Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Lin nationales Ällhnensxiel. Leipzigs von nichts als von seinem Trauerspiele "Leonidas" sprächen, und be¬ Nun hat die schöne Lorenz Stoff zum Lachen, Zu Anfange des dritten Actes blicken wir in die Theatergarderobe der Wo ist der Dichter? läßt er sich nicht finden? und sucht Lessing zu bewegen, mit auf die Bühne zu kommen und sich dem Ein schöner Wunsch! Vielleicht in hundert Jahren! Das Publicum hinter der Scene ist inzwischen, damit doch auf der Bühne etwas Lin nationales Ällhnensxiel. Leipzigs von nichts als von seinem Trauerspiele „Leonidas" sprächen, und be¬ Nun hat die schöne Lorenz Stoff zum Lachen, Zu Anfange des dritten Actes blicken wir in die Theatergarderobe der Wo ist der Dichter? läßt er sich nicht finden? und sucht Lessing zu bewegen, mit auf die Bühne zu kommen und sich dem Ein schöner Wunsch! Vielleicht in hundert Jahren! Das Publicum hinter der Scene ist inzwischen, damit doch auf der Bühne etwas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150998"/> <fw type="header" place="top"> Lin nationales Ällhnensxiel.</fw><lb/> <p xml:id="ID_917" prev="#ID_916"> Leipzigs von nichts als von seinem Trauerspiele „Leonidas" sprächen, und be¬<lb/> schwatzt ihn, ihm das Manuscript „mit der Karte von Adelgunde" anzuver¬<lb/> trauen, damit er bei der Lorenz die Aufführung desselben vermittle. Dämon<lb/> ist entzückt von dieser Idee, schüttelt Mylius die Hand und ruft: „Jetzt seid<lb/> Ihr ganz mein Mann," und um doch die fünf Jamben vollzumachen — denn<lb/> weiter hat's wirklich keinen Zweck — fügt er noch hinzu: „8s.xl6n.t1 We!"<lb/> Triumphirend übergiebt Dämon Mylius das Manuscript, schon schwärmt er,<lb/> Mylius um den Hals fallend, von seinen Erfolgen, Lessing sei gegen ihn „ein<lb/> reines Nichts," und nachdem er sich aufgemacht, um die Empfehlungskarte der<lb/> Frau Gottschedin zu besorgen, ruft Mylius mit schallendem Hohngelüchter und<lb/> mit einer so teuflisch boshaften Alliteration, daß Richard Wagners „neidischer<lb/> Nickel" ein „reines Nichts" dagegen ist, ihm nach:</p><lb/> <quote> Nun hat die schöne Lorenz Stoff zum Lachen,<lb/> Noch niemals ging ein gröszrer Narr ins Netz!</quote><lb/> <p xml:id="ID_918" next="#ID_919"> Zu Anfange des dritten Actes blicken wir in die Theatergarderobe der<lb/> Neuberischen Bühne in Leipzig. Die erste Aufführung von Lessings Lustspiel<lb/> nähert sich ihrem Ende — ganz 5, Is, Lindau's „Erfolg". Der junge Dichter steht<lb/> mit gekreuzten Armen nachdenklich im Vordergrunde. Da hört man Beifallklatschen<lb/> und stürmischen Zuruf hinter der Scene, die Lorenz tritt herein mit den Worten:</p><lb/> <quote> Wo ist der Dichter? läßt er sich nicht finden?<lb/> Das ganze Hans ruft „Lessing" — Freund! wacht auf!</quote><lb/> <p xml:id="ID_919" prev="#ID_918" next="#ID_920"> und sucht Lessing zu bewegen, mit auf die Bühne zu kommen und sich dem<lb/> Volke zu zeigen. Lessing zieht hierauf zunächst eine längere Parallele zwischen<lb/> sich und Coriolan, küßt dann die Lorenz zum Danke auf die Stirne, denn sie<lb/> allein habe ihn verstanden, nicht das Volk, mir ihre Kunst habe ihm diesen<lb/> Beifall errungen, und als die Lorenz erwiedert, daß doch auch das Volk ihn<lb/> verstehe, kriegt zu guter letzt der arme Lessing auch noch selber das Prophezeien<lb/> und sagt:</p><lb/> <quote> Ein schöner Wunsch! Vielleicht in hundert Jahren!<lb/> Wir Deutsche sind ja noch kein rechtes Volk.<lb/> Wir sprechen deutsch und dulden fremde Sitten,<lb/> Wir haben noch den Stolz nicht, das zu sein,<lb/> Was wir doch ewig sind und bleiben müssen.<lb/> Bevor's geschieht, o liebe Freundin, sterb' ich,<lb/> Doch wenn's geschieht, dann sprengt mein Geist sein Grab.</quote><lb/> <p xml:id="ID_920" prev="#ID_919"> Das Publicum hinter der Scene ist inzwischen, damit doch auf der Bühne etwas<lb/> gesprochen werden könne, so rücksichtsvoll, seinen Beifall in mehreren Abthei¬<lb/> lungen mit angemessenen Pausen zu spenden, und als es zum drittenmale damit<lb/> losbricht, drängt Sophie: „Hinaus, hinaus! Man ruft Sie jetzt wie rasend."<lb/> Da bietet ihr endlich Lessing lächelnd den Arm und folgt ihr mit dem stolzen,<lb/> dem Dichter hier gewiß nicht zufällig entschlüpften, sondern weise beabsichtigten<lb/> Alexandriner: „Coriolanus geht und zeigt sich seinem Volk."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
Lin nationales Ällhnensxiel.
