Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Literatur. das Qucllenmatcrinl gesichtet habe, werde die historische Wissenschaft sich wieder mit Nicht ohne Neid weisen wir unsre Leser ans das vorliegende französische Ge- Sein Buch enthält also keine erneuten Untersuchungen über bisher dunkle Die beiden stattlichen Octavbände des Werkes umfassen die Zeit von dem Dcvaux stützt sich auf die Forschungen der namhaftesten deutschen, französischen Literatur. das Qucllenmatcrinl gesichtet habe, werde die historische Wissenschaft sich wieder mit Nicht ohne Neid weisen wir unsre Leser ans das vorliegende französische Ge- Sein Buch enthält also keine erneuten Untersuchungen über bisher dunkle Die beiden stattlichen Octavbände des Werkes umfassen die Zeit von dem Dcvaux stützt sich auf die Forschungen der namhaftesten deutschen, französischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151065"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> das Qucllenmatcrinl gesichtet habe, werde die historische Wissenschaft sich wieder mit<lb/> vollerer Kraft universelleren Arbeiten zuwenden. Wann endlich wird jener Augen¬<lb/> blick kommen? Man kann es unter solchen Verhältnissen dem gebildeten Pu-<lb/> blicum nicht verdenken, wenn es die unschmackhafte, nur auf gelehrte Kreise<lb/> berechnete Kost verschmäht und die Lust an der alten Geschichte schließlich ganz<lb/> verliert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1144"> Nicht ohne Neid weisen wir unsre Leser ans das vorliegende französische Ge-<lb/> schichtswerk hin. Der Verfasser, der, in seinem Vaterlande durch seine historischen<lb/> Schriften wie durch seine politische Stellung rühmlichst bekannt, kurz ehe dieses<lb/> Werk der Öffentlichkeit übergeben wurde, aus dem Leben schied, wollte keine zu¬<lb/> sammenhängende neue Geschichte der Römer schreiben oder zu unzähligen Unter¬<lb/> suchungen über dieselbe noch neue hinzufügen; sein Plan war vielmehr, wie die<lb/> Vorrede es nusspricht, ohne sich eingehend mit den Details der Ereignisse und<lb/> der Einrichtungen zu beschäftigen, den allgemeinen Gang der römischen Geschichte<lb/> darzustellen und zu zeigen, wie das kleine Rom ans dem Palatin sich Schritt für<lb/> Schritt zu seiner gewaltigen Bestimmung erhob. Daher ist er bemüht gewesen,<lb/> so oft als möglich zu den Ursachen der Ereignisse durchzudringen, ihre Tragweite<lb/> zu bestimmen, den Faden ans Licht zu ziehen, der sie verbindet, und gleichsam ihre<lb/> Logik hervortreten zu lassen. So lange nicht alles in der Geschichte klar und be¬<lb/> gründet erscheint, erklärt er das Werk der Kritik für unvollendet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Sein Buch enthält also keine erneuten Untersuchungen über bisher dunkle<lb/> Punkte der römischen Geschichte oder über ungelöste Widersprüche der Quellcnschrift-<lb/> stellcr. Vielmehr haben wir es mit einer Deutung der politischen Vorgänge zu<lb/> thun, die für alle diejenigen geschrieben ist, „von denen die Geschichte als die hohe<lb/> Schule der Politik augesehen wird, in welcher Völker und Regierungen ans der<lb/> Erfahrung ihrer Vorgänger Belehrung schöpfen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1146"> Die beiden stattlichen Octavbände des Werkes umfassen die Zeit von dem<lb/> Ursprünge Roms bis zum Ende des zweiten finnischen Krieges. Bei dem ausge¬<lb/> sprochenen Plane des Verfassers ist also das Ziel, bis zu welchem er die Ent¬<lb/> wicklung des römischen Staates verfolgt, richtig gewählt. „Denn in diesem Zeit¬<lb/> räume von fünf und einem halben Jahrhundert zeigt sich klar, was das römische<lb/> Volk an sittlicher Thatkraft und an Tilgenden besitzt, und die Sitten waren noch<lb/> nicht der Verderbnis; ausgesetzt. Im Innern zieht sich der Kampf der Plebejer<lb/> gegen die patrizische Aristokratie beinahe durch anderthalb Jahrhunderte hin. Die<lb/> politische Gleichheit der beiden Stände macht ihm ein Ende. Der plebejisch-patri¬<lb/> zische Adel folgt dem ausschließlichen Patriziat. Nach außen legt Rom durch die<lb/> Eroberung Italiens den Grund zu seiner künftigen Machtstellung, und die Festigkeit<lb/> dieses Grundes widersteht den beiden großartigen Angriffen, die nach einander<lb/> Pyrrhus und Hannibal auf ihn unternehmen. Am Ende dieser Epoche kann Rom<lb/> sich über das Meer hinaus ausdehnen, es giebt keine Macht mehr, die fähig wäre,<lb/> sich lange dem Fortschreiten seiner Herrschaft zu widersetzen. Das Schicksal Italiens<lb/> erreicht die andern Völker, welche die Küsten des mittelländischen Meeres bewohnen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1147" next="#ID_1148"> Dcvaux stützt sich auf die Forschungen der namhaftesten deutschen, französischen<lb/> und englische» Gelehrten, die er fleißig benutzt hat. Der Stoff ist geschickt grup-<lb/> pirt, die Darstellung lebhaft und anziehend. Wo sich der Verfasser im Wider¬<lb/> sprüche mit seinen Vorgängern befindet — wenn er z. B. für die ältere Geschichte<lb/> der Sage und der Dichtung zu große Zugeständnisse macht und allzu conservutiv<lb/> verfährt oder wenn er den Zug Hannibals als ein Unternehmen betrachtet wissen<lb/> will, das außerhalb der Pläne Hamilkars gelegen habe und nur dem Hannibal</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Literatur.
