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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Rückblicke auf die Lshrerversammlung in Karlsruhe.

sie sich heben" und die Versammlung ihm dafür ein dankendes Bravo
spendet!

Mit diesem übertriebenen Standesbewußtsein hängt die außerordentliche
Reizbarkeit zusammen, welche die Lehrer zeigen, sobald es jemand jetzt wagt,
die Erfolge der modernen Schule zu bezweifeln oder Uebelstände innerhalb des
Lehrerstandes zu sehen. Man braucht nur die Lchrerzeitungen zu lesen, um dies
bewahrheitet zu finden. Es erstreckt sich hier der Kampf nicht bloß auf Be¬
urtheilung von Schul- und Lehrerverhältnissen seitens der Presse, auch die Ma߬
regeln der Regierung werden einer scharfen Kritik unterzogen, und dabei werden
Hohn und Spott nicht gespart und es fällt ein Regen der plattesten Fort-
schrittsphrnsen. Und das geschieht in Kreisen, welche darüber klagen, daß die
Autorität des Lehrers schwinde und der Staat nicht genug thue, sie zu schütze"!

Ein Uebelstand ist es ferner, daß die Lehrer als politische Partei auf¬
treten. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die allgemeine deutsche Leser¬
versammlung ein pädagogisches Thema lediglich mit Rücksicht auf die Politik
behandelte. Zu weiterer Illustrirung der Sache mag folgende Rede des Herrn
Morte (Gera) dienen: Ein unverzagtes Gottvertrauen, so begann er, sei gerade
in der jetzigen trüben Zeit den deutschen Lehrern nothwendig. "Die Tage, in
denen von hoher Stelle aus die deutschen Lehrer treue Bundes- und Kampf¬
genossen genannt wurden, sind vorüber. (Zuruf: Sehr richtig!) Verdächtigungen
und Anfeindungen aller Art und von vielen und gewichtigen Seiten haben gegen
dieselben Platz gegriffen, besonders in einem Staate, der mit vollem Rechte unter
milan deutscheu Staaten die höchste Stufe einnimmt und auf den deshalb die
Blicke des gesammten deutschen Volks am meisten gerichtet sind. In solchen
Zeiten, meine Herren, -- ja, lassen Sie uns sagen -- in solchen Zeiten der
schweren Noth giebt es für uns gewiß keinen höhern Gesichtspunkt, als wenn
loir unser Standesbewußtsein über alles hochhalten (Bravo!), den rechten Ge-
weingcist üben und in treuer Einigkeit fest zusammenstehen. . .. Zwei gewaltige
Mächte sinds vor allen Dingen, durch welche diese Hauptgrundlage eines in
wahrer und rechter Freiheit vorwärtsstrebender Lehrerthums gehoben und ge¬
tragen werden müssen: eine freimüthige pädagogische Presse und freiheit-
"thuende Vereinigungen und Lehrerversammlungen. Diese Mächte werden
deshalb auch von unsern Gegnern und Widersachern über die Maßen ange¬
feindet und verfolgt, ja, man erläßt gegen sie Sperren, welche Vorboten gleich
An achten sind (Sehr richtig!), weil man ja recht gut weiß, daß durch eine
freisinnige, alle Schäden und Gebrechen ansteckende Pädagogische Presse und
durch von dem Geiste wahrer Freiheit gehobene Lehrerversammlungen ein Geist
edler Gesinnungstüchtigkeit hineingetragen wird, der sich freilich nun und nimmer
verträgt mit der demüthigen Unterwerfung unter den Krummstab" u. s. f.

Mau sieht, hier ist ein wahrer Luxus mit dem Worte "Freiheit" getrieben.
"Ein schönes Wort, wer's nur richtig verstände," heißes im "Egmont"! Hält


Rückblicke auf die Lshrerversammlung in Karlsruhe.

sie sich heben" und die Versammlung ihm dafür ein dankendes Bravo
spendet!

Mit diesem übertriebenen Standesbewußtsein hängt die außerordentliche
Reizbarkeit zusammen, welche die Lehrer zeigen, sobald es jemand jetzt wagt,
die Erfolge der modernen Schule zu bezweifeln oder Uebelstände innerhalb des
Lehrerstandes zu sehen. Man braucht nur die Lchrerzeitungen zu lesen, um dies
bewahrheitet zu finden. Es erstreckt sich hier der Kampf nicht bloß auf Be¬
urtheilung von Schul- und Lehrerverhältnissen seitens der Presse, auch die Ma߬
regeln der Regierung werden einer scharfen Kritik unterzogen, und dabei werden
Hohn und Spott nicht gespart und es fällt ein Regen der plattesten Fort-
schrittsphrnsen. Und das geschieht in Kreisen, welche darüber klagen, daß die
Autorität des Lehrers schwinde und der Staat nicht genug thue, sie zu schütze»!

