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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Ein nationales Bühnenspiol,

Kaum sind sie hinaus, wer erscheint? Hier, in der Theatergarderobe!
Der Leser wird es schwerlich errathen: Dämon und der Herr Cantor Fuchs!
Wie sie hier herein kommen und was sie hier zu suchen haben, darnach darf
man nun freilich nicht fragen. Es wird sich sofort zeigen, daß der Dichter sie
eben beide nothwendig braucht. Fuchs und sein wackerer Neffe haben das
Lessingsche Stück auch mit angesehen, Dämon ergeht sich in höchst wegwerfenden
Urtheilen darüber, während der Alte, dem es hier in der Umgebung dieser
Weiberröcke etwas unheimlich zu Muthe wird, den Neffen drängt, mitzukommen
und ein Gläschen mit ihm zu leeren. Als der Beifall des Publicums draußen
gar zum vierten und fünftenmnle ertönt, sagt Dämon:


Wie dann!
Sie klatschen Beifall diesen Albernheiten.
Leonidas! wenn der einmal sich regt,
Dann, beim Apoll! soll dieses Haus erzittern.

Nach wenigen Augenblicken treten Lessing und die Lorenz, die Neuberin, eine
Anzahl andrer Schauspieler und -- Mhlius in die Theatergarderobe. Was der
letztere hier zu suchen hat, das wissen wieder die Götter. Vielleicht hat er die
Cassengeschcifte heute besorgt. Jedenfalls braucht der Dichter auch ihn.

Man sollte nun meinen, alles wäre mit Lessing und mit dem Erfolge seines
Stückes beschäftigt. Bewahre Gott! Mit einem Male wird Dämon durch
Mhlius in den Vordergrund geschoben: "Hier wartet noch ein Bruder in Apollo,"
Mhlius fordert den Unglückseliger auf, eine der Glanzstellen seines "Leonidas"
zu declamiren:


Freund, sprecht den Monolog des Ephialtes!
Der Augenblick ist feierlich, legt los!

und wiewohl der alte Fuchs, der Mhlius' Absicht, Dämon lächerlich zu machen,
Wohl durchschaut, alles aufbietet seinen Neffen abzuhalten, legt Dämon wirklich
los und trägt seinen Monolog des Ephialtes vor, eine wahre Prachtnummer
ö, 1a Grhphius oder Lobenstein. Als er geendet, bricht alles in ungeheures
Gelächter und Beifallsklatschen aus. Mhlius ruft: "Auf zur Kneipe!", eine Parole,
der selbst Cantor Fuchs sich fügen muß, und alle ziehen ab, Lessing und Dämon,
die beiden Brüder in Apoll, Arm in Arm.

Darauf letzte Scene. Verwandlung. Großes Tableau. Festkueipe. Stu¬
denten aller Farben "in Wichs" beim Commers an einer langen Tafel zechend
und das Gaudeamus singend. Es erscheinen Mhlius, ebenfalls in Wichs mit
erhobenem Schläger, Lessing, Fuchs und Dämon, die Lorenz mit einem Lorber-
kranz auf dem Haupte und andre Schauspieler und - welche Ueberraschung! -
Pastor Lessing mit Justine, die also richtig nach Leipzig kutschirt sind, um der
Premiöre des "Jungen Gelehrten" beizuwohnen und nun sogar den fideler
Commers nicht verschmähen. Gotthold wird mit Hochrufen empfangen, und
Justine bemerkt halblaut zu ihrem Vater: "Die sehn ja doch nicht gar so


Ein nationales Bühnenspiol,

Kaum sind sie hinaus, wer erscheint? Hier, in der Theatergarderobe!
Der Leser wird es schwerlich errathen: Dämon und der Herr Cantor Fuchs!
Wie sie hier herein kommen und was sie hier zu suchen haben, darnach darf
man nun freilich nicht fragen. Es wird sich sofort zeigen, daß der Dichter sie
eben beide nothwendig braucht. Fuchs und sein wackerer Neffe haben das
Lessingsche Stück auch mit angesehen, Dämon ergeht sich in höchst wegwerfenden
Urtheilen darüber, während der Alte, dem es hier in der Umgebung dieser
Weiberröcke etwas unheimlich zu Muthe wird, den Neffen drängt, mitzukommen
und ein Gläschen mit ihm zu leeren. Als der Beifall des Publicums draußen
gar zum vierten und fünftenmnle ertönt, sagt Dämon:


Wie dann!
Sie klatschen Beifall diesen Albernheiten.
Leonidas! wenn der einmal sich regt,
Dann, beim Apoll! soll dieses Haus erzittern.

Nach wenigen Augenblicken treten Lessing und die Lorenz, die Neuberin, eine
Anzahl andrer Schauspieler und — Mhlius in die Theatergarderobe. Was der
letztere hier zu suchen hat, das wissen wieder die Götter. Vielleicht hat er die
Cassengeschcifte heute besorgt. Jedenfalls braucht der Dichter auch ihn.

