Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die moderne Geschütz-Industrie.

entbehren und solcher Art sind, daß man sich durchaus nicht mit ihnen einverstanden
erklären kann, daher auch in der nachstehenden Behandlung dieses Gegenstandes
meist gerade das entgegengesetzte von jenem gefunden werden wird."

Wir haben bereits angedeutet, daß die Fabrik die Steigerung der Wirkung
nicht in der Erhöhung der Kaliber suchte, sondern bestrebt war, die vorhandnen
Kaliber nach ihrer Leistungsfähigkeit zu vervollkommnen und ihre Wirkungsfähig¬
keit den größern ebenbürtig, wenn nicht überlegen zu machen. Daß ihr dieses
gelungen ist, wird am deutlichsten durch den totalen Umschwung bewiesen, der
in dem zähen England eingetreten ist. Von dem erwähnten Feldgeschütz des
Jahres 1870 ging die Fabrik stufenweise weiter; sie hat mit ihren Neubildungen
die Gebiete der Feldartilleric, wie die der Festungs- und Belagcrungsartillerie
und die der Küsten- und Schiffsartillerie -- abgesehen von andern besondern
Specialitäten -- systematisch besetzt und hat die einzelnen Gruppen auf eine
Höhe der Vereinfachung gehoben, welche bei der Entstehung der gezogenen Ge¬
schütze erhofft war, aber nicht zur Verwirklichung gekommen ist. In einem Vor¬
worte zu der "Ballistik der gezogenen Geschütze" von dem damaligen Oberfeuer¬
werker Martin Prehn schrieb Oberst Neumann im Jahre 1863, wenn auch in
besondrer Anwendung auf die Lehre der Ballistik: "Vereinfachung ist entweder
schon an und für sich gleichbedeutend mit Vervollkommnung oder doch wenigstens
die erste und sicherste Grundlage für jede Vervollkommnung." Dies ist aber
eine für das Waffenwesen gemeingiltige Wahrheit, und es gewährt uns hohe
Befriedigung, gerade jetzt dieses Wort des Schöpfers unsrer gezogenen Geschütze
anführen zu können, nachdem sich vor kurzem erst das Grab über seiner irdischen
Hülle geschlossen hat. Generallieutenant von Neumann ist an: 30. April in
hohem Alter in Berlin gestorben. Sein Andenken aber wird für alle Zeit in
Ehren bleiben. Denn nur einem so einsichtsvollen Geiste konnte es gelingen,
die neue Entwicklung mit der Kraft der Ausdauer zu leiten und zu beleben,
welche ihre festen Wurzeln in der ballistischen Erkenntniß geschlagen hatte.

Gehen wir nun zu einer kurzen Darstellung der erzielten Hauptmomente
der Wirkung ein und beginnen wir mit dem wichtigsten Theile der Kruppschen
Geschütze, mit deu Kauonen. Es siud dieses die langen Geschützrohre zum Schießen
gegen Vertiealziele bei flacher Flughahn. Vornehmlich die überlegenen Leistungen
gegen Panzerungen haben hier in der neuern Zeit die Aufmerksamkeit auf die
Kruppschen Geschütze gelenkt. Wir sehen da Kanonen von nur 15 Centimeter
Kaliber, welche auf nahe Entfernung Panzerplatten von 30,5 Centimeter (12 Zoll)
Stärke durchschlagen und bei einem Auftreffwinkel von 65 Grad noch solche von
20,5 Centimeter Stärke. Daran schließt sich auswärts die 24 Centimeter-Ka¬
none, welche ebenfalls Panzerplatten von der doppelten Stärke des Kalibers
und noch mehr durchschießt, und zwar mit großem Ueberschuß. Die 16 Ccntimeter-
Kanone hat nur ein Gewicht von etwa 4 Tonnen (80 Centner), die 24 Centimeter-
Kcmvne ein solches von 18 Tonnen. Daraus folgen die Riesenkanonen von 62


Die moderne Geschütz-Industrie.

entbehren und solcher Art sind, daß man sich durchaus nicht mit ihnen einverstanden
erklären kann, daher auch in der nachstehenden Behandlung dieses Gegenstandes
meist gerade das entgegengesetzte von jenem gefunden werden wird."