Ein Uebelstand ist es ferner, daß die Lehrer als politische Partei auf¬
treten. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die allgemeine deutsche Leser¬
versammlung ein pädagogisches Thema lediglich mit Rücksicht auf die Politik
behandelte. Zu weiterer Illustrirung der Sache mag folgende Rede des Herrn
Morte (Gera) dienen: Ein unverzagtes Gottvertrauen, so begann er, sei gerade
in der jetzigen trüben Zeit den deutschen Lehrern nothwendig. „Die Tage, in
denen von hoher Stelle aus die deutschen Lehrer treue Bundes- und Kampf¬
genossen genannt wurden, sind vorüber. (Zuruf: Sehr richtig!) Verdächtigungen
und Anfeindungen aller Art und von vielen und gewichtigen Seiten haben gegen
dieselben Platz gegriffen, besonders in einem Staate, der mit vollem Rechte unter
milan deutscheu Staaten die höchste Stufe einnimmt und auf den deshalb die
Blicke des gesammten deutschen Volks am meisten gerichtet sind. In solchen
Zeiten, meine Herren, — ja, lassen Sie uns sagen — in solchen Zeiten der
schweren Noth giebt es für uns gewiß keinen höhern Gesichtspunkt, als wenn
loir unser Standesbewußtsein über alles hochhalten (Bravo!), den rechten Ge-
weingcist üben und in treuer Einigkeit fest zusammenstehen. . .. Zwei gewaltige
Mächte sinds vor allen Dingen, durch welche diese Hauptgrundlage eines in
wahrer und rechter Freiheit vorwärtsstrebender Lehrerthums gehoben und ge¬
tragen werden müssen: eine freimüthige pädagogische Presse und freiheit-
"thuende Vereinigungen und Lehrerversammlungen. Diese Mächte werden
deshalb auch von unsern Gegnern und Widersachern über die Maßen ange¬
feindet und verfolgt, ja, man erläßt gegen sie Sperren, welche Vorboten gleich
An achten sind (Sehr richtig!), weil man ja recht gut weiß, daß durch eine
freisinnige, alle Schäden und Gebrechen ansteckende Pädagogische Presse und
durch von dem Geiste wahrer Freiheit gehobene Lehrerversammlungen ein Geist
edler Gesinnungstüchtigkeit hineingetragen wird, der sich freilich nun und nimmer
verträgt mit der demüthigen Unterwerfung unter den Krummstab" u. s. f.

Mau sieht, hier ist ein wahrer Luxus mit dem Worte „Freiheit" getrieben.
"Ein schönes Wort, wer's nur richtig verstände," heißes im „Egmont"! Hält


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[0567] Rückblicke auf die Lshrerversammlung in Karlsruhe. sie sich heben" und die Versammlung ihm dafür ein dankendes Bravo spendet! Mit diesem übertriebenen Standesbewußtsein hängt die außerordentliche Reizbarkeit zusammen, welche die Lehrer zeigen, sobald es jemand jetzt wagt, die Erfolge der modernen Schule zu bezweifeln oder Uebelstände innerhalb des Lehrerstandes zu sehen. Man braucht nur die Lchrerzeitungen zu lesen, um dies bewahrheitet zu finden. Es erstreckt sich hier der Kampf nicht bloß auf Be¬ urtheilung von Schul- und Lehrerverhältnissen seitens der Presse, auch die Ma߬ regeln der Regierung werden einer scharfen Kritik unterzogen, und dabei werden Hohn und Spott nicht gespart und es fällt ein Regen der plattesten Fort- schrittsphrnsen. Und das geschieht in Kreisen, welche darüber klagen, daß die Autorität des Lehrers schwinde und der Staat nicht genug thue, sie zu schütze»! Ein Uebelstand ist es ferner, daß die Lehrer als politische Partei auf¬ treten. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die allgemeine deutsche Leser¬ versammlung ein pädagogisches Thema lediglich mit Rücksicht auf die Politik behandelte. Zu weiterer Illustrirung der Sache mag folgende Rede des Herrn Morte (Gera) dienen: Ein unverzagtes Gottvertrauen, so begann er, sei gerade in der jetzigen trüben Zeit den deutschen Lehrern nothwendig. „Die Tage, in denen von hoher Stelle aus die deutschen Lehrer treue Bundes- und Kampf¬ genossen genannt wurden, sind vorüber. (Zuruf: Sehr richtig!) Verdächtigungen und Anfeindungen aller Art und von vielen und gewichtigen Seiten haben gegen dieselben Platz gegriffen, besonders in einem Staate, der mit vollem Rechte unter milan deutscheu Staaten die höchste Stufe einnimmt und auf den deshalb die Blicke des gesammten deutschen Volks am meisten gerichtet sind. In solchen Zeiten, meine Herren, — ja, lassen Sie uns sagen — in solchen Zeiten der schweren Noth giebt es für uns gewiß keinen höhern Gesichtspunkt, als wenn loir unser Standesbewußtsein über alles hochhalten (Bravo!), den rechten Ge- weingcist üben und in treuer Einigkeit fest zusammenstehen. . .. Zwei gewaltige Mächte sinds vor allen Dingen, durch welche diese Hauptgrundlage eines in wahrer und rechter Freiheit vorwärtsstrebender Lehrerthums gehoben und ge¬ tragen werden müssen: eine freimüthige pädagogische Presse und freiheit- "thuende Vereinigungen und Lehrerversammlungen. Diese Mächte werden deshalb auch von unsern Gegnern und Widersachern über die Maßen ange¬ feindet und verfolgt, ja, man erläßt gegen sie Sperren, welche Vorboten gleich An achten sind (Sehr richtig!), weil man ja recht gut weiß, daß durch eine freisinnige, alle Schäden und Gebrechen ansteckende Pädagogische Presse und durch von dem Geiste wahrer Freiheit gehobene Lehrerversammlungen ein Geist edler Gesinnungstüchtigkeit hineingetragen wird, der sich freilich nun und nimmer verträgt mit der demüthigen Unterwerfung unter den Krummstab" u. s. f. Mau sieht, hier ist ein wahrer Luxus mit dem Worte „Freiheit" getrieben. "Ein schönes Wort, wer's nur richtig verstände," heißes im „Egmont"! Hält

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/567>, abgerufen am 01.09.2024.