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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Uuiversitätsfenen,

daß der Vortragende andere Ansichten über diese und jene Frage sich gebildet
hat. Ein Professor, der seine Collegie" hefte auf dem laufenden erhalten will,
der sich für seine Seminarübungen ordentlich präparirt, der allezeit seinen Stu¬
denten mit Rath und That beizustehen bereit ist, der nebenbei noch Prüfungen
abzuhalten hat, findet im Laufe des Semesters kaum noch irgend weiche Zeit
zu wissenschaftlichen eignen Arbeiten.

Nun aber, mein Herr Gegner, meine" Sie, die Weiterbildung der Wissen¬
schaft liege dem Universitätslehrer erst in zweiter Linie ob: wer darin seine
Hauptaufgabe erblicke, möge sich als Privatgelehrter mit ungeteilten Kräften
der Forschung widmen. Verehrtester! Wissen Sie nicht, daß das Privatgelehrten-
thnm so gar nicht für den deutschen Charakter paßt? Wen können Sie denn
nennen, der als deutscher Privatgelehrter sich einen großen wissenschaftlichen
Namen erworben hat? Alexander Uou Humboldt ist ein solcher gewese", aber
haben Sie ihm viele an die Seite zu stellen? Und Alexander von Humboldt
hat es auch nicht verschmäht, als Mitglied der Akademie den Lehrstuhl der
Universität Berlin als Hospitant zu besteigen! Sie vergessen weiter, daß wir
Deutschen meist arm sind und von unsrer Arbeit leben müssen. Wer von seiner
Feder heutzutage leben will, kann dies nur als Journalist oder als Roman-
schreiber. Und Sie vergessen weiter, daß die Professoren, die große, epoche¬
machende Werte geschrieben, auch meistentheils solche gewesen sind, die eine
wissenschaftliche Schule gerade als Universitätslehrer gestiftet haben! Das freilich
gebe ich Ihnen zu: unumgänglich nothwendig ist es nicht, daß der Universitäts¬
lehrer Bücher schreibe; ich erinnere mich, einmal vor laugen Jahren hierüber
eine allerliebste Abhandlung -- irre ich nicht, so war ihr Titel: vo clovto
Älkntio -- gelesen zu haben. Aber Sie werden nur doch zugeben, daß die Kraft
im wissenschaftlichen Schaffen erstarkt, daß nur derjenige, der in eignem Forschen
diese seine Kraft erprobt, imstande ist, kritisch die Resultate seiner Vorgänger
zu verwerthen. Und wenn das auf dem Gebiete der Wissenschaft durch eigne
Arbeit neugewonnene nur Eigenthum des einzelnen, der es eben gewonnen hat,
bleibt, so ist es doch nicht viel nütze, das unsterbliche wird dann leider sterblich,
denn es steht und fällt mit seinem Träger. Und nun, Verehrtester, möchte ich Sie
zu einem einfachen Rechenexempel auffordern. Nehmen Sie einmal das Persoual-
verzeichniß Ihrer Universität vor und verzeichne": Sie bei jedem Ihrer Pro¬
fessoren -- Sie werden das sehr leicht thun können --, wie viel er von seinen
Ferien auf die rein körperliche Erholung und wie viel er auf wisseuschnftliche
Arbeit verwandt hat. Ich wette mit Ihnen, Sie werden für die Erholung
eine gar kleine Summe bekommen!

Dasselbe Exempel möchte ich Sie bitten anzustellen in Bezug auf Congreß-,
Jubiläums-, populäre Vortragsreisen u. s. w. Mau kann es wirklich sehr leicht
nachrechnen, welche Docenten dergleichen Dinge treiben, und wie lange Zeit sie
dazu bedürfen. Ich könnte Ihnen gleich mit Zahlen -- und diese beweisen ja


Uuiversitätsfenen,

daß der Vortragende andere Ansichten über diese und jene Frage sich gebildet
hat. Ein Professor, der seine Collegie» hefte auf dem laufenden erhalten will,
der sich für seine Seminarübungen ordentlich präparirt, der allezeit seinen Stu¬
denten mit Rath und That beizustehen bereit ist, der nebenbei noch Prüfungen
abzuhalten hat, findet im Laufe des Semesters kaum noch irgend weiche Zeit
zu wissenschaftlichen eignen Arbeiten.

