Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.lischen Bevölkerung selbst hervorgerufen, daß die Staatsgewalt sich dringender als Es wurde darauf hingewiesen, daß Preußen und Frankreich vor den be¬ Diese Maßregel nebst einigen andern, die wir im nächsten Abschnitte unsers lischen Bevölkerung selbst hervorgerufen, daß die Staatsgewalt sich dringender als Es wurde darauf hingewiesen, daß Preußen und Frankreich vor den be¬ Diese Maßregel nebst einigen andern, die wir im nächsten Abschnitte unsers <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150875"/> <p xml:id="ID_474" prev="#ID_473"> lischen Bevölkerung selbst hervorgerufen, daß die Staatsgewalt sich dringender als<lb/> zuvor veranlaßt finden muß, dafür zu sorgen, daß in Bezug ans die Wahrnehmung<lb/> ihrer Stellung zu deu katholischen Angelegenheiten ausschließlich und unbe¬<lb/> dingt staatsrechtliche Gesichtspunkte zur Geltung gelangen. Daß das rö¬<lb/> mische Concil solche Folgen haben würde, war innerhalb wie außerhalb der katho¬<lb/> lischen Kirche vorhergesagt worden. Während die zum Glaubenssatz erhobene Lehre<lb/> von der päpstlichen Unfehlbarkeit an und für sich die Gefahr nahe legt, daß damit<lb/> anch die Forderung der Unterwerfung der Staaten nnter die auch auf das Welt¬<lb/> liche und Politische sich erstreckende Herrschaft des römischen Stuhles sich zu ge¬<lb/> legener Zeit erneuern werde, sind ferner in dem auf dem Concil endgiltig festge¬<lb/> stellten Syllcibus über die Irrthümer unsrer Zeit in religiöser, politischer und<lb/> socialer Beziehung Auffassungen und Lehren enthalten, deren ernste Durchführung<lb/> seitens der katholischen Kirche zu einer Erschütterung aller weltlichen Staatsgewalt<lb/> führen muß."</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> Es wurde darauf hingewiesen, daß Preußen und Frankreich vor den be¬<lb/> treffenden Concilsbeschlüssen gewarnt hätten, worauf die Motive fortfuhren: „Der<lb/> Papst und das Concil haben diese Vorstellungen nicht beachtet, die bedenklichen<lb/> Beschlüsse sind gefaßt worden, und ihre Wirkungen sind rascher noch, als man er¬<lb/> wartet hatte, hervorgetreten. Die Verkündigung des Glaubenssatzes über die Papst-<lb/> liebe Unfehlbarkeit hat innerhalb der katholischen Bevölkerung selbst, unter den<lb/> Laien und den Geistlichen, Bewegungen und Spaltungen hervorgerufen, deren<lb/> Folgen sich bereits auch in mehrfachen praktische» Fällen, hinsichtlich der Beziehungen<lb/> Zwischen den katholischen Bischöfen und der Staatsregierung geltend machen, na¬<lb/> mentlich in Betreff der Behandlung von Lehrern an den unter Staatsaufsicht<lb/> stehenden katholischen Gymnasien, welche sich weigern, den neuen Glaubenssatz zu<lb/> lehren, und welche auf den Schutz des Staates in ihren Stellen und Rechten An¬<lb/> spruch haben. Es ist für jetzt nicht abzusehen, inwieweit die Bewegung unter den<lb/> Katholiken eine festere Gestalt gewinnen und etwa zu tiefern Spaltungen führen<lb/> wird. Die Staatsregierung aber kann den jetzt obwaltenden Schwierigkeiten gegen¬<lb/> über nur dadurch eine feste Richtschnur für ihr Verhalten finden, wenn sie sich<lb/> unparteiisch auf den rein staatsrechtlichen Standpunkt stellt und demgemäß die<lb/> einzelnen streitigen Fälle behandelt. Um diesen Standpunkt zu sichern und anch<lb/> äußerlich zu erkennen zu geben, erschien es zweckmäßig und geboten, in dem Mi¬<lb/> nisterium der geistlichen Angelegenheiten die bisher bestehende confessionelle Son-<lb/> oeruug der kirchlichen Abtheilungen zu beseitigen und wiederum nur eine Abthei¬<lb/> lung für die geistlichen Angelegenheiten zu bilden."</p><lb/> <p xml:id="ID_476"> Diese Maßregel nebst einigen andern, die wir im nächsten Abschnitte unsers<lb/> Rückblickes besprechen »vollen, wurde noch nnter dem Minister von Muster be¬<lb/> schlösse», dem schwerlich jemand Feindschaft gegen die katholische Kirche selbst zu¬<lb/> getraut haben wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
