Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Lyrisches in Sstakesvoare> Stellung als Dramatiker -- sagt er -- der Lyrik gegenüber einzig erscheinen Komm Bursch! Sing uns das Lied von gestern Abend, Nathan Brake hat sich das Verdienst erworben, zuerst ein volles und treues, Lyrisches in Sstakesvoare> Stellung als Dramatiker — sagt er — der Lyrik gegenüber einzig erscheinen Komm Bursch! Sing uns das Lied von gestern Abend, Nathan Brake hat sich das Verdienst erworben, zuerst ein volles und treues, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150975"/> <fw type="header" place="top"> Lyrisches in Sstakesvoare></fw><lb/> <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827" next="#ID_829"> Stellung als Dramatiker — sagt er — der Lyrik gegenüber einzig erscheinen<lb/> läßt, das ist, daß er das Volks thunlich-Lyrische in so reichem Maße, daß er<lb/> den ganzen Volksgeist seiner Nation, möchte man sagen, in sich aufgenommen<lb/> und in seinen Dramen dichterisch verklärt wiedergegeben hat." Und an andrer<lb/> Stelle: „Wir bemerkten oben, daß das ewig Junge, das ewig Frische in seinen<lb/> Werken sich für ein gut Theil aus der innigen Anlehnung an die lebendige<lb/> Natur erkläre. Ich glaube, wir haben in dem Durchhauchtsein seiner Dramen<lb/> von einem frischen Volksgeist eine andre Seite aufgefunden, welche sie vor<lb/> dem Eindruck des Alternden, des auf die Dauer Ermüdenden schützt. Beides,<lb/> die Natur und das Volksthümliche, ruhen aber auf gemeinschaftlicher Basis:<lb/> es ist das Sinnliche, das Reale, das Grüne am goldnen Baume des Lebens,<lb/> gegenüber der grauen Theorie, dem Oelgernch, der abgestandenen Luft des<lb/> Studierzimmers." Der Verfasser hätte hinzusetzen dürfen, daß das Volksthüm¬<lb/> liche aber nur da gedeiht, wo der Volksgeist noch aufs engste mit der Natur<lb/> verbunden und vertraut ist. Shakespeares Auffassung der Natur ist bei allem<lb/> Tiefsinn und aller Erhabenheit, welche ihr eigen, doch immer ganz volksthümlich,<lb/> und das Volksthümliche stellt sich bei ihm seist immer in irgend einer Beziehung<lb/> zur Natur dar. Doch auch das ist hier zu betonen, daß der diese Natursinn,<lb/> das tiefe Gefühl für das Volksthümliche das Ursprünglichere in Shakespeare<lb/> gewesen ist, daß sich beides schon unter den Eindrücken seiner Kindheit und Jugend<lb/> im ländlichen Stafford entwickelt hatte, daß sein reiches Dichtergemüth schon<lb/> lauge von ihnen aus seinem Schlummer geweckt worden war, ehe es von den<lb/> Einflüssen der Renaissance und deren Zaubern berührt wurde. Er kam un¬<lb/> zweifelhaft mit einem seltnen Schatze quellender Erinnerungen nach London,<lb/> und wenn diese auch anfangs vor den fremdartigen, überwältigenden Eindrücken<lb/> der neuen Welt, die sich ihm hier mit ihrer von fremden Einflüssen geförderten<lb/> Bildung erschloß, zurückwichen, so traten sie später dafür um so mächtiger<lb/> wieder hervor, als ihn die Sehnsucht nach den vergangenen Tagen, die wie ein<lb/> Verlornes Paradies hinter ihm liegen mochten, zu beschleichen begann — eine<lb/> Sehnsucht, die uur zu oft aus seinen Dichtungen wehmuthsvoll spricht, vielleicht<lb/> nirgend bezeichnender als in den Worten des Herzogs in „Was ihr wollt:"</p><lb/> <quote> Komm Bursch! Sing uns das Lied von gestern Abend,<lb/> Gieb Acht, Cesario, es ist alt und schlicht.<lb/> Die Spinnerinnen in der freien Luft,<lb/> Die jungen Mägde, wenn sie Spitzen webe»,<lb/> So Pflegen sie's zu singen: 's ist einfältig<lb/> Und tändelt mit der Unschuld süßer Liebe,<lb/> So wie die alte Zeit.</quote><lb/> <p xml:id="ID_829" prev="#ID_828" next="#ID_830"> Nathan Brake hat sich das Verdienst erworben, zuerst ein volles und treues,<lb/> dnrch zuverlässige Zeugnisse beglaubigtes Bild von den Menschen, Verhältnissen,<lb/> Sitten, Gewohnheiten, Festen und Zerstreuungen, welche das englische Landleben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0253]