Nun aber, mein Herr Gegner, meine» Sie, die Weiterbildung der Wissen¬
schaft liege dem Universitätslehrer erst in zweiter Linie ob: wer darin seine
Hauptaufgabe erblicke, möge sich als Privatgelehrter mit ungeteilten Kräften
der Forschung widmen. Verehrtester! Wissen Sie nicht, daß das Privatgelehrten-
thnm so gar nicht für den deutschen Charakter paßt? Wen können Sie denn
nennen, der als deutscher Privatgelehrter sich einen großen wissenschaftlichen
Namen erworben hat? Alexander Uou Humboldt ist ein solcher gewese», aber
haben Sie ihm viele an die Seite zu stellen? Und Alexander von Humboldt
hat es auch nicht verschmäht, als Mitglied der Akademie den Lehrstuhl der
Universität Berlin als Hospitant zu besteigen! Sie vergessen weiter, daß wir
Deutschen meist arm sind und von unsrer Arbeit leben müssen. Wer von seiner
Feder heutzutage leben will, kann dies nur als Journalist oder als Roman-
schreiber. Und Sie vergessen weiter, daß die Professoren, die große, epoche¬
machende Werte geschrieben, auch meistentheils solche gewesen sind, die eine
wissenschaftliche Schule gerade als Universitätslehrer gestiftet haben! Das freilich
gebe ich Ihnen zu: unumgänglich nothwendig ist es nicht, daß der Universitäts¬
lehrer Bücher schreibe; ich erinnere mich, einmal vor laugen Jahren hierüber
eine allerliebste Abhandlung — irre ich nicht, so war ihr Titel: vo clovto
Älkntio — gelesen zu haben. Aber Sie werden nur doch zugeben, daß die Kraft
im wissenschaftlichen Schaffen erstarkt, daß nur derjenige, der in eignem Forschen
diese seine Kraft erprobt, imstande ist, kritisch die Resultate seiner Vorgänger
zu verwerthen. Und wenn das auf dem Gebiete der Wissenschaft durch eigne
Arbeit neugewonnene nur Eigenthum des einzelnen, der es eben gewonnen hat,
bleibt, so ist es doch nicht viel nütze, das unsterbliche wird dann leider sterblich,
denn es steht und fällt mit seinem Träger. Und nun, Verehrtester, möchte ich Sie
zu einem einfachen Rechenexempel auffordern. Nehmen Sie einmal das Persoual-
verzeichniß Ihrer Universität vor und verzeichne»: Sie bei jedem Ihrer Pro¬
fessoren — Sie werden das sehr leicht thun können —, wie viel er von seinen
Ferien auf die rein körperliche Erholung und wie viel er auf wisseuschnftliche
Arbeit verwandt hat. Ich wette mit Ihnen, Sie werden für die Erholung
eine gar kleine Summe bekommen!

Dasselbe Exempel möchte ich Sie bitten anzustellen in Bezug auf Congreß-,
Jubiläums-, populäre Vortragsreisen u. s. w. Mau kann es wirklich sehr leicht
nachrechnen, welche Docenten dergleichen Dinge treiben, und wie lange Zeit sie
dazu bedürfen. Ich könnte Ihnen gleich mit Zahlen — und diese beweisen ja


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[0132] Uuiversitätsfenen, daß der Vortragende andere Ansichten über diese und jene Frage sich gebildet hat. Ein Professor, der seine Collegie» hefte auf dem laufenden erhalten will, der sich für seine Seminarübungen ordentlich präparirt, der allezeit seinen Stu¬ denten mit Rath und That beizustehen bereit ist, der nebenbei noch Prüfungen abzuhalten hat, findet im Laufe des Semesters kaum noch irgend weiche Zeit zu wissenschaftlichen eignen Arbeiten. Nun aber, mein Herr Gegner, meine» Sie, die Weiterbildung der Wissen¬ schaft liege dem Universitätslehrer erst in zweiter Linie ob: wer darin seine Hauptaufgabe erblicke, möge sich als Privatgelehrter mit ungeteilten Kräften der Forschung widmen. Verehrtester! Wissen Sie nicht, daß das Privatgelehrten- thnm so gar nicht für den deutschen Charakter paßt? Wen können Sie denn nennen, der als deutscher Privatgelehrter sich einen großen wissenschaftlichen Namen erworben hat? Alexander Uou Humboldt ist ein solcher gewese», aber haben Sie ihm viele an die Seite zu stellen? Und Alexander von Humboldt hat es auch nicht verschmäht, als Mitglied der Akademie den Lehrstuhl der Universität Berlin als Hospitant zu besteigen! Sie vergessen weiter, daß wir Deutschen meist arm sind und von unsrer Arbeit leben müssen. Wer von seiner Feder heutzutage leben will, kann dies nur als Journalist oder als Roman- schreiber. Und Sie vergessen weiter, daß die Professoren, die große, epoche¬ machende Werte geschrieben, auch meistentheils solche gewesen sind, die eine wissenschaftliche Schule gerade als Universitätslehrer gestiftet haben! Das freilich gebe ich Ihnen zu: unumgänglich nothwendig ist es nicht, daß der Universitäts¬ lehrer Bücher schreibe; ich erinnere mich, einmal vor laugen Jahren hierüber eine allerliebste Abhandlung — irre ich nicht, so war ihr Titel: vo clovto Älkntio — gelesen zu haben. Aber Sie werden nur doch zugeben, daß die Kraft im wissenschaftlichen Schaffen erstarkt, daß nur derjenige, der in eignem Forschen diese seine Kraft erprobt, imstande ist, kritisch die Resultate seiner Vorgänger zu verwerthen. Und wenn das auf dem Gebiete der Wissenschaft durch eigne Arbeit neugewonnene nur Eigenthum des einzelnen, der es eben gewonnen hat, bleibt, so ist es doch nicht viel nütze, das unsterbliche wird dann leider sterblich, denn es steht und fällt mit seinem Träger. Und nun, Verehrtester, möchte ich Sie zu einem einfachen Rechenexempel auffordern. Nehmen Sie einmal das Persoual- verzeichniß Ihrer Universität vor und verzeichne»: Sie bei jedem Ihrer Pro¬ fessoren — Sie werden das sehr leicht thun können —, wie viel er von seinen Ferien auf die rein körperliche Erholung und wie viel er auf wisseuschnftliche Arbeit verwandt hat. Ich wette mit Ihnen, Sie werden für die Erholung eine gar kleine Summe bekommen! Dasselbe Exempel möchte ich Sie bitten anzustellen in Bezug auf Congreß-, Jubiläums-, populäre Vortragsreisen u. s. w. Mau kann es wirklich sehr leicht nachrechnen, welche Docenten dergleichen Dinge treiben, und wie lange Zeit sie dazu bedürfen. Ich könnte Ihnen gleich mit Zahlen — und diese beweisen ja

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/132>, abgerufen am 15.01.2025.