lischen Bevölkerung selbst hervorgerufen, daß die Staatsgewalt sich dringender als
zuvor veranlaßt finden muß, dafür zu sorgen, daß in Bezug ans die Wahrnehmung
ihrer Stellung zu deu katholischen Angelegenheiten ausschließlich und unbe¬
dingt staatsrechtliche Gesichtspunkte zur Geltung gelangen. Daß das rö¬
mische Concil solche Folgen haben würde, war innerhalb wie außerhalb der katho¬
lischen Kirche vorhergesagt worden. Während die zum Glaubenssatz erhobene Lehre
von der päpstlichen Unfehlbarkeit an und für sich die Gefahr nahe legt, daß damit
anch die Forderung der Unterwerfung der Staaten nnter die auch auf das Welt¬
liche und Politische sich erstreckende Herrschaft des römischen Stuhles sich zu ge¬
legener Zeit erneuern werde, sind ferner in dem auf dem Concil endgiltig festge¬
stellten Syllcibus über die Irrthümer unsrer Zeit in religiöser, politischer und
socialer Beziehung Auffassungen und Lehren enthalten, deren ernste Durchführung
seitens der katholischen Kirche zu einer Erschütterung aller weltlichen Staatsgewalt
führen muß."
Es wurde darauf hingewiesen, daß Preußen und Frankreich vor den be¬
treffenden Concilsbeschlüssen gewarnt hätten, worauf die Motive fortfuhren: „Der
Papst und das Concil haben diese Vorstellungen nicht beachtet, die bedenklichen
Beschlüsse sind gefaßt worden, und ihre Wirkungen sind rascher noch, als man er¬
wartet hatte, hervorgetreten. Die Verkündigung des Glaubenssatzes über die Papst-
liebe Unfehlbarkeit hat innerhalb der katholischen Bevölkerung selbst, unter den
Laien und den Geistlichen, Bewegungen und Spaltungen hervorgerufen, deren
Folgen sich bereits auch in mehrfachen praktische» Fällen, hinsichtlich der Beziehungen
Zwischen den katholischen Bischöfen und der Staatsregierung geltend machen, na¬
mentlich in Betreff der Behandlung von Lehrern an den unter Staatsaufsicht
stehenden katholischen Gymnasien, welche sich weigern, den neuen Glaubenssatz zu
lehren, und welche auf den Schutz des Staates in ihren Stellen und Rechten An¬
spruch haben. Es ist für jetzt nicht abzusehen, inwieweit die Bewegung unter den
Katholiken eine festere Gestalt gewinnen und etwa zu tiefern Spaltungen führen
wird. Die Staatsregierung aber kann den jetzt obwaltenden Schwierigkeiten gegen¬
über nur dadurch eine feste Richtschnur für ihr Verhalten finden, wenn sie sich
unparteiisch auf den rein staatsrechtlichen Standpunkt stellt und demgemäß die
einzelnen streitigen Fälle behandelt. Um diesen Standpunkt zu sichern und anch
äußerlich zu erkennen zu geben, erschien es zweckmäßig und geboten, in dem Mi¬
nisterium der geistlichen Angelegenheiten die bisher bestehende confessionelle Son-
oeruug der kirchlichen Abtheilungen zu beseitigen und wiederum nur eine Abthei¬
lung für die geistlichen Angelegenheiten zu bilden."
Diese Maßregel nebst einigen andern, die wir im nächsten Abschnitte unsers
Rückblickes besprechen »vollen, wurde noch nnter dem Minister von Muster be¬
schlösse», dem schwerlich jemand Feindschaft gegen die katholische Kirche selbst zu¬
getraut haben wird.
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