Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.vom litercirischen Longreß in Wien. Anschließend an dessen Satz: "Man begreift nicht Amerika ohne seine Republik, In der Reihe der großen Schriftsteller, welche durch neue und kühne Ge¬ Gute Titel scheinen selten zu sein, aber auch Ideen müssen nicht so auf allen Dann und wann freute man sich allerdings darüber, daß die Jdcenpvlizei vom litercirischen Longreß in Wien. Anschließend an dessen Satz: „Man begreift nicht Amerika ohne seine Republik, In der Reihe der großen Schriftsteller, welche durch neue und kühne Ge¬ Gute Titel scheinen selten zu sein, aber auch Ideen müssen nicht so auf allen Dann und wann freute man sich allerdings darüber, daß die Jdcenpvlizei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150764"/> <fw type="header" place="top"> vom litercirischen Longreß in Wien.</fw><lb/> <p xml:id="ID_99" prev="#ID_98"> Anschließend an dessen Satz: „Man begreift nicht Amerika ohne seine Republik,<lb/> Frankreich ohne seine Demokratie, England ohne sein Parlament, Italien ohne<lb/> seine Kunst, Spanien ohne seinen Heldenmuth, aber noch weniger begreift man<lb/> Deutschland ohne seine religiöse Freiheit," wird die Adresse aussprechen: „Wir<lb/> begreifen nicht Spanien ohne seine bombastischer Redensarten und seine Weine.<lb/> Die erstem gedeihen, wie wir sehen, noch aufs erfreulichste; wenn Spanien<lb/> aber fortfährt, seine Weine so unmäßig mit Sprit zu versehen, so wird es bald<lb/> von den Weinkarten der civilisirten Welt verschwinden, wie alle weinpanschenden<lb/> Nationen. Thun Sie das Ihrige, großer Bürger, um den Ruhmesschild Ihres<lb/> Vaterlands fleckenlos zu erhalten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> In der Reihe der großen Schriftsteller, welche durch neue und kühne Ge¬<lb/> danken die Welt beglückten, muß auch, und nicht als der letzte, Dr. Oskar<lb/> Blumenthal aus Berlin genannt werden. Derselbe verlangte ein Büchertitelschutz-<lb/> gesetz. Ohne Frage werden die Regierungen sich beeilen, dieser Anregung nachzu¬<lb/> kommen und interne und internationale Patentämter für Titelerfinder zu consti-<lb/> tuiren. Für diesen Fall habe ich mir schon eine Anzahl von Titeln notirt, welche<lb/> ich registriren zu lassen gedenke, z. B. Bibel, Katechismus, Kalender, Handbuch,<lb/> Taschenbuch, Zeitung, Tageblatt und andre mehr. Sehen Sie sich nur vor,<lb/> daß Ihnen nicht nachgewiesen wird, der Titel „Grenzboten" sei schon früher<lb/> gebraucht worden und daher fremdes Eigenthum. Die Processe, zu welchen<lb/> dergleichen Streitigkeiten führen müssen, werden nicht immer leicht zu entscheiden<lb/> sein. Aber mindestens wird dann dem jetzigen rechtlosen Zustande ein Ende<lb/> gemacht sein, in welchem jemand, der nichts sein eigen nennt als einen origi¬<lb/> nellen Titel und sich zu diesem Titel ein Buch schreibt, ruhig mit ansehen muß,<lb/> daß ein andrer, der ein gutes Buch geschrieben hat, einen ähnlichen Titel für<lb/> dasselbe wählt und damit die unangenehmsten Verwechslungen möglich macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_101"> Gute Titel scheinen selten zu sein, aber auch Ideen müssen nicht so auf allen<lb/> Gassen herumlaufen, wie nach Lazarus das Wort Idee. Denn sobald auf den<lb/> beiden Congressen weder von der Wiener Gastlichkeit, noch von den Wiener<lb/> Frauen die Rede war, drehten sich die Verhandlungen um den Schutz des<lb/> Eigcnthumsrechts an Ideen. Der monumentale Satz Hugos: „Das literarische<lb/> Eigenthum ist ein Eigenthum" wurde so unablässig variirt und commentirt, und<lb/> so unermüdlich wurde nachgewiesen, daß dieses Eigenthum noch immer nicht<lb/> genug geschützt sei, daß ein österreichischer Ministerialbeamter sich das etwas<lb/> boshafte Vergnügen machen durfte, in einer Bankettrede hervorzuheben, daß die<lb/> auf materielle Ziele gerichteten Bestrebungen der literarischen Associationen zu¬<lb/> gleich eine moralische Bedeutung hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_102" next="#ID_103"> Dann und wann freute man sich allerdings darüber, daß die Jdcenpvlizei<lb/> noch nicht mit voller Strenge ihres Amtes waltet. Denn wenn z. B. jemand<lb/> das ausschließliche Vertriebsrecht auf den Gedanken erworben hätte, daß der<lb/> Name des Wiener Schriftstellervereins „Concordia" ein Symbol sei und als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
vom litercirischen Longreß in Wien.
