Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.politische Rückblicke und Ausblicke. die Herren Bischöfe selbst nicht glauben würden, daß die Dotationen, um deren Auf das Sperrgesetz folgte die gänzliche Aufhebung der Artikel 15, 16 und 13 Damit war die kirchliche Gesetzgebung im wesentlichen abgeschlossen. Im Mai politische Rückblicke und Ausblicke. die Herren Bischöfe selbst nicht glauben würden, daß die Dotationen, um deren Auf das Sperrgesetz folgte die gänzliche Aufhebung der Artikel 15, 16 und 13 Damit war die kirchliche Gesetzgebung im wesentlichen abgeschlossen. Im Mai <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150918"/> <fw type="header" place="top"> politische Rückblicke und Ausblicke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_620" prev="#ID_619"> die Herren Bischöfe selbst nicht glauben würden, daß die Dotationen, um deren<lb/> Zurückhaltung es sich handle, vom Staate jemals bewilligt worden wären, wenn<lb/> bei der Bewilligung den Bischöfen und Geistlichen das Recht hätte vorbehalten<lb/> werden sollen, je uach päpstlichen Befinden den Gesetzen des Staates gehorsam zu<lb/> sein oder nicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_621"> Auf das Sperrgesetz folgte die gänzliche Aufhebung der Artikel 15, 16 und 13<lb/> der Bcrfassungsurkundc von 1850, welche die selbständige Verwaltung der Kirche<lb/> gewährleisteten, und die Ersetzung dieser drei Punkte durch die Bestimmung: „Die<lb/> Rechtsordnung der evangelischen und katholischen Kirche sowie der andern Religions¬<lb/> gesellschaften im Staate regelt sich nach den Gesetzen des Staates." Bei der Be¬<lb/> rathung dieser Verfassungsänderung sagte Bismarck: „Wir können den Frieden nicht<lb/> suchen, so lange unsre Gesetzgebung uicht von den Feststellen gereinigt ist, mit<lb/> denen sie seit 1840 in einem ubelangebrachten Vertrauen auf das Billigkcitsgefühl<lb/> der andern Seite, auf Patriotismus bei denjenigen, die man mit der Ausführung<lb/> betraute, stellenweise unwirksam gemacht worden ist. . . Dieses Vertrauen hat die<lb/> Festigkeit, mit der die alten landrechtlichen Bestimmungen und die Vorsicht unsrer<lb/> Vorfahren den Staat versehen hatte, in manchen Beziehungen gelockert, es hat ge¬<lb/> wissermaßen Bresche in die für den allgemeinen Frieden des Staates nothwendigen<lb/> Bestimmungen gelegt. Diese Bresche muß überschüttet, sie muß ausgefüllt werden.<lb/> Sobald das geschehen ist, werde ich kein eifrigeres Bemühen haben als den Frieden,<lb/> selbst mit dem Centrum, namentlich aber mit dem sehr viel mäßiger gesinnten rö¬<lb/> mischen Stuhle zu suchen, und ich hoffe ihn dann auch mit Gottes Hilfe zu finden.<lb/> Ich werde dann, so lange mir das Leben gegeben ist, dazu beitragen, den Kampf,<lb/> den aggressiv zu führen wir eine Weile genöthigt gewesen sind, demnächst nur de¬<lb/> fensiv fortzusetzen und die Aggression mehr der Schulbildung als der Politik zu<lb/> überlassen. Nachdem auf diese Weise der Gesetzgebung die Bahn frei gemacht ist,<lb/> hoffe ich auf diesem Wege den Frieden zu finden, denselben Frieden, unter dem<lb/> unsere Väter Jahrhunderte lang in einem starken Staate . . . mit einander in<lb/> konfessioneller Einigkeit gelebt haben."</p><lb/> <p xml:id="ID_622" next="#ID_623"> Damit war die kirchliche Gesetzgebung im wesentlichen abgeschlossen. Im Mai<lb/> 1875 wurden die geistlichen Orden und Congregationen mit wenigen Ausnahmen<lb/> aufgehoben. Um dieselbe Zeit erfolgte die Absetzung des Fürstbischofs von Breslau,<lb/> Dr. Förster, der seltsamerweise im österreichischen Theil seines Amtsbezirks denselben<lb/> Gesetzen gehorchte, die er in Preußen als gegen sein Gewissen nicht befolgte. Am<lb/> 8. März 1876 wurde der Bischof von Münster, am 13. Juni der Bischof von<lb/> Limburg, am 23. Juli desselben Jahres der Erzbischof von Köln aus seinem Amte<lb/> entfernt. In wenigen Jahren war es dahin gekommen, daß von zwölf Preußischen<lb/> Bischöfen nur noch drei im Amte waren, die übrigen waren entweder abgesetzt<lb/> worden oder gestorben und ohne Nachfolger geblieben. Die rennenden Geistlichen<lb/> wurden vom Staate nicht besoldet und durften ihr Amt nicht ausüben. Wenn<lb/> auch viele sich unterwarfen und sich den neuen gesetzlichen Bestimmungen fügten,<lb/> so waren doch eine große Menge von Pfarrstellen unbesetzt. Die der Predigt und<lb/> Seelsorge beraubten Gemeinden verwilderten. Die Lehrstühle an den katholischen<lb/> theologischen Faeultciten blieben unbesetzt, in vielen Schulen konnte der katholische<lb/> Religionsunterricht nicht mehr ertheilt werden. Das waren Zustände so schlimmer<lb/> Art, daß ihnen ein baldiges Ende zu wünschen war. Der Staat allein konnte dazu<lb/> nichts thun, er konnte auf keinen Fall die Bollwerke wieder abtragen, die er sich<lb/> gegen die Herrschsucht der Curie in den Maigesetzen geschaffen. Er konnte diese<lb/> Gesetze auch nicht mild handhaben oder in einigen Punkten revidiren, so lange der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
politische Rückblicke und Ausblicke.