Wir haben bereits angedeutet, daß die Fabrik die Steigerung der Wirkung
nicht in der Erhöhung der Kaliber suchte, sondern bestrebt war, die vorhandnen
Kaliber nach ihrer Leistungsfähigkeit zu vervollkommnen und ihre Wirkungsfähig¬
keit den größern ebenbürtig, wenn nicht überlegen zu machen. Daß ihr dieses
gelungen ist, wird am deutlichsten durch den totalen Umschwung bewiesen, der
in dem zähen England eingetreten ist. Von dem erwähnten Feldgeschütz des
Jahres 1870 ging die Fabrik stufenweise weiter; sie hat mit ihren Neubildungen
die Gebiete der Feldartilleric, wie die der Festungs- und Belagcrungsartillerie
und die der Küsten- und Schiffsartillerie — abgesehen von andern besondern
Specialitäten — systematisch besetzt und hat die einzelnen Gruppen auf eine
Höhe der Vereinfachung gehoben, welche bei der Entstehung der gezogenen Ge¬
schütze erhofft war, aber nicht zur Verwirklichung gekommen ist. In einem Vor¬
worte zu der „Ballistik der gezogenen Geschütze" von dem damaligen Oberfeuer¬
werker Martin Prehn schrieb Oberst Neumann im Jahre 1863, wenn auch in
besondrer Anwendung auf die Lehre der Ballistik: „Vereinfachung ist entweder
schon an und für sich gleichbedeutend mit Vervollkommnung oder doch wenigstens
die erste und sicherste Grundlage für jede Vervollkommnung." Dies ist aber
eine für das Waffenwesen gemeingiltige Wahrheit, und es gewährt uns hohe
Befriedigung, gerade jetzt dieses Wort des Schöpfers unsrer gezogenen Geschütze
anführen zu können, nachdem sich vor kurzem erst das Grab über seiner irdischen
Hülle geschlossen hat. Generallieutenant von Neumann ist an: 30. April in
hohem Alter in Berlin gestorben. Sein Andenken aber wird für alle Zeit in
Ehren bleiben. Denn nur einem so einsichtsvollen Geiste konnte es gelingen,
die neue Entwicklung mit der Kraft der Ausdauer zu leiten und zu beleben,
welche ihre festen Wurzeln in der ballistischen Erkenntniß geschlagen hatte.

Gehen wir nun zu einer kurzen Darstellung der erzielten Hauptmomente
der Wirkung ein und beginnen wir mit dem wichtigsten Theile der Kruppschen
Geschütze, mit deu Kauonen. Es siud dieses die langen Geschützrohre zum Schießen
gegen Vertiealziele bei flacher Flughahn. Vornehmlich die überlegenen Leistungen
gegen Panzerungen haben hier in der neuern Zeit die Aufmerksamkeit auf die
Kruppschen Geschütze gelenkt. Wir sehen da Kanonen von nur 15 Centimeter
Kaliber, welche auf nahe Entfernung Panzerplatten von 30,5 Centimeter (12 Zoll)
Stärke durchschlagen und bei einem Auftreffwinkel von 65 Grad noch solche von
20,5 Centimeter Stärke. Daran schließt sich auswärts die 24 Centimeter-Ka¬
none, welche ebenfalls Panzerplatten von der doppelten Stärke des Kalibers
und noch mehr durchschießt, und zwar mit großem Ueberschuß. Die 16 Ccntimeter-
Kanone hat nur ein Gewicht von etwa 4 Tonnen (80 Centner), die 24 Centimeter-
Kcmvne ein solches von 18 Tonnen. Daraus folgen die Riesenkanonen von 62


