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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der Pariser Salon.

zösischen Malerei über die deutsche sprechen kann. Es ist allerdings keine leichte
Aufgabe, diese Gesellschaft von schwarzen Franken, welche auf der Tribüne den Ehren¬
platz einnimmt, malerisch interessant zu gestalten, Sie occupiren nämlich den Vorder¬
grund, während die Marschälle, Generäle und Fahnenträger in perspectivischer
Verkleinerung den Mittelgrund einnehmen. Das ist alles so flau, so fast- und
kraftlos gemalt, daß man ordentlich merkt, wie unheimlich sich die Maler bei
ihrer Aufgabe gefühlt haben. Ein großes Bild von Protais, der sonst in
Kriegsbildern von kleinerem Umfange sehr anerkeunenswerthes geleistet hat, "Die
Fahne und die Armee" genannt, ist noch trostloser. Es stellt in Bilderbogenmanier
eine Art Musterkarte aller Waffengattungen des französischen Heeres dar.

Mit dem militärischen Ruhme von 1s. ,MNö ?rares war es also in diesem
Jahre nichts. Unter demselben unglücklichen Sterne stand das Porträt und die
Landschaft, Während Carolus Duranin seinen Bildnissen maßvollcrAnd minder
extravagant geworden ist, entfernt sich Bonnae immer weiter von der soliden
Eleganz seiner frühern Malweise. Das Porträt seines Lehrmeisters Cogniet ist
mit einem fast struppigen Pinsel gemalt. Diese nervöse Technik steigert freilich
den Eindruck der Lebendigkeit bis zur UnHeimlichkeit. Aber an die monumentale
Ruhe des Thiersbildnisses von 1877 reicht dieses Porträt ebenso wenig heran
wie das zugleich ausgestellte, im Fleischton merkwürdig bläuliche Damcnbildniß
an die frühern. Vielleicht soll aber, was wir nicht wissen, bei dem Porträt
Cogniets, ähnlich wie bei dem Victor Hugos vom 1879, die zerfahrene Mal¬
weise, welche in den stärksten Contrasten zwischen schwarz, grau und weiß operirt,
zur Charakteristik des Dargestellte!? beitragen. Um Bonnae und Duran gruppiren
sich fast alle jüngern französischen Portraitmaler. Allen gemeinsam ist eine große
Noblesse der Aufführung, ein effectvolles Arrangement und das Streben nach
außergewöhnlichen oder wenigstens pikanten Farbenverbinduugen. Als das merk¬
würdigste dieser Gattung ist nur das Porträt eines kleinen Mädchens in weißer
Wintcrtoilette von Aublet aufgefallen: Weißes Kleid, weißer Mantel, weißer
Muff mit weißem Pelz besetzt, im Hintergründe eine Weiße Draperie und auf
dem Fußboden das Fell eines Eisbären! So extravagant das Ganze auch ist,
so muß man doch anerkennen, daß die verschiednen Nüancen von Weiß mit großer
Virtuosität gegen einander abgetönt sind und daß das rosige Gesichtchen noch
Kraft genug behalten hat, um aus diesem weißen Meer empvrzutanchen.

Seit Rousseau, Diaz, Duprö, Corot und Daubigny todt sind, ist die fran¬
zösische Landschaft ziemlich stark in das Hintertreffen gerathen. Es scheint, als
hätten die fünf genannten, denen auch noch, um die Plejade vollständig zu machen,
Conrbet und Marilhat beizuzählen sind, alles erschöpft, was in der Natur von
Schönheit, Großartigkeit, Stimmungsreiz zu finden ist. Alle, welche nach ihnen
gekommen sind, bewegen sich in den Grenzen der Nachahmung, wobei insbesondre
Danbignh, Rousseau und Corot berücksichtigt werden. Der letztere ist der Gegen¬
stand eines förmlichen Cultus geworden. Nicht nur daß man diesem Cultus