Leipzigs von nichts als von seinem Trauerspiele „Leonidas" sprächen, und be¬
schwatzt ihn, ihm das Manuscript „mit der Karte von Adelgunde" anzuver¬
trauen, damit er bei der Lorenz die Aufführung desselben vermittle. Dämon
ist entzückt von dieser Idee, schüttelt Mylius die Hand und ruft: „Jetzt seid
Ihr ganz mein Mann," und um doch die fünf Jamben vollzumachen — denn
weiter hat's wirklich keinen Zweck — fügt er noch hinzu: „8s.xl6n.t1 We!"
Triumphirend übergiebt Dämon Mylius das Manuscript, schon schwärmt er,
Mylius um den Hals fallend, von seinen Erfolgen, Lessing sei gegen ihn „ein
reines Nichts," und nachdem er sich aufgemacht, um die Empfehlungskarte der
Frau Gottschedin zu besorgen, ruft Mylius mit schallendem Hohngelüchter und
mit einer so teuflisch boshaften Alliteration, daß Richard Wagners „neidischer
Nickel" ein „reines Nichts" dagegen ist, ihm nach:
Nun hat die schöne Lorenz Stoff zum Lachen,
Noch niemals ging ein gröszrer Narr ins Netz!
Zu Anfange des dritten Actes blicken wir in die Theatergarderobe der
Neuberischen Bühne in Leipzig. Die erste Aufführung von Lessings Lustspiel
nähert sich ihrem Ende — ganz 5, Is, Lindau's „Erfolg". Der junge Dichter steht
mit gekreuzten Armen nachdenklich im Vordergrunde. Da hört man Beifallklatschen
und stürmischen Zuruf hinter der Scene, die Lorenz tritt herein mit den Worten:
Wo ist der Dichter? läßt er sich nicht finden?
Das ganze Hans ruft „Lessing" — Freund! wacht auf!
und sucht Lessing zu bewegen, mit auf die Bühne zu kommen und sich dem
Volke zu zeigen. Lessing zieht hierauf zunächst eine längere Parallele zwischen
sich und Coriolan, küßt dann die Lorenz zum Danke auf die Stirne, denn sie
allein habe ihn verstanden, nicht das Volk, mir ihre Kunst habe ihm diesen
Beifall errungen, und als die Lorenz erwiedert, daß doch auch das Volk ihn
verstehe, kriegt zu guter letzt der arme Lessing auch noch selber das Prophezeien
und sagt:
Ein schöner Wunsch! Vielleicht in hundert Jahren!
Wir Deutsche sind ja noch kein rechtes Volk.
Wir sprechen deutsch und dulden fremde Sitten,
Wir haben noch den Stolz nicht, das zu sein,
Was wir doch ewig sind und bleiben müssen.
Bevor's geschieht, o liebe Freundin, sterb' ich,
Doch wenn's geschieht, dann sprengt mein Geist sein Grab.
Das Publicum hinter der Scene ist inzwischen, damit doch auf der Bühne etwas
gesprochen werden könne, so rücksichtsvoll, seinen Beifall in mehreren Abthei¬
lungen mit angemessenen Pausen zu spenden, und als es zum drittenmale damit
losbricht, drängt Sophie: „Hinaus, hinaus! Man ruft Sie jetzt wie rasend."
Da bietet ihr endlich Lessing lächelnd den Arm und folgt ihr mit dem stolzen,
dem Dichter hier gewiß nicht zufällig entschlüpften, sondern weise beabsichtigten
Alexandriner: „Coriolanus geht und zeigt sich seinem Volk."
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