Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin halbasiatischcr Ro!na".

ist es Taras Barabola, der zwei-, drei- viermal zum Nachgeben räth und
mit seinem Einfluß den des alten Richters Stefan besiegt. Als dieser infolge
einer Verwundung auf der Bärenjagd stirbt, nimmt er auf dem Todtenbette
Taras, welcher voraussichtlich sein Nachfolger sein wird, den Schwur ab, für die
Rechte der Gemeinde einzustehen. "Halte fest an unsern Rechten, wahre sie
gegen den Dränger, dulde nicht, daß uns freien Männern ein Joch auf den
Nacken gelegt wird. Versprich mir, nicht friedfertig zu bleiben, wo es gilt, das
Recht zu erstreiten." Nur zu bald kommt Taras in die Lage, seinen Schwur
einzulösen. Wenzel Hajek, der nimmer rastende, reißt ein Stück des Gemeiude-
ackers für den Grafen um sich, da die Bauern in einer unglücklichen Stunde
das Grcnzkrcuz verrückt haben. Die Insassen von Znlawec, als heißblutige
Huzulen, würden ohne weiteres Gewalt mit Gewalt vertreiben und dabei wahr¬
scheinlich obsiegen -- Richter Taras aber setzt seinen ganzen Einfluß daran,
daß sie den Rechtsweg beschreiten. Mit Hilfe von Bestechungen, Meineiden und
allen Schttödigkeitcn, welche im Streit um Mein und Dein Raum haben, gewinnt
Herr Wenzel Hajek den Proceß. Für Taras wird dieser Ausgang zum tragischen
Verhängniß. Wie eine Instanz nach der andern keine Entscheidung zu Gunsten
des klaren Rechts bringt, wie des Kaisers Schreiber dem tückischen Mandatar
das gestohlene Gut zusprechen, kommt Taras' Glauben an die sittliche Welt-
ordnung ins Wanken, und der finstere Entschluß, in seinem Kreise aus eigner
Kraft das Recht wiederum herzustellen, dämmert in ihm empor. Seine Lebens-
freudigkeit ist dahin -- bis zum äußersten aber klammert er sich an jede Mög¬
lichkeit, die auch für ihn selbst noch Rettung werden könnte. Ohne ein Wort
einer andern Sprache als sein heimatliches Rutheuisch zu verstehen, unternimmt
er die weite Reise nach Wien und erreicht, standhaft und ehern hartnäckig, eine
Audienz bei Kaiser Ferdinand. Hier aber entschwindet ihm die letzte Hoffnung,
ehe der ungünstige abweisende Bescheid der kaiserlichen Gnadeninstanz da ist.
Er hat erkannt, daß der schwache, kränkliche Monarch, der im Audienzsaale die
Bittgesuche durch seinen Onkel, Erzherzog Ludwig, einsammeln läßt und sich,
als er ihn endlich selbst erreicht hat, nur für seine rnthcnische Tracht, seinen
Schafpelz und seine Stiefeln interessirt, nicht der Kaiser sein kann, von dein er
geträumt hat, der "Stellvertreter Gottes auf Erden ist und das Recht schützt."
Er kehrt nach Zulawce zu den Seinen zurück und betrachtet seinen erstgefaßten
stummen Entschluß, sich als "Hajdamak" in den Bergwald zu werfen und auf
eigne Faust der Schirmer des gebrochenen Rechts, der "Rächer" aller Unbill
zu werden, als unvermeidlich. Er tritt bereits wie ein Sterbender Hab und
Gut an sein Weib und seine Kinder ab, er durchstreift, scheinbar auf der Bären¬
jagd, die Wälder und Bergschluchten, die künftig seine Heimat werden müssen.
Aber er harrt mit der letzten Entscheidung bis zum Eintreffen des abwei¬
sender kaiserlichen Bescheids. Erst wie diese längst erwartete letzte Abweisung
erfolgt ist, verkündet er in großer Versammlung der Dorfgemeinde seinen furcht-


Gin halbasiatischcr Ro!na».

