Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Lin englisches Actenstiick über den deutschen Schulgesang, Aufsatzes noch zu berühren sein, Frankreich ist uns ebenfalls hierin voraus, noch In Deutschland finden wir, wie schon eingangs bemerkt, allerdings die Bei¬ Zur Geschichte desselben ist zu bemerken, daß das englische Unterhaus einem "Ich erreichte Stuttgart am 4. Mui, Ich brauche kaum zu bemerken, daß Mit Empfehlungsschreiben des Herrn Schulinspector Mosapp ging ich in zwei Lin englisches Actenstiick über den deutschen Schulgesang, Aufsatzes noch zu berühren sein, Frankreich ist uns ebenfalls hierin voraus, noch In Deutschland finden wir, wie schon eingangs bemerkt, allerdings die Bei¬ Zur Geschichte desselben ist zu bemerken, daß das englische Unterhaus einem „Ich erreichte Stuttgart am 4. Mui, Ich brauche kaum zu bemerken, daß Mit Empfehlungsschreiben des Herrn Schulinspector Mosapp ging ich in zwei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150894"/> <fw type="header" place="top"> Lin englisches Actenstiick über den deutschen Schulgesang,</fw><lb/> <p xml:id="ID_525" prev="#ID_524"> Aufsatzes noch zu berühren sein, Frankreich ist uns ebenfalls hierin voraus, noch<lb/> viel mehr aber Holland und Belgien, Während aber in diesen Ländern die be¬<lb/> treffenden Bestrebungen noch verhültniszmüßig neueren Datums sind, so haben<lb/> sie sich in der Schweiz — in einzelnen Cantonen wenigstens — schon seit Jahr¬<lb/> zehnten bewährt, und das musikalische Leben des früher ziemlich tonlosen und<lb/> barbarischen Landes ist auf eine Höhe gebracht worden, auf welche Deutschland<lb/> im allgemeinen neidisch sein darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_526"> In Deutschland finden wir, wie schon eingangs bemerkt, allerdings die Bei¬<lb/> spiele dafür, wie der Gesangunterricht sein soll, überwiegend mehr Beispiele<lb/> aber dafür, wie er nicht sein soll. Wie das Gute und Schlechte neben einander<lb/> liegt, wie überhaupt die Verhältnisse sind, alles was darüber zu wissen nöthig<lb/> ist, theilt unser englisches Actenstück klar und kurz mit, und wir folgen deshalb<lb/> mit entsprechenden Kürzungen wörtlich und getreu seinem Gange.</p><lb/> <p xml:id="ID_527"> Zur Geschichte desselben ist zu bemerken, daß das englische Unterhaus einem<lb/> bekannten Londoner Musiker, John Hullcch, den Auftrag ertheilte, über den Ge¬<lb/> sangunterricht in den Elementarschulen des Continents sich zu orientiren und<lb/> darüber an das hohe Haus zu berichten. Dieser Bericht liegt seit dem 1V. Fe¬<lb/> bruar 1880 vor. Er beginnt mit allgemeinen Bemerkungen über das, was seither<lb/> in England zum Verständniß continentaler Musikverhältnisse gethan worden sei,<lb/> geht dann auf die vorliegende Aufgabe ein und beschreibt deren Ausführung,<lb/> Darnach verließ Herr Hullnh am 14. April 1879 seine Heimat und ging zunächst<lb/> nach der Schweiz. Anfangs Mai traf er in Deutschland ein. Sehen wir nun,<lb/> was er hier vorfand,</p><lb/> <p xml:id="ID_528"> „Ich erreichte Stuttgart am 4. Mui, Ich brauche kaum zu bemerken, daß<lb/> dies eine Stadt von Collegien und Schulen ist, eine Stadt, in welcher Aus¬<lb/> länder wie Inländer in Menge ihre Studien machen. Unter diesen Schulen ist<lb/> eine ganz speciell der Musik gewidmet, das Conscrvatorium, welches Studirende<lb/> aus allen Theilen von Europa und Amerika herbeizieht. Meine Erwartungen auf<lb/> das, was ich im musikalischen Volksschulunterricht zu hören bekommen würde, waren<lb/> darnach beträchtlich; sie gingen vielleicht über die Grenze, War es doch auch, von<lb/> seiner besondern Anziehungskraft abgesehen, die erste deutsche Stadt, welche ich<lb/> besuchte.....</p><lb/> <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Mit Empfehlungsschreiben des Herrn Schulinspector Mosapp ging ich in zwei<lb/> protestantische Schulen, eine höhere und eine niedere. In der ersten hörte ich sieben<lb/> Klassen, alle neugebildet. In allen diesen war das „Lesen vom Blatte" (re-Muss)<lb/> sehr schwach oder richtiger so gut wie nicht vorhanden. Sie sangen Choräle oder<lb/> ganz leichte Lieder, meistens nach dem Gehör, wenigstens hatten sie keine Bücher,<lb/> Einen Lehrer traf ich, wie er mit seiner Klasse die ?