Lyrisches in Sstakesvoare>
Stellung als Dramatiker — sagt er — der Lyrik gegenüber einzig erscheinen
läßt, das ist, daß er das Volks thunlich-Lyrische in so reichem Maße, daß er
den ganzen Volksgeist seiner Nation, möchte man sagen, in sich aufgenommen
und in seinen Dramen dichterisch verklärt wiedergegeben hat." Und an andrer
Stelle: „Wir bemerkten oben, daß das ewig Junge, das ewig Frische in seinen
Werken sich für ein gut Theil aus der innigen Anlehnung an die lebendige
Natur erkläre. Ich glaube, wir haben in dem Durchhauchtsein seiner Dramen
von einem frischen Volksgeist eine andre Seite aufgefunden, welche sie vor
dem Eindruck des Alternden, des auf die Dauer Ermüdenden schützt. Beides,
die Natur und das Volksthümliche, ruhen aber auf gemeinschaftlicher Basis:
es ist das Sinnliche, das Reale, das Grüne am goldnen Baume des Lebens,
gegenüber der grauen Theorie, dem Oelgernch, der abgestandenen Luft des
Studierzimmers." Der Verfasser hätte hinzusetzen dürfen, daß das Volksthüm¬
liche aber nur da gedeiht, wo der Volksgeist noch aufs engste mit der Natur
verbunden und vertraut ist. Shakespeares Auffassung der Natur ist bei allem
Tiefsinn und aller Erhabenheit, welche ihr eigen, doch immer ganz volksthümlich,
und das Volksthümliche stellt sich bei ihm seist immer in irgend einer Beziehung
zur Natur dar. Doch auch das ist hier zu betonen, daß der diese Natursinn,
das tiefe Gefühl für das Volksthümliche das Ursprünglichere in Shakespeare
gewesen ist, daß sich beides schon unter den Eindrücken seiner Kindheit und Jugend
im ländlichen Stafford entwickelt hatte, daß sein reiches Dichtergemüth schon
lauge von ihnen aus seinem Schlummer geweckt worden war, ehe es von den
Einflüssen der Renaissance und deren Zaubern berührt wurde. Er kam un¬
zweifelhaft mit einem seltnen Schatze quellender Erinnerungen nach London,
und wenn diese auch anfangs vor den fremdartigen, überwältigenden Eindrücken
der neuen Welt, die sich ihm hier mit ihrer von fremden Einflüssen geförderten
Bildung erschloß, zurückwichen, so traten sie später dafür um so mächtiger
wieder hervor, als ihn die Sehnsucht nach den vergangenen Tagen, die wie ein
Verlornes Paradies hinter ihm liegen mochten, zu beschleichen begann — eine
Sehnsucht, die uur zu oft aus seinen Dichtungen wehmuthsvoll spricht, vielleicht
nirgend bezeichnender als in den Worten des Herzogs in „Was ihr wollt:"
Komm Bursch! Sing uns das Lied von gestern Abend,
Gieb Acht, Cesario, es ist alt und schlicht.
Die Spinnerinnen in der freien Luft,
Die jungen Mägde, wenn sie Spitzen webe»,
So Pflegen sie's zu singen: 's ist einfältig
Und tändelt mit der Unschuld süßer Liebe,
So wie die alte Zeit.
Nathan Brake hat sich das Verdienst erworben, zuerst ein volles und treues,
dnrch zuverlässige Zeugnisse beglaubigtes Bild von den Menschen, Verhältnissen,
Sitten, Gewohnheiten, Festen und Zerstreuungen, welche das englische Landleben
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