Der Pariser Salon.

zösischen Malerei über die deutsche sprechen kann. Es ist allerdings keine leichte
Aufgabe, diese Gesellschaft von schwarzen Franken, welche auf der Tribüne den Ehren¬
platz einnimmt, malerisch interessant zu gestalten, Sie occupiren nämlich den Vorder¬
grund, während die Marschälle, Generäle und Fahnenträger in perspectivischer
Verkleinerung den Mittelgrund einnehmen. Das ist alles so flau, so fast- und
kraftlos gemalt, daß man ordentlich merkt, wie unheimlich sich die Maler bei
ihrer Aufgabe gefühlt haben. Ein großes Bild von Protais, der sonst in
Kriegsbildern von kleinerem Umfange sehr anerkeunenswerthes geleistet hat, „Die
Fahne und die Armee" genannt, ist noch trostloser. Es stellt in Bilderbogenmanier
eine Art Musterkarte aller Waffengattungen des französischen Heeres dar.

Mit dem militärischen Ruhme von 1s. ,MNö ?rares war es also in diesem
Jahre nichts. Unter demselben unglücklichen Sterne stand das Porträt und die
Landschaft, Während Carolus Duranin seinen Bildnissen maßvollcrAnd minder
extravagant geworden ist, entfernt sich Bonnae immer weiter von der soliden
Eleganz seiner frühern Malweise. Das Porträt seines Lehrmeisters Cogniet ist
mit einem fast struppigen Pinsel gemalt. Diese nervöse Technik steigert freilich
den Eindruck der Lebendigkeit bis zur UnHeimlichkeit. Aber an die monumentale
Ruhe des Thiersbildnisses von 1877 reicht dieses Porträt ebenso wenig heran
wie das zugleich ausgestellte, im Fleischton merkwürdig bläuliche Damcnbildniß
an die frühern. Vielleicht soll aber, was wir nicht wissen, bei dem Porträt
Cogniets, ähnlich wie bei dem Victor Hugos vom 1879, die zerfahrene Mal¬
weise, welche in den stärksten Contrasten zwischen schwarz, grau und weiß operirt,
zur Charakteristik des Dargestellte!? beitragen. Um Bonnae und Duran gruppiren
sich fast alle jüngern französischen Portraitmaler. Allen gemeinsam ist eine große
Noblesse der Aufführung, ein effectvolles Arrangement und das Streben nach
außergewöhnlichen oder wenigstens pikanten Farbenverbinduugen. Als das merk¬
würdigste dieser Gattung ist nur das Porträt eines kleinen Mädchens in weißer
Wintcrtoilette von Aublet aufgefallen: Weißes Kleid, weißer Mantel, weißer
Muff mit weißem Pelz besetzt, im Hintergründe eine Weiße Draperie und auf
dem Fußboden das Fell eines Eisbären! So extravagant das Ganze auch ist,
so muß man doch anerkennen, daß die verschiednen Nüancen von Weiß mit großer
Virtuosität gegen einander abgetönt sind und daß das rosige Gesichtchen noch
Kraft genug behalten hat, um aus diesem weißen Meer empvrzutanchen.

Seit Rousseau, Diaz, Duprö, Corot und Daubigny todt sind, ist die fran¬
zösische Landschaft ziemlich stark in das Hintertreffen gerathen. Es scheint, als
hätten die fünf genannten, denen auch noch, um die Plejade vollständig zu machen,
Conrbet und Marilhat beizuzählen sind, alles erschöpft, was in der Natur von
Schönheit, Großartigkeit, Stimmungsreiz zu finden ist. Alle, welche nach ihnen
gekommen sind, bewegen sich in den Grenzen der Nachahmung, wobei insbesondre
Danbignh, Rousseau und Corot berücksichtigt werden. Der letztere ist der Gegen¬
stand eines förmlichen Cultus geworden. Nicht nur daß man diesem Cultus


