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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Rückblicke auf die Lehrerversammlung in Karlsruhe,

Die erste These der Karlsruher Versammlung fand übrigens lauten Wieder¬
hall in den fortschrittlichen Blättern, Hier fand man nicht Worte der Bewun¬
derung genug für eine solche "That," die doch keinem Menschen etwas kostete.
Ja das Berliner Tageblatt schrieb mit dem hohen sittlichen Pathos, das ihm
so gut zu Gesichte steht: "Die wüsten Agitationen, an denen sich im Laufe des
Winters einige Gymnasiallehrer und eine Anzahl unruhiger Studenten bethei¬
ligten, konnten einen Moment lang bei solchen, welche die Bedeutung einer Agi¬
tation nach dem Gepolter der Agitatoren messe", schwere Befürchtungen für die
Zukunft des deutschen Volkes erregen. Weil ein verführter Theil der studirenden
Jugend und drei oder vier Lehrer Unfug treiben, hielt man die Jugend und ihre
Bildner überhaupt für verführt und auf lange hinaus der Sache des auf¬
klärenden deutschen Fortschritts verloren. Schon jetzt kann man sehen, daß diese
Furcht zum Glück eine Täuschung war, und die in unserm Morgenblatte mit¬
getheilten Resolutionen, welche die deutschen Lehrer einstimmig in Karlsruhe
gefaßt haben, lege" hierfür beredtes Zeugniß ab. In solchen Lehrerversnmm-
lnngen dominiren die Volksschullehrer. Diese Männer, denen die Erziehung
der großen Masse der heranwachsenden Jugend obliegt und auf die deshalb die
am schwersten wiegende Verantwortlichkeit in einem Lande des allgemeinen
Stimmrechts sällt, haben bewiesen, daß sie sich dieser moralischen Verantwort¬
lichkeit bewußt sind. Trotz der reactionären Tendenz, welche die Gegenwart zu
beherrschen trachtet, sind sie fest geblieben. Es ist eine erfreuliche Botschaft, die
aus der badischen Hauptstadt herttbcrklingt: die Lehrer lassen sich nicht ein¬
schüchtern! Während die conservativen Wortführer gegen die Verirrung und
Ueberhebung der Schulmeistervereiuiguugen donnern, erklären die Lehrer ruhig,
daß ihre freien Vereine und Versammlungen ein ebenso nothwendiges als er¬
forderliches Mittel zur Hebung des Schulwesens sind, . . Der bestimmte, klare,
einfache Text der Karlsruher Beschlüsse wirkt in dieser Zeit, da eine diplomati-
sirende Sprache in den Kundgebungen einzelner politischer Parteien sich breit
macht, doppelt erfreulich. Die Lehrer stehen auf den Schanzen; sie wollen der
Schule nicht die Fortschritte wieder rauben lassen, welche ihr allenthalben in
Dentschland der frische, von der Falkschen Verwaltung in Preußen ausgehende
Hauch gebracht hat. Falk unterstützte ganz besonders die Vereinigungen der
Schulmänner: die dankbaren Lehrer, welche seine Reformen dem deutschen Volke
erzogen haben, wollen dafür sorgen, daß sie nach wie vor als Entgelt das
deutsche Volk zu Reformen erziehen können,"

Nachdem so das Berliner Tageblatt die Lehrer als Träger des aufklärenden
Fortschritts, als Erzieher zu Reformen, als mannhafte Verfechter der liberalen
Sache gegenüber der reactionären Tendenz bezeichnet hat, bedauert es schlie߬
lich, "daß die Lehrer auf diese Weise beinahe gezwungen werden, wie eine poli¬
tische Partei auszusehen," findet dies aber begreiflich, denn es sei eine Con-
sequenz unserer gestimmten Politik, die eben alle Berufsklassen zwinge, ihr


Rückblicke auf die Lehrerversammlung in Karlsruhe,

Die erste These der Karlsruher Versammlung fand übrigens lauten Wieder¬
hall in den fortschrittlichen Blättern, Hier fand man nicht Worte der Bewun¬
derung genug für eine solche „That," die doch keinem Menschen etwas kostete.
Ja das Berliner Tageblatt schrieb mit dem hohen sittlichen Pathos, das ihm
so gut zu Gesichte steht: „Die wüsten Agitationen, an denen sich im Laufe des
Winters einige Gymnasiallehrer und eine Anzahl unruhiger Studenten bethei¬
ligten, konnten einen Moment lang bei solchen, welche die Bedeutung einer Agi¬
tation nach dem Gepolter der Agitatoren messe», schwere Befürchtungen für die
Zukunft des deutschen Volkes erregen. Weil ein verführter Theil der studirenden
Jugend und drei oder vier Lehrer Unfug treiben, hielt man die Jugend und ihre
Bildner überhaupt für verführt und auf lange hinaus der Sache des auf¬
klärenden deutschen Fortschritts verloren. Schon jetzt kann man sehen, daß diese
Furcht zum Glück eine Täuschung war, und die in unserm Morgenblatte mit¬
getheilten Resolutionen, welche die deutschen Lehrer einstimmig in Karlsruhe
gefaßt haben, lege» hierfür beredtes Zeugniß ab. In solchen Lehrerversnmm-
lnngen dominiren die Volksschullehrer. Diese Männer, denen die Erziehung
der großen Masse der heranwachsenden Jugend obliegt und auf die deshalb die
am schwersten wiegende Verantwortlichkeit in einem Lande des allgemeinen
Stimmrechts sällt, haben bewiesen, daß sie sich dieser moralischen Verantwort¬
lichkeit bewußt sind. Trotz der reactionären Tendenz, welche die Gegenwart zu
beherrschen trachtet, sind sie fest geblieben. Es ist eine erfreuliche Botschaft, die
aus der badischen Hauptstadt herttbcrklingt: die Lehrer lassen sich nicht ein¬
schüchtern! Während die conservativen Wortführer gegen die Verirrung und
Ueberhebung der Schulmeistervereiuiguugen donnern, erklären die Lehrer ruhig,
daß ihre freien Vereine und Versammlungen ein ebenso nothwendiges als er¬
forderliches Mittel zur Hebung des Schulwesens sind, . . Der bestimmte, klare,
einfache Text der Karlsruher Beschlüsse wirkt in dieser Zeit, da eine diplomati-
sirende Sprache in den Kundgebungen einzelner politischer Parteien sich breit
macht, doppelt erfreulich. Die Lehrer stehen auf den Schanzen; sie wollen der
Schule nicht die Fortschritte wieder rauben lassen, welche ihr allenthalben in
Dentschland der frische, von der Falkschen Verwaltung in Preußen ausgehende
Hauch gebracht hat. Falk unterstützte ganz besonders die Vereinigungen der
Schulmänner: die dankbaren Lehrer, welche seine Reformen dem deutschen Volke
erzogen haben, wollen dafür sorgen, daß sie nach wie vor als Entgelt das
deutsche Volk zu Reformen erziehen können,"

