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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Universitätsferien.

Wir den deutschen Universitätsprofessor gegenwärtig sehr thätig. Da giebt es
wissenschaftliche Excursionen, um irgend einen Fund in Augenschein zu nehmen
oder ein Gutachten abzugeben, Congresse mit und ohne Damen, Universitäts¬
oder Collegenjubiläen, Grundsteinlegungen und ähnliche Anlässe, die mit dem
Lehrberufe doch uur in sehr losem Zusammenhange stehen. Oft reist ein Pro¬
fessor zu einem "populären Vortrage," für den ihn eine Privatgesellschaft gegen
gutes Honorar "engagirt" hat, hundert Meilen weit mitten im Semester; ein
andrer noch weiter, um sich bei der Krankheit irgend eines reichen Mannes
consultiren zu lassen. Ob dies alles auf Zeitmangel deutet, sei dahingestellt.
Uns interessirt hier nicht, wie der Universitätslehrer über seine freie Zeit ver¬
fügt, sonder" wie dem Studenten Gelegenheit geboten wird, seine Studienjahre
möglichst vortheilhaft auszunützen.

Betrachten wir zu diesen: Zweck den Verlauf eines akademischen Jahres,
wie derselbe sich beispielsweise auf bairischen Universitäten gestaltet.

Das Schuljahr der bairischen Gymnasien schließt anfang August, in der
Regel am achten. Die akademischen Vorlesungen beginnen frühestens am 3. No¬
vember, gewöhnlich noch einige Tage später. Der künftige Student, der eben
fein Abiturientenexamen gemacht hat und die Zeit herbeiwünscht, seine Berufsstudien
An beginnen, ist daher von vornherein zu einer dreimonatlichen unfreiwilligen
Muße verurtheilt. Er sitzt während derselben entweder seinen Angehörigen zur
Last oder verzehrt vielleicht sein kümmerlich gemessenes Einkommen. Da er zum
Nichtsthun und zur Langenweile förmlich gezwungen ist, so wird nicht selten
während dieser Zeit der Grund zum Wirthshausleben bei ihm gelegt und sein
Lerneifer merklich abgekühlt. Endlich beginnen die Vorlesungen. Aber nach etwa
^-'wöchentlicher Dauer endigen sie bereits wieder: die Weihnachtsferien treten
w ihre Rechte, und zwischen dem 15. und 20. December schließen sich auf
Wenigstens vierzehn Tage die Pforten der Hörsäle. Darauf werden die einige
Tage nach Neujahr wieder aufgenommenen Vorlesungen bis gegen Mitte März
fortgesetzt. Dann schließt -- ohne Rücksicht aus den Ostertermin -- das Winter¬
semester. Die nun beginnenden Osterferien haben eine Durchschnittsdauer von
sechs Wochen, da vor Ende April wohl kein Docent es unternehmen wird, seine
Vorträge zu eröffnen. Die Mediciner beginnen in der Regel nicht vor dem
1- Mai. Das Sommersemester, durch einige Tage Pfingstferien unterbrochen
(wo solche as ^urs nicht bestehen, werden sie von den Studirenden as lacte
gemacht), endet allgemein in den ersten Tagen des Angust, um dann wiederum
dreimonatlichen Ferien Raum zu machen.

Eine einfache Addition obiger Zahlen ergiebt bereits eine fast fünfmvnat-
"che (!) Dauer der jährlichen Universitätsferien. Dieser Zeitraum wird aber
noch überschritten, wenn wir die Festtage hinzuzählen, an denen gewohnheits¬
mäßig die Vorlesungen ausgesetzt werden. Es sind dies an den bairischen (und
sonstigen katholischen) Universitäten folgende:


Grenzboten IV. 1881. 16
Universitätsferien.

Wir den deutschen Universitätsprofessor gegenwärtig sehr thätig. Da giebt es
wissenschaftliche Excursionen, um irgend einen Fund in Augenschein zu nehmen
oder ein Gutachten abzugeben, Congresse mit und ohne Damen, Universitäts¬
oder Collegenjubiläen, Grundsteinlegungen und ähnliche Anlässe, die mit dem
Lehrberufe doch uur in sehr losem Zusammenhange stehen. Oft reist ein Pro¬
fessor zu einem „populären Vortrage," für den ihn eine Privatgesellschaft gegen
gutes Honorar „engagirt" hat, hundert Meilen weit mitten im Semester; ein
andrer noch weiter, um sich bei der Krankheit irgend eines reichen Mannes
consultiren zu lassen. Ob dies alles auf Zeitmangel deutet, sei dahingestellt.
Uns interessirt hier nicht, wie der Universitätslehrer über seine freie Zeit ver¬
fügt, sonder» wie dem Studenten Gelegenheit geboten wird, seine Studienjahre
möglichst vortheilhaft auszunützen.

Betrachten wir zu diesen: Zweck den Verlauf eines akademischen Jahres,
wie derselbe sich beispielsweise auf bairischen Universitäten gestaltet.