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150701"/>
          <fw type="header" place="top"> Die moderne Geschütz-Industrie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1752" prev="#ID_1751"> entbehren und solcher Art sind, daß man sich durchaus nicht mit ihnen einverstanden<lb/>
erklären kann, daher auch in der nachstehenden Behandlung dieses Gegenstandes<lb/>
meist gerade das entgegengesetzte von jenem gefunden werden wird."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1753"> Wir haben bereits angedeutet, daß die Fabrik die Steigerung der Wirkung<lb/>
nicht in der Erhöhung der Kaliber suchte, sondern bestrebt war, die vorhandnen<lb/>
Kaliber nach ihrer Leistungsfähigkeit zu vervollkommnen und ihre Wirkungsfähig¬<lb/>
keit den größern ebenbürtig, wenn nicht überlegen zu machen. Daß ihr dieses<lb/>
gelungen ist, wird am deutlichsten durch den totalen Umschwung bewiesen, der<lb/>
in dem zähen England eingetreten ist. Von dem erwähnten Feldgeschütz des<lb/>
Jahres 1870 ging die Fabrik stufenweise weiter; sie hat mit ihren Neubildungen<lb/>
die Gebiete der Feldartilleric, wie die der Festungs- und Belagcrungsartillerie<lb/>
und die der Küsten- und Schiffsartillerie &#x2014; abgesehen von andern besondern<lb/>
Specialitäten &#x2014; systematisch besetzt und hat die einzelnen Gruppen auf eine<lb/>
Höhe der Vereinfachung gehoben, welche bei der Entstehung der gezogenen Ge¬<lb/>
schütze erhofft war, aber nicht zur Verwirklichung gekommen ist. In einem Vor¬<lb/>
worte zu der &#x201E;Ballistik der gezogenen Geschütze" von dem damaligen Oberfeuer¬<lb/>
werker Martin Prehn schrieb Oberst Neumann im Jahre 1863, wenn auch in<lb/>
besondrer Anwendung auf die Lehre der Ballistik: &#x201E;Vereinfachung ist entweder<lb/>
schon an und für sich gleichbedeutend mit Vervollkommnung oder doch wenigstens<lb/>
die erste und sicherste Grundlage für jede Vervollkommnung." Dies ist aber<lb/>
eine für das Waffenwesen gemeingiltige Wahrheit, und es gewährt uns hohe<lb/>
Befriedigung, gerade jetzt dieses Wort des Schöpfers unsrer gezogenen Geschütze<lb/>
anführen zu können, nachdem sich vor kurzem erst das Grab über seiner irdischen<lb/>
Hülle geschlossen hat. Generallieutenant von Neumann ist an: 30. April in<lb/>
hohem Alter in Berlin gestorben. Sein Andenken aber wird für alle Zeit in<lb/>
Ehren bleiben. Denn nur einem so einsichtsvollen Geiste konnte es gelingen,<lb/>
die neue Entwicklung mit der Kraft der Ausdauer zu leiten und zu beleben,<lb/>
welche ihre festen Wurzeln in der ballistischen Erkenntniß geschlagen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1754" next="#ID_1755"> Gehen wir nun zu einer kurzen Darstellung der erzielten Hauptmomente<lb/>
der Wirkung ein und beginnen wir mit dem wichtigsten Theile der Kruppschen<lb/>
Geschütze, mit deu Kauonen. Es siud dieses die langen Geschützrohre zum Schießen<lb/>
gegen Vertiealziele bei flacher Flughahn. Vornehmlich die überlegenen Leistungen<lb/>
gegen Panzerungen haben hier in der neuern Zeit die Aufmerksamkeit auf die<lb/>
Kruppschen Geschütze gelenkt. Wir sehen da Kanonen von nur 15 Centimeter<lb/>
Kaliber, welche auf nahe Entfernung Panzerplatten von 30,5 Centimeter (12 Zoll)<lb/>
Stärke durchschlagen und bei einem Auftreffwinkel von 65 Grad noch solche von<lb/>
