Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.fortfuhr: "Wenn es nicht in meiner und vielleicht auch nicht in Ew. Heiligkeit Unter diesen Voraussetzungen trat der Reichskanzler im Sommer 1378 zu Freilich war es um des principiellen Gegensatzes willen schwierig, sich zu fortfuhr: „Wenn es nicht in meiner und vielleicht auch nicht in Ew. Heiligkeit Unter diesen Voraussetzungen trat der Reichskanzler im Sommer 1378 zu Freilich war es um des principiellen Gegensatzes willen schwierig, sich zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150950"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> fortfuhr: „Wenn es nicht in meiner und vielleicht auch nicht in Ew. Heiligkeit<lb/> Macht steht, jetzt einen Principienstreit zu schlichten, der seit einem Jahrtausend in<lb/> der Geschichte Deutschlands sich mehr als in der andrer Länder fühlbar gemacht hat,<lb/> so bin ich doch gern bereit, die Schwierigkeiten, welche sich aus diesem von den<lb/> Vorfahren überkommenen Conflicte für beide Theile ergebe», in dem Geiste der<lb/> Liebe zum Frieden und der Bersöhulichkeit zu behandeln, welcher das Ergebniß meiner<lb/> christlichen Ueberzeugungen ist. Unter der Voraussetzung, mich mit Ew. Heiligkeit<lb/> in solcher Geneigtheit zu begegnen, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß da,<lb/> Wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche Gesinnung<lb/> beider Theile auch für Preußen den Weg zum Frieden eröffnen werde, der andern<lb/> Staaten niemals verschlossen war."</p><lb/> <p xml:id="ID_755"> Unter diesen Voraussetzungen trat der Reichskanzler im Sommer 1378 zu<lb/> Kissingen mit einem Vertranensnmnne Leos, dem päpstlichen Nuntius in München,<lb/> Masella, in vorbereitende Unterhandlungen über Anbahnung eines Ausgleichs auf<lb/> dem Boden der Thatsachen. Weitere Schritte der Annäherung unterblieben zunächst<lb/> in Folge des Ablebens Franchis, der, wie behauptet wurde, unter sehr verdächtigen<lb/> Umständen starb. An seine Stelle trat der Cardinal Nina, an welchen der Papst<lb/> im September ein Schreiben richtete, um ihm seine Gedanken über die wichtigsten<lb/> Aufgabe» der nächsten Zeit kund zu geben. In Bezug auf Deutschland hieß es da:<lb/> „Es ist Ihnen wohlbekannt, daß wir, um diesem >anf Verständigung gerichtetenj<lb/> Zuge unsres Herzens Folge zu leisten, uns auch an den mächtigen Kaiser der<lb/> deutschen Nation, welche wegen der den Katholiken geschaffenen schwierigen Lage<lb/> ganz besonders unsre Fürsorge erheischte, gewendet haben. Dieses Wort, einzig<lb/> und allein von dem Wunsche eingegeben, Deutschland den religiösen Frieden wieder<lb/> gewährt zu sehen, fand eine günstige Aufnahme von Seiten des erhabenen Kaisers<lb/> und hatte das erfreuliche Ergebniß, daß es zu freundschaftlichen Unterhandlungen<lb/> führte, bei denen es nicht unsre Absicht war, zu einem bloßen Waffenstillstande<lb/> zu gelangen, welcher den Weg zu neuen Conflicten offen ließe, sondern nach Ent¬<lb/> fernung der Hindernisse einen wahren, soliden und dauerhaften Frieden zu schließen.<lb/> Die Wichtigkeit dieses Zieles, das von der hohen Weisheit derjenigen, welche die<lb/> Geschicke jenes Reiches in ihren Händen haben, richtig erwogen wurde, wird dieselbe,<lb/> wie wir vertrauen, dahin führen, uns die Freundeshand zu reichen, um es zu<lb/> erlangen." Diese Kundgebung bestätigte von neuem den ernsten Willen des neuen<lb/> Oberhauptes der katholischen Kirche, Frieden zu machen, sotvie dessen Ueberzeugung,<lb/> daß ein gleiches Streben auch auf selten der deutschen Regierung bestehe. Indeß<lb/> stand Nina seinem Vorgänger an diplomatischer Fähigkeit sowie an aufrichtiger<lb/> Friedensliebe nach, »ut die Unterhandlungen mit dem deutschen Reichskanzler wurden<lb/> zwar fortgesetzt, führten aber zu keinem Ergebniß. Masella hatte in Kissingen die<lb/> Pflicht der Bischöfe, die Ernennung der Geistlichen vorher der Regierung anzu¬<lb/> zeigen, anerkannt, und Bismarck hatte sich daraufhin dazu verstanden, wiederum<lb/> in directe Beziehungen zur Curie zu treten. Jetzt nahmen die Unterhandlungen<lb/> einen so schleppenden Charakter an, daß man annehmen mußte, man wolle sie<lb/> römischerseits ins endlose Hinaufziehen. Nina richtete lange Schreiben an den<lb/> Reichskanzler, die wenig Inhalt hatten. Keiner von beiden sprach das entschei¬<lb/> dende Wort aus, daß die Bischöfe, den Staatsgesetzen gehorsam, vor der Anstellung<lb/> von Geistlichen der Staatsbehörde davon Anzeige machen und nur nach Zustim¬<lb/> mung der letztern die Anstellung vollziehen sollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_756" next="#ID_757"> Freilich war es um des principiellen Gegensatzes willen schwierig, sich zu<lb/> verständigen. Die Centrumspartei erschwerte den Frieden, indem sie sich auf prin-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
fortfuhr: „Wenn es nicht in meiner und vielleicht auch nicht in Ew. Heiligkeit
Macht steht, jetzt einen Principienstreit zu schlichten, der seit einem Jahrtausend in
der Geschichte Deutschlands sich mehr als in der andrer Länder fühlbar gemacht hat,
so bin ich doch gern bereit, die Schwierigkeiten, welche sich aus diesem von den
Vorfahren überkommenen Conflicte für beide Theile ergebe», in dem Geiste der
Liebe zum Frieden und der Bersöhulichkeit zu behandeln, welcher das Ergebniß meiner
christlichen Ueberzeugungen ist. Unter der Voraussetzung, mich mit Ew. Heiligkeit
in solcher Geneigtheit zu begegnen, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß da,
Wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche Gesinnung
beider Theile auch für Preußen den Weg zum Frieden eröffnen werde, der andern
Staaten niemals verschlossen war."