ist es Taras Barabola, der zwei-, drei- viermal zum Nachgeben räth und
mit seinem Einfluß den des alten Richters Stefan besiegt. Als dieser infolge
einer Verwundung auf der Bärenjagd stirbt, nimmt er auf dem Todtenbette
Taras, welcher voraussichtlich sein Nachfolger sein wird, den Schwur ab, für die
Rechte der Gemeinde einzustehen. „Halte fest an unsern Rechten, wahre sie
gegen den Dränger, dulde nicht, daß uns freien Männern ein Joch auf den
Nacken gelegt wird. Versprich mir, nicht friedfertig zu bleiben, wo es gilt, das
Recht zu erstreiten." Nur zu bald kommt Taras in die Lage, seinen Schwur
einzulösen. Wenzel Hajek, der nimmer rastende, reißt ein Stück des Gemeiude-
ackers für den Grafen um sich, da die Bauern in einer unglücklichen Stunde
das Grcnzkrcuz verrückt haben. Die Insassen von Znlawec, als heißblutige
Huzulen, würden ohne weiteres Gewalt mit Gewalt vertreiben und dabei wahr¬
scheinlich obsiegen — Richter Taras aber setzt seinen ganzen Einfluß daran,
daß sie den Rechtsweg beschreiten. Mit Hilfe von Bestechungen, Meineiden und
allen Schttödigkeitcn, welche im Streit um Mein und Dein Raum haben, gewinnt
Herr Wenzel Hajek den Proceß. Für Taras wird dieser Ausgang zum tragischen
Verhängniß. Wie eine Instanz nach der andern keine Entscheidung zu Gunsten
des klaren Rechts bringt, wie des Kaisers Schreiber dem tückischen Mandatar
das gestohlene Gut zusprechen, kommt Taras' Glauben an die sittliche Welt-
ordnung ins Wanken, und der finstere Entschluß, in seinem Kreise aus eigner
Kraft das Recht wiederum herzustellen, dämmert in ihm empor. Seine Lebens-
freudigkeit ist dahin — bis zum äußersten aber klammert er sich an jede Mög¬
lichkeit, die auch für ihn selbst noch Rettung werden könnte. Ohne ein Wort
einer andern Sprache als sein heimatliches Rutheuisch zu verstehen, unternimmt
er die weite Reise nach Wien und erreicht, standhaft und ehern hartnäckig, eine
Audienz bei Kaiser Ferdinand. Hier aber entschwindet ihm die letzte Hoffnung,
ehe der ungünstige abweisende Bescheid der kaiserlichen Gnadeninstanz da ist.
Er hat erkannt, daß der schwache, kränkliche Monarch, der im Audienzsaale die
Bittgesuche durch seinen Onkel, Erzherzog Ludwig, einsammeln läßt und sich,
als er ihn endlich selbst erreicht hat, nur für seine rnthcnische Tracht, seinen
Schafpelz und seine Stiefeln interessirt, nicht der Kaiser sein kann, von dein er
geträumt hat, der „Stellvertreter Gottes auf Erden ist und das Recht schützt."
Er kehrt nach Zulawce zu den Seinen zurück und betrachtet seinen erstgefaßten
stummen Entschluß, sich als „Hajdamak" in den Bergwald zu werfen und auf
eigne Faust der Schirmer des gebrochenen Rechts, der „Rächer" aller Unbill
zu werden, als unvermeidlich. Er tritt bereits wie ein Sterbender Hab und
Gut an sein Weib und seine Kinder ab, er durchstreift, scheinbar auf der Bären¬
jagd, die Wälder und Bergschluchten, die künftig seine Heimat werden müssen.