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[0086] Der Pariser Salon. zösischen Malerei über die deutsche sprechen kann. Es ist allerdings keine leichte Aufgabe, diese Gesellschaft von schwarzen Franken, welche auf der Tribüne den Ehren¬ platz einnimmt, malerisch interessant zu gestalten, Sie occupiren nämlich den Vorder¬ grund, während die Marschälle, Generäle und Fahnenträger in perspectivischer Verkleinerung den Mittelgrund einnehmen. Das ist alles so flau, so fast- und kraftlos gemalt, daß man ordentlich merkt, wie unheimlich sich die Maler bei ihrer Aufgabe gefühlt haben. Ein großes Bild von Protais, der sonst in Kriegsbildern von kleinerem Umfange sehr anerkeunenswerthes geleistet hat, „Die Fahne und die Armee" genannt, ist noch trostloser. Es stellt in Bilderbogenmanier eine Art Musterkarte aller Waffengattungen des französischen Heeres dar. Mit dem militärischen Ruhme von 1s. ,MNö ?rares war es also in diesem Jahre nichts. Unter demselben unglücklichen Sterne stand das Porträt und die Landschaft, Während Carolus Duranin seinen Bildnissen maßvollcrAnd minder extravagant geworden ist, entfernt sich Bonnae immer weiter von der soliden Eleganz seiner frühern Malweise. Das Porträt seines Lehrmeisters Cogniet ist mit einem fast struppigen Pinsel gemalt. Diese nervöse Technik steigert freilich den Eindruck der Lebendigkeit bis zur UnHeimlichkeit. Aber an die monumentale Ruhe des Thiersbildnisses von 1877 reicht dieses Porträt ebenso wenig heran wie das zugleich ausgestellte, im Fleischton merkwürdig bläuliche Damcnbildniß an die frühern. Vielleicht soll aber, was wir nicht wissen, bei dem Porträt Cogniets, ähnlich wie bei dem Victor Hugos vom 1879, die zerfahrene Mal¬ weise, welche in den stärksten Contrasten zwischen schwarz, grau und weiß operirt, zur Charakteristik des Dargestellte!? beitragen. Um Bonnae und Duran gruppiren sich fast alle jüngern französischen Portraitmaler. Allen gemeinsam ist eine große Noblesse der Aufführung, ein effectvolles Arrangement und das Streben nach außergewöhnlichen oder wenigstens pikanten Farbenverbinduugen. Als das merk¬ würdigste dieser Gattung ist nur das Porträt eines kleinen Mädchens in weißer Wintcrtoilette von Aublet aufgefallen: Weißes Kleid, weißer Mantel, weißer Muff mit weißem Pelz besetzt, im Hintergründe eine Weiße Draperie und auf dem Fußboden das Fell eines Eisbären! So extravagant das Ganze auch ist, so muß man doch anerkennen, daß die verschiednen Nüancen von Weiß mit großer Virtuosität gegen einander abgetönt sind und daß das rosige Gesichtchen noch Kraft genug behalten hat, um aus diesem weißen Meer empvrzutanchen. Seit Rousseau, Diaz, Duprö, Corot und Daubigny todt sind, ist die fran¬ zösische Landschaft ziemlich stark in das Hintertreffen gerathen. Es scheint, als hätten die fünf genannten, denen auch noch, um die Plejade vollständig zu machen, Conrbet und Marilhat beizuzählen sind, alles erschöpft, was in der Natur von Schönheit, Großartigkeit, Stimmungsreiz zu finden ist. Alle, welche nach ihnen gekommen sind, bewegen sich in den Grenzen der Nachahmung, wobei insbesondre Danbignh, Rousseau und Corot berücksichtigt werden. Der letztere ist der Gegen¬ stand eines förmlichen Cultus geworden. Nicht nur daß man diesem Cultus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/86>, abgerufen am 01.09.2024.