Unter diesen Voraussetzungen trat der Reichskanzler im Sommer 1378 zu
Kissingen mit einem Vertranensnmnne Leos, dem päpstlichen Nuntius in München,
Masella, in vorbereitende Unterhandlungen über Anbahnung eines Ausgleichs auf
dem Boden der Thatsachen. Weitere Schritte der Annäherung unterblieben zunächst
in Folge des Ablebens Franchis, der, wie behauptet wurde, unter sehr verdächtigen
Umständen starb. An seine Stelle trat der Cardinal Nina, an welchen der Papst
im September ein Schreiben richtete, um ihm seine Gedanken über die wichtigsten
Aufgabe» der nächsten Zeit kund zu geben. In Bezug auf Deutschland hieß es da:
„Es ist Ihnen wohlbekannt, daß wir, um diesem >anf Verständigung gerichtetenj
Zuge unsres Herzens Folge zu leisten, uns auch an den mächtigen Kaiser der
deutschen Nation, welche wegen der den Katholiken geschaffenen schwierigen Lage
ganz besonders unsre Fürsorge erheischte, gewendet haben. Dieses Wort, einzig
und allein von dem Wunsche eingegeben, Deutschland den religiösen Frieden wieder
gewährt zu sehen, fand eine günstige Aufnahme von Seiten des erhabenen Kaisers
und hatte das erfreuliche Ergebniß, daß es zu freundschaftlichen Unterhandlungen
führte, bei denen es nicht unsre Absicht war, zu einem bloßen Waffenstillstande
zu gelangen, welcher den Weg zu neuen Conflicten offen ließe, sondern nach Ent¬
fernung der Hindernisse einen wahren, soliden und dauerhaften Frieden zu schließen.
Die Wichtigkeit dieses Zieles, das von der hohen Weisheit derjenigen, welche die
Geschicke jenes Reiches in ihren Händen haben, richtig erwogen wurde, wird dieselbe,
wie wir vertrauen, dahin führen, uns die Freundeshand zu reichen, um es zu
erlangen." Diese Kundgebung bestätigte von neuem den ernsten Willen des neuen
Oberhauptes der katholischen Kirche, Frieden zu machen, sotvie dessen Ueberzeugung,
daß ein gleiches Streben auch auf selten der deutschen Regierung bestehe. Indeß
stand Nina seinem Vorgänger an diplomatischer Fähigkeit sowie an aufrichtiger
Friedensliebe nach, »ut die Unterhandlungen mit dem deutschen Reichskanzler wurden
zwar fortgesetzt, führten aber zu keinem Ergebniß. Masella hatte in Kissingen die
Pflicht der Bischöfe, die Ernennung der Geistlichen vorher der Regierung anzu¬
zeigen, anerkannt, und Bismarck hatte sich daraufhin dazu verstanden, wiederum
in directe Beziehungen zur Curie zu treten. Jetzt nahmen die Unterhandlungen
einen so schleppenden Charakter an, daß man annehmen mußte, man wolle sie
römischerseits ins endlose Hinaufziehen. Nina richtete lange Schreiben an den
Reichskanzler, die wenig Inhalt hatten. Keiner von beiden sprach das entschei¬
dende Wort aus, daß die Bischöfe, den Staatsgesetzen gehorsam, vor der Anstellung
von Geistlichen der Staatsbehörde davon Anzeige machen und nur nach Zustim¬
mung der letztern die Anstellung vollziehen sollten.
Freilich war es um des principiellen Gegensatzes willen schwierig, sich zu
verständigen. Die Centrumspartei erschwerte den Frieden, indem sie sich auf prin-
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