Aber er harrt mit der letzten Entscheidung bis zum Eintreffen des abwei¬
sender kaiserlichen Bescheids. Erst wie diese längst erwartete letzte Abweisung
erfolgt ist, verkündet er in großer Versammlung der Dorfgemeinde seinen furcht-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151145"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin halbasiatischcr Ro!na».</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1400" prev="#ID_1399" next="#ID_1401"> ist es Taras Barabola, der zwei-, drei- viermal zum Nachgeben räth und<lb/>
mit seinem Einfluß den des alten Richters Stefan besiegt. Als dieser infolge<lb/>
einer Verwundung auf der Bärenjagd stirbt, nimmt er auf dem Todtenbette<lb/>
Taras, welcher voraussichtlich sein Nachfolger sein wird, den Schwur ab, für die<lb/>
Rechte der Gemeinde einzustehen.  &#x201E;Halte fest an unsern Rechten, wahre sie<lb/>
gegen den Dränger, dulde nicht, daß uns freien Männern ein Joch auf den<lb/>
Nacken gelegt wird. Versprich mir, nicht friedfertig zu bleiben, wo es gilt, das<lb/>
Recht zu erstreiten."  Nur zu bald kommt Taras in die Lage, seinen Schwur<lb/>
einzulösen. Wenzel Hajek, der nimmer rastende, reißt ein Stück des Gemeiude-<lb/>
ackers für den Grafen um sich, da die Bauern in einer unglücklichen Stunde<lb/>
das Grcnzkrcuz verrückt haben. Die Insassen von Znlawec, als heißblutige<lb/>
Huzulen, würden ohne weiteres Gewalt mit Gewalt vertreiben und dabei wahr¬<lb/>
scheinlich obsiegen &#x2014; Richter Taras aber setzt seinen ganzen Einfluß daran,<lb/>
daß sie den Rechtsweg beschreiten. Mit Hilfe von Bestechungen, Meineiden und<lb/>
allen Schttödigkeitcn, welche im Streit um Mein und Dein Raum haben, gewinnt<lb/>
Herr Wenzel Hajek den Proceß. Für Taras wird dieser Ausgang zum tragischen<lb/>
Verhängniß. Wie eine Instanz nach der andern keine Entscheidung zu Gunsten<lb/>
des klaren Rechts bringt, wie des Kaisers Schreiber dem tückischen Mandatar<lb/>
das gestohlene Gut zusprechen, kommt Taras' Glauben an die sittliche Welt-<lb/>
ordnung ins Wanken, und der finstere Entschluß, in seinem Kreise aus eigner<lb/>
Kraft das Recht wiederum herzustellen, dämmert in ihm empor. Seine Lebens-<lb/>
freudigkeit ist dahin &#x2014; bis zum äußersten aber klammert er sich an jede Mög¬<lb/>
lichkeit, die auch für ihn selbst noch Rettung werden könnte. Ohne ein Wort<lb/>
einer andern Sprache als sein heimatliches Rutheuisch zu verstehen, unternimmt<lb/>
er die weite Reise nach Wien und erreicht, standhaft und ehern hartnäckig, eine<lb/>
Audienz bei Kaiser Ferdinand. Hier aber entschwindet ihm die letzte Hoffnung,<lb/>
ehe der ungünstige abweisende Bescheid der kaiserlichen Gnadeninstanz da ist.<lb/>
Er hat erkannt, daß der schwache, kränkliche Monarch, der im Audienzsaale die<lb/>
Bittgesuche durch seinen Onkel, Erzherzog Ludwig, einsammeln läßt und sich,<lb/>
als er ihn endlich selbst erreicht hat, nur für seine rnthcnische Tracht, seinen<lb/>
Schafpelz und seine Stiefeln interessirt, nicht der Kaiser sein kann, von dein er<lb/>
geträumt hat, der &#x201E;Stellvertreter Gottes auf Erden ist und das Recht schützt."<lb/>
Er kehrt nach Zulawce zu den Seinen zurück und betrachtet seinen erstgefaßten<lb/>
stummen Entschluß, sich als &#x201E;Hajdamak" in den Bergwald zu werfen und auf<lb/>
eigne Faust der Schirmer des gebrochenen Rechts, der &#x201E;Rächer" aller Unbill<lb/>
zu werden, als unvermeidlich.  Er tritt bereits wie ein Sterbender Hab und<lb/>
Gut an sein Weib und seine Kinder ab, er durchstreift, scheinbar auf der Bären¬<lb/>
jagd, die Wälder und Bergschluchten, die künftig seine Heimat werden müssen.<lb/>