Anschließend an dessen Satz: „Man begreift nicht Amerika ohne seine Republik,
Frankreich ohne seine Demokratie, England ohne sein Parlament, Italien ohne
seine Kunst, Spanien ohne seinen Heldenmuth, aber noch weniger begreift man
Deutschland ohne seine religiöse Freiheit," wird die Adresse aussprechen: „Wir
begreifen nicht Spanien ohne seine bombastischer Redensarten und seine Weine.
Die erstem gedeihen, wie wir sehen, noch aufs erfreulichste; wenn Spanien
aber fortfährt, seine Weine so unmäßig mit Sprit zu versehen, so wird es bald
von den Weinkarten der civilisirten Welt verschwinden, wie alle weinpanschenden
Nationen. Thun Sie das Ihrige, großer Bürger, um den Ruhmesschild Ihres
Vaterlands fleckenlos zu erhalten!"
In der Reihe der großen Schriftsteller, welche durch neue und kühne Ge¬
danken die Welt beglückten, muß auch, und nicht als der letzte, Dr. Oskar
Blumenthal aus Berlin genannt werden. Derselbe verlangte ein Büchertitelschutz-
gesetz. Ohne Frage werden die Regierungen sich beeilen, dieser Anregung nachzu¬
kommen und interne und internationale Patentämter für Titelerfinder zu consti-
tuiren. Für diesen Fall habe ich mir schon eine Anzahl von Titeln notirt, welche
ich registriren zu lassen gedenke, z. B. Bibel, Katechismus, Kalender, Handbuch,
Taschenbuch, Zeitung, Tageblatt und andre mehr. Sehen Sie sich nur vor,
daß Ihnen nicht nachgewiesen wird, der Titel „Grenzboten" sei schon früher
gebraucht worden und daher fremdes Eigenthum. Die Processe, zu welchen
dergleichen Streitigkeiten führen müssen, werden nicht immer leicht zu entscheiden
sein. Aber mindestens wird dann dem jetzigen rechtlosen Zustande ein Ende
gemacht sein, in welchem jemand, der nichts sein eigen nennt als einen origi¬
nellen Titel und sich zu diesem Titel ein Buch schreibt, ruhig mit ansehen muß,
daß ein andrer, der ein gutes Buch geschrieben hat, einen ähnlichen Titel für
dasselbe wählt und damit die unangenehmsten Verwechslungen möglich macht.
Gute Titel scheinen selten zu sein, aber auch Ideen müssen nicht so auf allen
Gassen herumlaufen, wie nach Lazarus das Wort Idee. Denn sobald auf den
beiden Congressen weder von der Wiener Gastlichkeit, noch von den Wiener
Frauen die Rede war, drehten sich die Verhandlungen um den Schutz des
Eigcnthumsrechts an Ideen. Der monumentale Satz Hugos: „Das literarische
Eigenthum ist ein Eigenthum" wurde so unablässig variirt und commentirt, und
so unermüdlich wurde nachgewiesen, daß dieses Eigenthum noch immer nicht
genug geschützt sei, daß ein österreichischer Ministerialbeamter sich das etwas
boshafte Vergnügen machen durfte, in einer Bankettrede hervorzuheben, daß die
auf materielle Ziele gerichteten Bestrebungen der literarischen Associationen zu¬
gleich eine moralische Bedeutung hätten.
Dann und wann freute man sich allerdings darüber, daß die Jdcenpvlizei
noch nicht mit voller Strenge ihres Amtes waltet. Denn wenn z. B. jemand
das ausschließliche Vertriebsrecht auf den Gedanken erworben hätte, daß der
Name des Wiener Schriftstellervereins „Concordia" ein Symbol sei und als
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