die Herren Bischöfe selbst nicht glauben würden, daß die Dotationen, um deren
Zurückhaltung es sich handle, vom Staate jemals bewilligt worden wären, wenn
bei der Bewilligung den Bischöfen und Geistlichen das Recht hätte vorbehalten
werden sollen, je uach päpstlichen Befinden den Gesetzen des Staates gehorsam zu
sein oder nicht."
Auf das Sperrgesetz folgte die gänzliche Aufhebung der Artikel 15, 16 und 13
der Bcrfassungsurkundc von 1850, welche die selbständige Verwaltung der Kirche
gewährleisteten, und die Ersetzung dieser drei Punkte durch die Bestimmung: „Die
Rechtsordnung der evangelischen und katholischen Kirche sowie der andern Religions¬
gesellschaften im Staate regelt sich nach den Gesetzen des Staates." Bei der Be¬
rathung dieser Verfassungsänderung sagte Bismarck: „Wir können den Frieden nicht
suchen, so lange unsre Gesetzgebung uicht von den Feststellen gereinigt ist, mit
denen sie seit 1840 in einem ubelangebrachten Vertrauen auf das Billigkcitsgefühl
der andern Seite, auf Patriotismus bei denjenigen, die man mit der Ausführung
betraute, stellenweise unwirksam gemacht worden ist. . . Dieses Vertrauen hat die
Festigkeit, mit der die alten landrechtlichen Bestimmungen und die Vorsicht unsrer
Vorfahren den Staat versehen hatte, in manchen Beziehungen gelockert, es hat ge¬
wissermaßen Bresche in die für den allgemeinen Frieden des Staates nothwendigen
Bestimmungen gelegt. Diese Bresche muß überschüttet, sie muß ausgefüllt werden.
Sobald das geschehen ist, werde ich kein eifrigeres Bemühen haben als den Frieden,
selbst mit dem Centrum, namentlich aber mit dem sehr viel mäßiger gesinnten rö¬
mischen Stuhle zu suchen, und ich hoffe ihn dann auch mit Gottes Hilfe zu finden.
Ich werde dann, so lange mir das Leben gegeben ist, dazu beitragen, den Kampf,
den aggressiv zu führen wir eine Weile genöthigt gewesen sind, demnächst nur de¬
fensiv fortzusetzen und die Aggression mehr der Schulbildung als der Politik zu
überlassen. Nachdem auf diese Weise der Gesetzgebung die Bahn frei gemacht ist,
hoffe ich auf diesem Wege den Frieden zu finden, denselben Frieden, unter dem
unsere Väter Jahrhunderte lang in einem starken Staate . . . mit einander in
konfessioneller Einigkeit gelebt haben."
Damit war die kirchliche Gesetzgebung im wesentlichen abgeschlossen. Im Mai
1875 wurden die geistlichen Orden und Congregationen mit wenigen Ausnahmen
aufgehoben. Um dieselbe Zeit erfolgte die Absetzung des Fürstbischofs von Breslau,
Dr. Förster, der seltsamerweise im österreichischen Theil seines Amtsbezirks denselben
Gesetzen gehorchte, die er in Preußen als gegen sein Gewissen nicht befolgte. Am
8. März 1876 wurde der Bischof von Münster, am 13. Juni der Bischof von
Limburg, am 23. Juli desselben Jahres der Erzbischof von Köln aus seinem Amte
entfernt. In wenigen Jahren war es dahin gekommen, daß von zwölf Preußischen
Bischöfen nur noch drei im Amte waren, die übrigen waren entweder abgesetzt
worden oder gestorben und ohne Nachfolger geblieben. Die rennenden Geistlichen
wurden vom Staate nicht besoldet und durften ihr Amt nicht ausüben. Wenn
auch viele sich unterwarfen und sich den neuen gesetzlichen Bestimmungen fügten,
so waren doch eine große Menge von Pfarrstellen unbesetzt. Die der Predigt und
Seelsorge beraubten Gemeinden verwilderten. Die Lehrstühle an den katholischen
theologischen Faeultciten blieben unbesetzt, in vielen Schulen konnte der katholische
Religionsunterricht nicht mehr ertheilt werden. Das waren Zustände so schlimmer
Art, daß ihnen ein baldiges Ende zu wünschen war. Der Staat allein konnte dazu
nichts thun, er konnte auf keinen Fall die Bollwerke wieder abtragen, die er sich
gegen die Herrschsucht der Curie in den Maigesetzen geschaffen. Er konnte diese
Gesetze auch nicht mild handhaben oder in einigen Punkten revidiren, so lange der
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