das Qucllenmatcrinl gesichtet habe, werde die historische Wissenschaft sich wieder mit
vollerer Kraft universelleren Arbeiten zuwenden. Wann endlich wird jener Augen¬
blick kommen? Man kann es unter solchen Verhältnissen dem gebildeten Pu-
blicum nicht verdenken, wenn es die unschmackhafte, nur auf gelehrte Kreise
berechnete Kost verschmäht und die Lust an der alten Geschichte schließlich ganz
verliert.
Nicht ohne Neid weisen wir unsre Leser ans das vorliegende französische Ge-
schichtswerk hin. Der Verfasser, der, in seinem Vaterlande durch seine historischen
Schriften wie durch seine politische Stellung rühmlichst bekannt, kurz ehe dieses
Werk der Öffentlichkeit übergeben wurde, aus dem Leben schied, wollte keine zu¬
sammenhängende neue Geschichte der Römer schreiben oder zu unzähligen Unter¬
suchungen über dieselbe noch neue hinzufügen; sein Plan war vielmehr, wie die
Vorrede es nusspricht, ohne sich eingehend mit den Details der Ereignisse und
der Einrichtungen zu beschäftigen, den allgemeinen Gang der römischen Geschichte
darzustellen und zu zeigen, wie das kleine Rom ans dem Palatin sich Schritt für
Schritt zu seiner gewaltigen Bestimmung erhob. Daher ist er bemüht gewesen,
so oft als möglich zu den Ursachen der Ereignisse durchzudringen, ihre Tragweite
zu bestimmen, den Faden ans Licht zu ziehen, der sie verbindet, und gleichsam ihre
Logik hervortreten zu lassen. So lange nicht alles in der Geschichte klar und be¬
gründet erscheint, erklärt er das Werk der Kritik für unvollendet.
Sein Buch enthält also keine erneuten Untersuchungen über bisher dunkle
Punkte der römischen Geschichte oder über ungelöste Widersprüche der Quellcnschrift-
stellcr. Vielmehr haben wir es mit einer Deutung der politischen Vorgänge zu
thun, die für alle diejenigen geschrieben ist, „von denen die Geschichte als die hohe
Schule der Politik augesehen wird, in welcher Völker und Regierungen ans der
Erfahrung ihrer Vorgänger Belehrung schöpfen."
Die beiden stattlichen Octavbände des Werkes umfassen die Zeit von dem
Ursprünge Roms bis zum Ende des zweiten finnischen Krieges. Bei dem ausge¬
sprochenen Plane des Verfassers ist also das Ziel, bis zu welchem er die Ent¬
wicklung des römischen Staates verfolgt, richtig gewählt. „Denn in diesem Zeit¬
räume von fünf und einem halben Jahrhundert zeigt sich klar, was das römische
Volk an sittlicher Thatkraft und an Tilgenden besitzt, und die Sitten waren noch
nicht der Verderbnis; ausgesetzt. Im Innern zieht sich der Kampf der Plebejer
gegen die patrizische Aristokratie beinahe durch anderthalb Jahrhunderte hin. Die
politische Gleichheit der beiden Stände macht ihm ein Ende. Der plebejisch-patri¬
zische Adel folgt dem ausschließlichen Patriziat. Nach außen legt Rom durch die
Eroberung Italiens den Grund zu seiner künftigen Machtstellung, und die Festigkeit
dieses Grundes widersteht den beiden großartigen Angriffen, die nach einander
Pyrrhus und Hannibal auf ihn unternehmen. Am Ende dieser Epoche kann Rom
sich über das Meer hinaus ausdehnen, es giebt keine Macht mehr, die fähig wäre,
sich lange dem Fortschreiten seiner Herrschaft zu widersetzen. Das Schicksal Italiens
erreicht die andern Völker, welche die Küsten des mittelländischen Meeres bewohnen."
Dcvaux stützt sich auf die Forschungen der namhaftesten deutschen, französischen
und englische» Gelehrten, die er fleißig benutzt hat. Der Stoff ist geschickt grup-
pirt, die Darstellung lebhaft und anziehend. Wo sich der Verfasser im Wider¬
sprüche mit seinen Vorgängern befindet — wenn er z. B. für die ältere Geschichte
der Sage und der Dichtung zu große Zugeständnisse macht und allzu conservutiv
verfährt oder wenn er den Zug Hannibals als ein Unternehmen betrachtet wissen
will, das außerhalb der Pläne Hamilkars gelegen habe und nur dem Hannibal
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