Aber er harrt mit der letzten Entscheidung bis zum Eintreffen des abwei¬<lb/>
sender kaiserlichen Bescheids. Erst wie diese längst erwartete letzte Abweisung<lb/>
erfolgt ist, verkündet er in großer Versammlung der Dorfgemeinde seinen furcht-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0423] Gin halbasiatischcr Ro!na». ist es Taras Barabola, der zwei-, drei- viermal zum Nachgeben räth und mit seinem Einfluß den des alten Richters Stefan besiegt. Als dieser infolge einer Verwundung auf der Bärenjagd stirbt, nimmt er auf dem Todtenbette Taras, welcher voraussichtlich sein Nachfolger sein wird, den Schwur ab, für die Rechte der Gemeinde einzustehen. „Halte fest an unsern Rechten, wahre sie gegen den Dränger, dulde nicht, daß uns freien Männern ein Joch auf den Nacken gelegt wird. Versprich mir, nicht friedfertig zu bleiben, wo es gilt, das Recht zu erstreiten." Nur zu bald kommt Taras in die Lage, seinen Schwur einzulösen. Wenzel Hajek, der nimmer rastende, reißt ein Stück des Gemeiude- ackers für den Grafen um sich, da die Bauern in einer unglücklichen Stunde das Grcnzkrcuz verrückt haben. Die Insassen von Znlawec, als heißblutige Huzulen, würden ohne weiteres Gewalt mit Gewalt vertreiben und dabei wahr¬ scheinlich obsiegen — Richter Taras aber setzt seinen ganzen Einfluß daran, daß sie den Rechtsweg beschreiten. Mit Hilfe von Bestechungen, Meineiden und allen Schttödigkeitcn, welche im Streit um Mein und Dein Raum haben, gewinnt Herr Wenzel Hajek den Proceß. Für Taras wird dieser Ausgang zum tragischen Verhängniß. Wie eine Instanz nach der andern keine Entscheidung zu Gunsten des klaren Rechts bringt, wie des Kaisers Schreiber dem tückischen Mandatar das gestohlene Gut zusprechen, kommt Taras' Glauben an die sittliche Welt- ordnung ins Wanken, und der finstere Entschluß, in seinem Kreise aus eigner Kraft das Recht wiederum herzustellen, dämmert in ihm empor. Seine Lebens- freudigkeit ist dahin — bis zum äußersten aber klammert er sich an jede Mög¬ lichkeit, die auch für ihn selbst noch Rettung werden könnte. Ohne ein Wort einer andern Sprache als sein heimatliches Rutheuisch zu verstehen, unternimmt er die weite Reise nach Wien und erreicht, standhaft und ehern hartnäckig, eine Audienz bei Kaiser Ferdinand. Hier aber entschwindet ihm die letzte Hoffnung, ehe der ungünstige abweisende Bescheid der kaiserlichen Gnadeninstanz da ist. Er hat erkannt, daß der schwache, kränkliche Monarch, der im Audienzsaale die Bittgesuche durch seinen Onkel, Erzherzog Ludwig, einsammeln läßt und sich, als er ihn endlich selbst erreicht hat, nur für seine rnthcnische Tracht, seinen Schafpelz und seine Stiefeln interessirt, nicht der Kaiser sein kann, von dein er geträumt hat, der „Stellvertreter Gottes auf Erden ist und das Recht schützt." Er kehrt nach Zulawce zu den Seinen zurück und betrachtet seinen erstgefaßten stummen Entschluß, sich als „Hajdamak" in den Bergwald zu werfen und auf eigne Faust der Schirmer des gebrochenen Rechts, der „Rächer" aller Unbill zu werden, als unvermeidlich. Er tritt bereits wie ein Sterbender Hab und Gut an sein Weib und seine Kinder ab, er durchstreift, scheinbar auf der Bären¬ jagd, die Wälder und Bergschluchten, die künftig seine Heimat werden müssen. Aber er harrt mit der letzten Entscheidung bis zum Eintreffen des abwei¬ sender kaiserlichen Bescheids. Erst wie diese längst erwartete letzte Abweisung erfolgt ist, verkündet er in großer Versammlung der Dorfgemeinde seinen furcht-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/423
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/423>, abgerufen am 16.01.2025.