Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Unruh über Bismarck. würden nicht imstande gewesen sein, es zu verhindern, und das "Volk," das sie Wie nut den hier widerlegten Behauptungen Uuruhs verhalt es sich auch Unruh über Bismarck. würden nicht imstande gewesen sein, es zu verhindern, und das „Volk," das sie Wie nut den hier widerlegten Behauptungen Uuruhs verhalt es sich auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151126"/> <fw type="header" place="top"> Unruh über Bismarck.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1333" prev="#ID_1332"> würden nicht imstande gewesen sein, es zu verhindern, und das „Volk," das sie<lb/> gewählt, würde auch nichts dagegen vermocht haben. Und ebensowenig ist Bis-<lb/> marck durch das Bedürfniß nach Macht, durch Gefallen am Regieren, durch<lb/> die Absicht, sich in seiner Ministerstellung zu befestigen, bewogen worden, der<lb/> Opposition im Abgeordnetenhause tapfer und schneidig entgegenzutreten. Es<lb/> war vielmehr der Royalist in ihm, der in seinem Wesen immer eine so hervor¬<lb/> ragende Stelle eingenommen hat, wenn er seinen Posten festhielt. Das Pflicht¬<lb/> gefühl gegen seinen König leitete ihn dabei, der unter den damals obwaltenden<lb/> Umständen keinen andern Minister fand. Bismarck soll ihm damals gesagt oder<lb/> geschrieben haben: „Das soll man nicht sagen, daß Ew. Majestät keinen Diener<lb/> finden, so lange noch ein altmärkischer Edelmann lebt." Sonst war es damals<lb/> wahrhaftig kein Vergnügen, Minister zu sein. Das Gewerbe eines Gesandten<lb/> in Paris, ja selbst in Frankfurt, wo man bei gutem Gehalt wenig Arbeit,<lb/> wenig Verantwortlichkeit und wenig Aerger hatte, wo man nicht angefeindet<lb/> und bitter geschmäht wurde, war sehr viel angenehmer. Das herausfordernde<lb/> Auftreten und die sarkastischen Reden Bismarcks gegenüber dem Abgeordneten¬<lb/> hause hatten nicht die Verlängerung und Steigerung des Conflicts zum Zweck.<lb/> Sie waren Ausübung des M tÄlioms, Bismarck soll (S. 17) oft geradezu<lb/> verletzend aufgetreten sein. Das ist nicht in Abrede zu stellen. Aber wenn<lb/> seine Aeußerungen verletzender Natur waren, so waren sie dies nicht ein Zehntel<lb/> so sehr als das Auftrete» der Redner im Hause gegen ihn und die andern Mit¬<lb/> glieder der Regierung. Jene Herren waren weit massiver und mnlitiöser als<lb/> der Ministerpräsident, schimpften geradezu, drohten und sprachen von einem<lb/> Ministerium von Seiltänzern, von Kainszeichen der Reaction und in ähnlichen<lb/> wenig schmeichelhaften Ausdrücken. Bismarck aber war nicht der Mann, sich<lb/> dergleichen bieten und gefallen zu lassen, es lag nicht in seiner Natur, wenn<lb/> man ihn auf die rechte Backe schlug, dem Beleidiger auch die linke hinzuhalten.<lb/> sondern er wehrte sich und vergalt mit gleicher Münze. Dazu kam seine Ge¬<lb/> ringschätzung vor der Doctrin der Volkssouveränetät, die ihm mit Recht ein<lb/> Greuel war, und die Beobachtung, daß die Opposition dieser Volkssouveränetät<lb/> eine geradezu byzantinische Verehrung entgegenbrachte — eine Beobachtung, die<lb/> ihn noch mehr empörte als die giftige Polemik der Gegner und ihn noch spöt¬<lb/> tischer, ironischer und spitziger reden hieß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1334" next="#ID_1335"> Wie nut den hier widerlegten Behauptungen Uuruhs verhalt es sich auch<lb/> mit einer Reihe andrer, von denen wir mir einige noch hervorheben. Seltsam,<lb/> fast unbegreiflich, ja lächerlich ist S. 22 die Stelle, wo von der Frage der<lb/> Diäten für den Reichstag des Norddeutschen Bundes die Rede ist und Unruh<lb/> gegen Bennigsen seine Vermuthungen über die Stellung des Ministers zu der<lb/> Sache ünßert. „Ich war damals, erzählt er, noch selbst für Diüteu, sagte<lb/> aber zu Vennigsen, ich glaube nicht, daß Bismarck hierin nachgeben werde;<lb/> vielleicht sei er gar nicht in der Lage, es zu können. Es scheine mir, als ob</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Unruh über Bismarck.