-aur-Scala übte. Er hatte sie<lb/> an die Tafel geschrieben, aber das d auf der vierten Linie vergessen. Die Kinder<lb/> ergänzten das beim Singen von selbst, ohne — zweifellos — etwas davon zu<lb/> wissen. Wahrscheinlich merkte auch der Lehrer nichts davon. Zwei oder drei Lehrer<lb/> unterstützten ihre Schüler mit einer Violine, ziemlich geschickt. In den untern<lb/> Klassen wurde sehr unrein gesungen, in allen war der Klang auffällig schlecht,<lb/> besonders bei den Liedern, In der niedern Schule, welche ich gleich darauf be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
Lin englisches Actenstiick über den deutschen Schulgesang,
Aufsatzes noch zu berühren sein, Frankreich ist uns ebenfalls hierin voraus, noch
viel mehr aber Holland und Belgien, Während aber in diesen Ländern die be¬
treffenden Bestrebungen noch verhültniszmüßig neueren Datums sind, so haben
sie sich in der Schweiz — in einzelnen Cantonen wenigstens — schon seit Jahr¬
zehnten bewährt, und das musikalische Leben des früher ziemlich tonlosen und
barbarischen Landes ist auf eine Höhe gebracht worden, auf welche Deutschland
im allgemeinen neidisch sein darf.
In Deutschland finden wir, wie schon eingangs bemerkt, allerdings die Bei¬
spiele dafür, wie der Gesangunterricht sein soll, überwiegend mehr Beispiele
aber dafür, wie er nicht sein soll. Wie das Gute und Schlechte neben einander
liegt, wie überhaupt die Verhältnisse sind, alles was darüber zu wissen nöthig
ist, theilt unser englisches Actenstück klar und kurz mit, und wir folgen deshalb
mit entsprechenden Kürzungen wörtlich und getreu seinem Gange.
Zur Geschichte desselben ist zu bemerken, daß das englische Unterhaus einem
bekannten Londoner Musiker, John Hullcch, den Auftrag ertheilte, über den Ge¬
sangunterricht in den Elementarschulen des Continents sich zu orientiren und
darüber an das hohe Haus zu berichten. Dieser Bericht liegt seit dem 1V. Fe¬
bruar 1880 vor. Er beginnt mit allgemeinen Bemerkungen über das, was seither
in England zum Verständniß continentaler Musikverhältnisse gethan worden sei,
geht dann auf die vorliegende Aufgabe ein und beschreibt deren Ausführung,
Darnach verließ Herr Hullnh am 14. April 1879 seine Heimat und ging zunächst
nach der Schweiz. Anfangs Mai traf er in Deutschland ein. Sehen wir nun,
was er hier vorfand,
„Ich erreichte Stuttgart am 4. Mui, Ich brauche kaum zu bemerken, daß
dies eine Stadt von Collegien und Schulen ist, eine Stadt, in welcher Aus¬
länder wie Inländer in Menge ihre Studien machen. Unter diesen Schulen ist
eine ganz speciell der Musik gewidmet, das Conscrvatorium, welches Studirende
aus allen Theilen von Europa und Amerika herbeizieht. Meine Erwartungen auf
das, was ich im musikalischen Volksschulunterricht zu hören bekommen würde, waren
darnach beträchtlich; sie gingen vielleicht über die Grenze, War es doch auch, von
seiner besondern Anziehungskraft abgesehen, die erste deutsche Stadt, welche ich
besuchte.....
Mit Empfehlungsschreiben des Herrn Schulinspector Mosapp ging ich in zwei
protestantische Schulen, eine höhere und eine niedere. In der ersten hörte ich sieben
Klassen, alle neugebildet. In allen diesen war das „Lesen vom Blatte" (re-Muss)
sehr schwach oder richtiger so gut wie nicht vorhanden. Sie sangen Choräle oder
ganz leichte Lieder, meistens nach dem Gehör, wenigstens hatten sie keine Bücher,
Einen Lehrer traf ich, wie er mit seiner Klasse die ?-aur-Scala übte. Er hatte sie
an die Tafel geschrieben, aber das d auf der vierten Linie vergessen. Die Kinder
ergänzten das beim Singen von selbst, ohne — zweifellos — etwas davon zu
wissen. Wahrscheinlich merkte auch der Lehrer nichts davon. Zwei oder drei Lehrer
unterstützten ihre Schüler mit einer Violine, ziemlich geschickt. In den untern
Klassen wurde sehr unrein gesungen, in allen war der Klang auffällig schlecht,
besonders bei den Liedern, In der niedern Schule, welche ich gleich darauf be-
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