Das Schuljahr der bairischen Gymnasien schließt anfang August, in der
Regel am achten. Die akademischen Vorlesungen beginnen frühestens am 3. No¬
vember, gewöhnlich noch einige Tage später. Der künftige Student, der eben
fein Abiturientenexamen gemacht hat und die Zeit herbeiwünscht, seine Berufsstudien
An beginnen, ist daher von vornherein zu einer dreimonatlichen unfreiwilligen
Muße verurtheilt. Er sitzt während derselben entweder seinen Angehörigen zur
Last oder verzehrt vielleicht sein kümmerlich gemessenes Einkommen. Da er zum
Nichtsthun und zur Langenweile förmlich gezwungen ist, so wird nicht selten
während dieser Zeit der Grund zum Wirthshausleben bei ihm gelegt und sein
Lerneifer merklich abgekühlt. Endlich beginnen die Vorlesungen. Aber nach etwa
^-'wöchentlicher Dauer endigen sie bereits wieder: die Weihnachtsferien treten
w ihre Rechte, und zwischen dem 15. und 20. December schließen sich auf
Wenigstens vierzehn Tage die Pforten der Hörsäle. Darauf werden die einige
Tage nach Neujahr wieder aufgenommenen Vorlesungen bis gegen Mitte März
fortgesetzt. Dann schließt — ohne Rücksicht aus den Ostertermin — das Winter¬
semester. Die nun beginnenden Osterferien haben eine Durchschnittsdauer von
sechs Wochen, da vor Ende April wohl kein Docent es unternehmen wird, seine
Vorträge zu eröffnen. Die Mediciner beginnen in der Regel nicht vor dem
1- Mai. Das Sommersemester, durch einige Tage Pfingstferien unterbrochen
(wo solche as ^urs nicht bestehen, werden sie von den Studirenden as lacte
gemacht), endet allgemein in den ersten Tagen des Angust, um dann wiederum
dreimonatlichen Ferien Raum zu machen.

Eine einfache Addition obiger Zahlen ergiebt bereits eine fast fünfmvnat-
"che (!) Dauer der jährlichen Universitätsferien. Dieser Zeitraum wird aber
noch überschritten, wenn wir die Festtage hinzuzählen, an denen gewohnheits¬
mäßig die Vorlesungen ausgesetzt werden. Es sind dies an den bairischen (und
sonstigen katholischen) Universitäten folgende:


Grenzboten IV. 1881. 16
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[0127] Universitätsferien. Wir den deutschen Universitätsprofessor gegenwärtig sehr thätig. Da giebt es wissenschaftliche Excursionen, um irgend einen Fund in Augenschein zu nehmen oder ein Gutachten abzugeben, Congresse mit und ohne Damen, Universitäts¬ oder Collegenjubiläen, Grundsteinlegungen und ähnliche Anlässe, die mit dem Lehrberufe doch uur in sehr losem Zusammenhange stehen. Oft reist ein Pro¬ fessor zu einem „populären Vortrage," für den ihn eine Privatgesellschaft gegen gutes Honorar „engagirt" hat, hundert Meilen weit mitten im Semester; ein andrer noch weiter, um sich bei der Krankheit irgend eines reichen Mannes consultiren zu lassen. Ob dies alles auf Zeitmangel deutet, sei dahingestellt. Uns interessirt hier nicht, wie der Universitätslehrer über seine freie Zeit ver¬ fügt, sonder» wie dem Studenten Gelegenheit geboten wird, seine Studienjahre möglichst vortheilhaft auszunützen. Betrachten wir zu diesen: Zweck den Verlauf eines akademischen Jahres, wie derselbe sich beispielsweise auf bairischen Universitäten gestaltet. Das Schuljahr der bairischen Gymnasien schließt anfang August, in der Regel am achten. Die akademischen Vorlesungen beginnen frühestens am 3. No¬ vember, gewöhnlich noch einige Tage später. Der künftige Student, der eben fein Abiturientenexamen gemacht hat und die Zeit herbeiwünscht, seine Berufsstudien An beginnen, ist daher von vornherein zu einer dreimonatlichen unfreiwilligen Muße verurtheilt. Er sitzt während derselben entweder seinen Angehörigen zur Last oder verzehrt vielleicht sein kümmerlich gemessenes Einkommen. Da er zum Nichtsthun und zur Langenweile förmlich gezwungen ist, so wird nicht selten während dieser Zeit der Grund zum Wirthshausleben bei ihm gelegt und sein Lerneifer merklich abgekühlt. Endlich beginnen die Vorlesungen. Aber nach etwa ^-'wöchentlicher Dauer endigen sie bereits wieder: die Weihnachtsferien treten w ihre Rechte, und zwischen dem 15. und 20. December schließen sich auf Wenigstens vierzehn Tage die Pforten der Hörsäle. Darauf werden die einige Tage nach Neujahr wieder aufgenommenen Vorlesungen bis gegen Mitte März fortgesetzt. Dann schließt — ohne Rücksicht aus den Ostertermin — das Winter¬ semester. Die nun beginnenden Osterferien haben eine Durchschnittsdauer von sechs Wochen, da vor Ende April wohl kein Docent es unternehmen wird, seine Vorträge zu eröffnen. Die Mediciner beginnen in der Regel nicht vor dem 1- Mai. Das Sommersemester, durch einige Tage Pfingstferien unterbrochen (wo solche as ^urs nicht bestehen, werden sie von den Studirenden as lacte gemacht), endet allgemein in den ersten Tagen des Angust, um dann wiederum dreimonatlichen Ferien Raum zu machen. Eine einfache Addition obiger Zahlen ergiebt bereits eine fast fünfmvnat- "che (!) Dauer der jährlichen Universitätsferien. Dieser Zeitraum wird aber noch überschritten, wenn wir die Festtage hinzuzählen, an denen gewohnheits¬ mäßig die Vorlesungen ausgesetzt werden. Es sind dies an den bairischen (und sonstigen katholischen) Universitäten folgende: Grenzboten IV. 1881. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/127>, abgerufen am 15.01.2025.