nicht, soll
man sagen historisch oder actenmäßig ist) mit Kleists Novelleustoff nicht ent¬
gangen sein. Er hat gefühlt, daß der Decorationswechsel zwischen den ober¬
sächsischen Landschaften an der Elbe und Mulde und zwischen der galizisch-buko-
winischcn Landschaft seiner Arbeit nicht ausreichen würde, um seinem Roman
eine selbständige Bedeutung zu geben. Er hat eine tiefere psychologische Be¬
gründung und eine wesentliche Abweichung seines Taras vom Kvhlhas des Kleist
in der Charakteristik erstrebt. Während Michael Kohlhas einfach nur als ein
rechtschaffener, arbeitsamer, gottesfürchtiger Roßkamm geschildert ist, versucht
Franzos seinem Helden einen stärkeren inneren Gehalt zu geben und webt ihm
einen Heiligenschein ums Haupt. Die überstarke Betonung des mild-demiithige»,
friedfertigen, kindlich reinen u»d leidenschaftslose» Podoliers bringt freilich el»e»
wirksamen Gegensatz zu den: spätern unbeugsame» Hajdamakm-Hetman hervor,
der als Rächer überall deu Tod verhängt, aber erweckt im Leser gerechte Zweifel,
ob in einer solchen Natur keine Erwägung der Billigkeit und der „Gebrechlichkeit
der Welt" Raum habe. Wenn der ruthenische Beamte, Herr Vroza in Wien,
an welche» Dr. Starkowski in Kolomea den Taras empfohlen und gewiesen, sich
fast blasphemisch bis dahin versteigt, Taras Barabola einen „Christusmenschen"
zu nennen und wenn der Pope Leo von ihm rühmt, daß Taras der reinste
Christ sei, den er kenne, so wandelt »»s unwillkürlich der Wunsch an, daß diese
Natur auch etwas von dem stilleren Gottvertrauen einer so gestimmten Seele
haben möchte.
Ein zweites Mittel, welches Franzos angewendet, um seinen Helden weit
interessanter und wirksamer erscheinen zu lassen als Kohlhas, ist die starke Reflexion
und die lebendige Veredtsamkeit, durch die sich Taras Barabola auszeichnet. Die
große Rede, welche er vor der Gemeindeversammlung von Zulawee vor seinem
Ausbruch in den Bergwald hält, die Beredtsamkeit, die er später bei verschiedenen
Anlässen und zuletzt noch dem Anwalt Dr. Starkowski gegenüber entwickelt,
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