würden nicht imstande gewesen sein, es zu verhindern, und das „Volk," das sie
gewählt, würde auch nichts dagegen vermocht haben. Und ebensowenig ist Bis-
marck durch das Bedürfniß nach Macht, durch Gefallen am Regieren, durch
die Absicht, sich in seiner Ministerstellung zu befestigen, bewogen worden, der
Opposition im Abgeordnetenhause tapfer und schneidig entgegenzutreten. Es
war vielmehr der Royalist in ihm, der in seinem Wesen immer eine so hervor¬
ragende Stelle eingenommen hat, wenn er seinen Posten festhielt. Das Pflicht¬
gefühl gegen seinen König leitete ihn dabei, der unter den damals obwaltenden
Umständen keinen andern Minister fand. Bismarck soll ihm damals gesagt oder
geschrieben haben: „Das soll man nicht sagen, daß Ew. Majestät keinen Diener
finden, so lange noch ein altmärkischer Edelmann lebt." Sonst war es damals
wahrhaftig kein Vergnügen, Minister zu sein. Das Gewerbe eines Gesandten
in Paris, ja selbst in Frankfurt, wo man bei gutem Gehalt wenig Arbeit,
wenig Verantwortlichkeit und wenig Aerger hatte, wo man nicht angefeindet
und bitter geschmäht wurde, war sehr viel angenehmer. Das herausfordernde
Auftreten und die sarkastischen Reden Bismarcks gegenüber dem Abgeordneten¬
hause hatten nicht die Verlängerung und Steigerung des Conflicts zum Zweck.
Sie waren Ausübung des M tÄlioms, Bismarck soll (S. 17) oft geradezu
verletzend aufgetreten sein. Das ist nicht in Abrede zu stellen. Aber wenn
seine Aeußerungen verletzender Natur waren, so waren sie dies nicht ein Zehntel
so sehr als das Auftrete» der Redner im Hause gegen ihn und die andern Mit¬
glieder der Regierung. Jene Herren waren weit massiver und mnlitiöser als
der Ministerpräsident, schimpften geradezu, drohten und sprachen von einem
Ministerium von Seiltänzern, von Kainszeichen der Reaction und in ähnlichen
wenig schmeichelhaften Ausdrücken. Bismarck aber war nicht der Mann, sich
dergleichen bieten und gefallen zu lassen, es lag nicht in seiner Natur, wenn
man ihn auf die rechte Backe schlug, dem Beleidiger auch die linke hinzuhalten.
sondern er wehrte sich und vergalt mit gleicher Münze. Dazu kam seine Ge¬
ringschätzung vor der Doctrin der Volkssouveränetät, die ihm mit Recht ein
Greuel war, und die Beobachtung, daß die Opposition dieser Volkssouveränetät
eine geradezu byzantinische Verehrung entgegenbrachte — eine Beobachtung, die
ihn noch mehr empörte als die giftige Polemik der Gegner und ihn noch spöt¬
tischer, ironischer und spitziger reden hieß.
Wie nut den hier widerlegten Behauptungen Uuruhs verhalt es sich auch
mit einer Reihe andrer, von denen wir mir einige noch hervorheben. Seltsam,
fast unbegreiflich, ja lächerlich ist S. 22 die Stelle, wo von der Frage der
Diäten für den Reichstag des Norddeutschen Bundes die Rede ist und Unruh
gegen Bennigsen seine Vermuthungen über die Stellung des Ministers zu der
Sache ünßert. „Ich war damals, erzählt er, noch selbst für Diüteu, sagte
aber zu Vennigsen, ich glaube nicht, daß Bismarck hierin nachgeben werde;
vielleicht sei er gar nicht in der Lage, es zu können. Es scheine mir, als ob
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |