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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Fortschrittlicher IVahlschwindel.

Zahl von Landschaften. Das technische Können der französischen Maler erprobt
sich da in der Darstellung der Lichtreflexe auf den Wasserflächen. Auf ein
weiteres lassen sie sich nicht ein. Elementarereignisse von dramatischem Reize
zu schildern, wie es z. V. Andreas Ueberhand zu thun liebt, scheint ihrer mehr
contemplativen Natur fern zu liegen. Sie beschränken sich darauf, die äußere,
glitzernde Oberfläche der Dinge zu zeigen. Tiefer im Buche der Natur zu lesen,
ist ihnen versagt. Die eigentliche Seele der Natur, welche uns die deutschen
Landschaftsmaler mit so tiefem Verständniß erschlossen haben, gleicht für sie dem
verschleierten Bilde zu Sais.




Fortschrittlicher N)ahlschwindel.

och ein paar Monate, und die Neuwahlen für den Reichstag werden
die Parteien an die Wahlurnen rufen. Kluge Leute sorgen bei
Zeiten, daß sie für diese Gelegenheit, etwas zu werden, gut empfohlen
sind, und die Fortschrittspartei bekundete solche Klugheit bisher
immer in besonderm Maße. Sie thut es auch jetzt, indem sie sich
in ihren Zeitungen sowie in eignen Flugblättern dem Publicum bestens anpreisen
läßt. Wir bestreiten ihr das Recht dazu nicht, um hätten wir gewünscht, daß die
Verfasser jener Reelamen und deren Auftraggeber es dabei mit der Wahrheit
genauer genommen hätten, als thatsächlich geschehen ist. Wir hätten das schon
deshalb gewünscht, weil zwar leider viele, aber keineswegs alle Leute ein so schwaches
Gedächtniß haben, wie man hier offenbar vorausgesetzt hat.

Es bleibe andern überlassen, den ausführlichen Beweis zu führen, daß, wenn
die Herren vom Fortschritt, in dem Bewußtsein, daß das deutsche und nament¬
lich das preußische Volk in seiner großen Majorität streng monarchisch gesinnt
ist, sich ihrer königstreuen Denkart rühmen, ein Blick auf ihre Vergangenheit
dies nicht bestätigt. Wir begnügen uns hier, zu bemerken, daß die Geschichte
der Partei vielmehr zeigt, wie dieselbe von ihren Anfängen an ohne Unterbrechung
rein demokratische Ziele im Auge gehabt hat, wie diese Geschichte zu allen Zeiten
und nach allen Richtungen hin eine Kette von Bestrebtingen gewesen ist, das
Königthum zu beschränken und zu schwächen und an die Stelle der verfassungs¬
mäßigen Monarchie den Parlamentarismus zu setzen, und wie sich selbst für die
Annahme Thatsache" anführen lassen, der Partei oder mindestens einem Theile
derselben schwebe als letztes und höchstes Ideal eine republicanische Staatsform
vor. Im Programm derselben ist davon freilich nichts zu lesen, aber "an ihren
Früchten sollt ihr sie erkennen."


Grenzboten III. 1831. 11
Fortschrittlicher IVahlschwindel.

Zahl von Landschaften. Das technische Können der französischen Maler erprobt
sich da in der Darstellung der Lichtreflexe auf den Wasserflächen. Auf ein
weiteres lassen sie sich nicht ein. Elementarereignisse von dramatischem Reize
zu schildern, wie es z. V. Andreas Ueberhand zu thun liebt, scheint ihrer mehr
contemplativen Natur fern zu liegen. Sie beschränken sich darauf, die äußere,
glitzernde Oberfläche der Dinge zu zeigen. Tiefer im Buche der Natur zu lesen,
ist ihnen versagt. Die eigentliche Seele der Natur, welche uns die deutschen
Landschaftsmaler mit so tiefem Verständniß erschlossen haben, gleicht für sie dem
verschleierten Bilde zu Sais.




Fortschrittlicher N)ahlschwindel.

och ein paar Monate, und die Neuwahlen für den Reichstag werden
die Parteien an die Wahlurnen rufen. Kluge Leute sorgen bei
Zeiten, daß sie für diese Gelegenheit, etwas zu werden, gut empfohlen
sind, und die Fortschrittspartei bekundete solche Klugheit bisher
immer in besonderm Maße. Sie thut es auch jetzt, indem sie sich
in ihren Zeitungen sowie in eignen Flugblättern dem Publicum bestens anpreisen
läßt. Wir bestreiten ihr das Recht dazu nicht, um hätten wir gewünscht, daß die
Verfasser jener Reelamen und deren Auftraggeber es dabei mit der Wahrheit
genauer genommen hätten, als thatsächlich geschehen ist. Wir hätten das schon
deshalb gewünscht, weil zwar leider viele, aber keineswegs alle Leute ein so schwaches
Gedächtniß haben, wie man hier offenbar vorausgesetzt hat.

Es bleibe andern überlassen, den ausführlichen Beweis zu führen, daß, wenn
die Herren vom Fortschritt, in dem Bewußtsein, daß das deutsche und nament¬
lich das preußische Volk in seiner großen Majorität streng monarchisch gesinnt
ist, sich ihrer königstreuen Denkart rühmen, ein Blick auf ihre Vergangenheit
dies nicht bestätigt. Wir begnügen uns hier, zu bemerken, daß die Geschichte
der Partei vielmehr zeigt, wie dieselbe von ihren Anfängen an ohne Unterbrechung
rein demokratische Ziele im Auge gehabt hat, wie diese Geschichte zu allen Zeiten
und nach allen Richtungen hin eine Kette von Bestrebtingen gewesen ist, das
Königthum zu beschränken und zu schwächen und an die Stelle der verfassungs¬
mäßigen Monarchie den Parlamentarismus zu setzen, und wie sich selbst für die
Annahme Thatsache» anführen lassen, der Partei oder mindestens einem Theile
derselben schwebe als letztes und höchstes Ideal eine republicanische Staatsform
vor. Im Programm derselben ist davon freilich nichts zu lesen, aber „an ihren
Früchten sollt ihr sie erkennen."


Grenzboten III. 1831. 11
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[0089] Fortschrittlicher IVahlschwindel. Zahl von Landschaften. Das technische Können der französischen Maler erprobt sich da in der Darstellung der Lichtreflexe auf den Wasserflächen. Auf ein weiteres lassen sie sich nicht ein. Elementarereignisse von dramatischem Reize zu schildern, wie es z. V. Andreas Ueberhand zu thun liebt, scheint ihrer mehr contemplativen Natur fern zu liegen. Sie beschränken sich darauf, die äußere, glitzernde Oberfläche der Dinge zu zeigen. Tiefer im Buche der Natur zu lesen, ist ihnen versagt. Die eigentliche Seele der Natur, welche uns die deutschen Landschaftsmaler mit so tiefem Verständniß erschlossen haben, gleicht für sie dem verschleierten Bilde zu Sais. Fortschrittlicher N)ahlschwindel. och ein paar Monate, und die Neuwahlen für den Reichstag werden die Parteien an die Wahlurnen rufen. Kluge Leute sorgen bei Zeiten, daß sie für diese Gelegenheit, etwas zu werden, gut empfohlen sind, und die Fortschrittspartei bekundete solche Klugheit bisher immer in besonderm Maße. Sie thut es auch jetzt, indem sie sich in ihren Zeitungen sowie in eignen Flugblättern dem Publicum bestens anpreisen läßt. Wir bestreiten ihr das Recht dazu nicht, um hätten wir gewünscht, daß die Verfasser jener Reelamen und deren Auftraggeber es dabei mit der Wahrheit genauer genommen hätten, als thatsächlich geschehen ist. Wir hätten das schon deshalb gewünscht, weil zwar leider viele, aber keineswegs alle Leute ein so schwaches Gedächtniß haben, wie man hier offenbar vorausgesetzt hat. Es bleibe andern überlassen, den ausführlichen Beweis zu führen, daß, wenn die Herren vom Fortschritt, in dem Bewußtsein, daß das deutsche und nament¬ lich das preußische Volk in seiner großen Majorität streng monarchisch gesinnt ist, sich ihrer königstreuen Denkart rühmen, ein Blick auf ihre Vergangenheit dies nicht bestätigt. Wir begnügen uns hier, zu bemerken, daß die Geschichte der Partei vielmehr zeigt, wie dieselbe von ihren Anfängen an ohne Unterbrechung rein demokratische Ziele im Auge gehabt hat, wie diese Geschichte zu allen Zeiten und nach allen Richtungen hin eine Kette von Bestrebtingen gewesen ist, das Königthum zu beschränken und zu schwächen und an die Stelle der verfassungs¬ mäßigen Monarchie den Parlamentarismus zu setzen, und wie sich selbst für die Annahme Thatsache» anführen lassen, der Partei oder mindestens einem Theile derselben schwebe als letztes und höchstes Ideal eine republicanische Staatsform vor. Im Programm derselben ist davon freilich nichts zu lesen, aber „an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Grenzboten III. 1831. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/89>, abgerufen am 25.11.2024.