Nachdem so das Berliner Tageblatt die Lehrer als Träger des aufklärenden
Fortschritts, als Erzieher zu Reformen, als mannhafte Verfechter der liberalen
Sache gegenüber der reactionären Tendenz bezeichnet hat, bedauert es schlie߬
lich, „daß die Lehrer auf diese Weise beinahe gezwungen werden, wie eine poli¬
tische Partei auszusehen," findet dies aber begreiflich, denn es sei eine Con-
sequenz unserer gestimmten Politik, die eben alle Berufsklassen zwinge, ihr


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[0560] Rückblicke auf die Lehrerversammlung in Karlsruhe, Die erste These der Karlsruher Versammlung fand übrigens lauten Wieder¬ hall in den fortschrittlichen Blättern, Hier fand man nicht Worte der Bewun¬ derung genug für eine solche „That," die doch keinem Menschen etwas kostete. Ja das Berliner Tageblatt schrieb mit dem hohen sittlichen Pathos, das ihm so gut zu Gesichte steht: „Die wüsten Agitationen, an denen sich im Laufe des Winters einige Gymnasiallehrer und eine Anzahl unruhiger Studenten bethei¬ ligten, konnten einen Moment lang bei solchen, welche die Bedeutung einer Agi¬ tation nach dem Gepolter der Agitatoren messe», schwere Befürchtungen für die Zukunft des deutschen Volkes erregen. Weil ein verführter Theil der studirenden Jugend und drei oder vier Lehrer Unfug treiben, hielt man die Jugend und ihre Bildner überhaupt für verführt und auf lange hinaus der Sache des auf¬ klärenden deutschen Fortschritts verloren. Schon jetzt kann man sehen, daß diese Furcht zum Glück eine Täuschung war, und die in unserm Morgenblatte mit¬ getheilten Resolutionen, welche die deutschen Lehrer einstimmig in Karlsruhe gefaßt haben, lege» hierfür beredtes Zeugniß ab. In solchen Lehrerversnmm- lnngen dominiren die Volksschullehrer. Diese Männer, denen die Erziehung der großen Masse der heranwachsenden Jugend obliegt und auf die deshalb die am schwersten wiegende Verantwortlichkeit in einem Lande des allgemeinen Stimmrechts sällt, haben bewiesen, daß sie sich dieser moralischen Verantwort¬ lichkeit bewußt sind. Trotz der reactionären Tendenz, welche die Gegenwart zu beherrschen trachtet, sind sie fest geblieben. Es ist eine erfreuliche Botschaft, die aus der badischen Hauptstadt herttbcrklingt: die Lehrer lassen sich nicht ein¬ schüchtern! Während die conservativen Wortführer gegen die Verirrung und Ueberhebung der Schulmeistervereiuiguugen donnern, erklären die Lehrer ruhig, daß ihre freien Vereine und Versammlungen ein ebenso nothwendiges als er¬ forderliches Mittel zur Hebung des Schulwesens sind, . . Der bestimmte, klare, einfache Text der Karlsruher Beschlüsse wirkt in dieser Zeit, da eine diplomati- sirende Sprache in den Kundgebungen einzelner politischer Parteien sich breit macht, doppelt erfreulich. Die Lehrer stehen auf den Schanzen; sie wollen der Schule nicht die Fortschritte wieder rauben lassen, welche ihr allenthalben in Dentschland der frische, von der Falkschen Verwaltung in Preußen ausgehende Hauch gebracht hat. Falk unterstützte ganz besonders die Vereinigungen der Schulmänner: die dankbaren Lehrer, welche seine Reformen dem deutschen Volke erzogen haben, wollen dafür sorgen, daß sie nach wie vor als Entgelt das deutsche Volk zu Reformen erziehen können," Nachdem so das Berliner Tageblatt die Lehrer als Träger des aufklärenden Fortschritts, als Erzieher zu Reformen, als mannhafte Verfechter der liberalen Sache gegenüber der reactionären Tendenz bezeichnet hat, bedauert es schlie߬ lich, „daß die Lehrer auf diese Weise beinahe gezwungen werden, wie eine poli¬ tische Partei auszusehen," findet dies aber begreiflich, denn es sei eine Con- sequenz unserer gestimmten Politik, die eben alle Berufsklassen zwinge, ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/560>, abgerufen am 01.09.2024.