Man sollte nun meinen, alles wäre mit Lessing und mit dem Erfolge seines
Stückes beschäftigt. Bewahre Gott! Mit einem Male wird Dämon durch
Mhlius in den Vordergrund geschoben: „Hier wartet noch ein Bruder in Apollo,"
Mhlius fordert den Unglückseliger auf, eine der Glanzstellen seines „Leonidas"
zu declamiren:


Freund, sprecht den Monolog des Ephialtes!
Der Augenblick ist feierlich, legt los!

und wiewohl der alte Fuchs, der Mhlius' Absicht, Dämon lächerlich zu machen,
Wohl durchschaut, alles aufbietet seinen Neffen abzuhalten, legt Dämon wirklich
los und trägt seinen Monolog des Ephialtes vor, eine wahre Prachtnummer
ö, 1a Grhphius oder Lobenstein. Als er geendet, bricht alles in ungeheures
Gelächter und Beifallsklatschen aus. Mhlius ruft: „Auf zur Kneipe!", eine Parole,
der selbst Cantor Fuchs sich fügen muß, und alle ziehen ab, Lessing und Dämon,
die beiden Brüder in Apoll, Arm in Arm.

Darauf letzte Scene. Verwandlung. Großes Tableau. Festkueipe. Stu¬
denten aller Farben „in Wichs" beim Commers an einer langen Tafel zechend
und das Gaudeamus singend. Es erscheinen Mhlius, ebenfalls in Wichs mit
erhobenem Schläger, Lessing, Fuchs und Dämon, die Lorenz mit einem Lorber-
kranz auf dem Haupte und andre Schauspieler und - welche Ueberraschung! -
Pastor Lessing mit Justine, die also richtig nach Leipzig kutschirt sind, um der
Premiöre des „Jungen Gelehrten" beizuwohnen und nun sogar den fideler
Commers nicht verschmähen. Gotthold wird mit Hochrufen empfangen, und
Justine bemerkt halblaut zu ihrem Vater: „Die sehn ja doch nicht gar so


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[0277] Ein nationales Bühnenspiol, Kaum sind sie hinaus, wer erscheint? Hier, in der Theatergarderobe! Der Leser wird es schwerlich errathen: Dämon und der Herr Cantor Fuchs! Wie sie hier herein kommen und was sie hier zu suchen haben, darnach darf man nun freilich nicht fragen. Es wird sich sofort zeigen, daß der Dichter sie eben beide nothwendig braucht. Fuchs und sein wackerer Neffe haben das Lessingsche Stück auch mit angesehen, Dämon ergeht sich in höchst wegwerfenden Urtheilen darüber, während der Alte, dem es hier in der Umgebung dieser Weiberröcke etwas unheimlich zu Muthe wird, den Neffen drängt, mitzukommen und ein Gläschen mit ihm zu leeren. Als der Beifall des Publicums draußen gar zum vierten und fünftenmnle ertönt, sagt Dämon: Wie dann! Sie klatschen Beifall diesen Albernheiten. Leonidas! wenn der einmal sich regt, Dann, beim Apoll! soll dieses Haus erzittern. Nach wenigen Augenblicken treten Lessing und die Lorenz, die Neuberin, eine Anzahl andrer Schauspieler und — Mhlius in die Theatergarderobe. Was der letztere hier zu suchen hat, das wissen wieder die Götter. Vielleicht hat er die Cassengeschcifte heute besorgt. Jedenfalls braucht der Dichter auch ihn. Man sollte nun meinen, alles wäre mit Lessing und mit dem Erfolge seines Stückes beschäftigt. Bewahre Gott! Mit einem Male wird Dämon durch Mhlius in den Vordergrund geschoben: „Hier wartet noch ein Bruder in Apollo," Mhlius fordert den Unglückseliger auf, eine der Glanzstellen seines „Leonidas" zu declamiren: Freund, sprecht den Monolog des Ephialtes! Der Augenblick ist feierlich, legt los! und wiewohl der alte Fuchs, der Mhlius' Absicht, Dämon lächerlich zu machen, Wohl durchschaut, alles aufbietet seinen Neffen abzuhalten, legt Dämon wirklich los und trägt seinen Monolog des Ephialtes vor, eine wahre Prachtnummer ö, 1a Grhphius oder Lobenstein. Als er geendet, bricht alles in ungeheures Gelächter und Beifallsklatschen aus. Mhlius ruft: „Auf zur Kneipe!", eine Parole, der selbst Cantor Fuchs sich fügen muß, und alle ziehen ab, Lessing und Dämon, die beiden Brüder in Apoll, Arm in Arm. Darauf letzte Scene. Verwandlung. Großes Tableau. Festkueipe. Stu¬ denten aller Farben „in Wichs" beim Commers an einer langen Tafel zechend und das Gaudeamus singend. Es erscheinen Mhlius, ebenfalls in Wichs mit erhobenem Schläger, Lessing, Fuchs und Dämon, die Lorenz mit einem Lorber- kranz auf dem Haupte und andre Schauspieler und - welche Ueberraschung! - Pastor Lessing mit Justine, die also richtig nach Leipzig kutschirt sind, um der Premiöre des „Jungen Gelehrten" beizuwohnen und nun sogar den fideler Commers nicht verschmähen. Gotthold wird mit Hochrufen empfangen, und Justine bemerkt halblaut zu ihrem Vater: „Die sehn ja doch nicht gar so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/277>, abgerufen am 16.01.2025.