20,5 Centimeter Stärke. Daran schließt sich auswärts die 24 Centimeter-Ka¬<lb/>
none, welche ebenfalls Panzerplatten von der doppelten Stärke des Kalibers<lb/>
und noch mehr durchschießt, und zwar mit großem Ueberschuß. Die 16 Ccntimeter-<lb/>
Kanone hat nur ein Gewicht von etwa 4 Tonnen (80 Centner), die 24 Centimeter-<lb/>
Kcmvne ein solches von 18 Tonnen. Daraus folgen die Riesenkanonen von 62</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0551] Die moderne Geschütz-Industrie. entbehren und solcher Art sind, daß man sich durchaus nicht mit ihnen einverstanden erklären kann, daher auch in der nachstehenden Behandlung dieses Gegenstandes meist gerade das entgegengesetzte von jenem gefunden werden wird." Wir haben bereits angedeutet, daß die Fabrik die Steigerung der Wirkung nicht in der Erhöhung der Kaliber suchte, sondern bestrebt war, die vorhandnen Kaliber nach ihrer Leistungsfähigkeit zu vervollkommnen und ihre Wirkungsfähig¬ keit den größern ebenbürtig, wenn nicht überlegen zu machen. Daß ihr dieses gelungen ist, wird am deutlichsten durch den totalen Umschwung bewiesen, der in dem zähen England eingetreten ist. Von dem erwähnten Feldgeschütz des Jahres 1870 ging die Fabrik stufenweise weiter; sie hat mit ihren Neubildungen die Gebiete der Feldartilleric, wie die der Festungs- und Belagcrungsartillerie und die der Küsten- und Schiffsartillerie — abgesehen von andern besondern Specialitäten — systematisch besetzt und hat die einzelnen Gruppen auf eine Höhe der Vereinfachung gehoben, welche bei der Entstehung der gezogenen Ge¬ schütze erhofft war, aber nicht zur Verwirklichung gekommen ist. In einem Vor¬ worte zu der „Ballistik der gezogenen Geschütze" von dem damaligen Oberfeuer¬ werker Martin Prehn schrieb Oberst Neumann im Jahre 1863, wenn auch in besondrer Anwendung auf die Lehre der Ballistik: „Vereinfachung ist entweder schon an und für sich gleichbedeutend mit Vervollkommnung oder doch wenigstens die erste und sicherste Grundlage für jede Vervollkommnung." Dies ist aber eine für das Waffenwesen gemeingiltige Wahrheit, und es gewährt uns hohe Befriedigung, gerade jetzt dieses Wort des Schöpfers unsrer gezogenen Geschütze anführen zu können, nachdem sich vor kurzem erst das Grab über seiner irdischen Hülle geschlossen hat. Generallieutenant von Neumann ist an: 30. April in hohem Alter in Berlin gestorben. Sein Andenken aber wird für alle Zeit in Ehren bleiben. Denn nur einem so einsichtsvollen Geiste konnte es gelingen, die neue Entwicklung mit der Kraft der Ausdauer zu leiten und zu beleben, welche ihre festen Wurzeln in der ballistischen Erkenntniß geschlagen hatte. Gehen wir nun zu einer kurzen Darstellung der erzielten Hauptmomente der Wirkung ein und beginnen wir mit dem wichtigsten Theile der Kruppschen Geschütze, mit deu Kauonen. Es siud dieses die langen Geschützrohre zum Schießen gegen Vertiealziele bei flacher Flughahn. Vornehmlich die überlegenen Leistungen gegen Panzerungen haben hier in der neuern Zeit die Aufmerksamkeit auf die Kruppschen Geschütze gelenkt. Wir sehen da Kanonen von nur 15 Centimeter Kaliber, welche auf nahe Entfernung Panzerplatten von 30,5 Centimeter (12 Zoll) Stärke durchschlagen und bei einem Auftreffwinkel von 65 Grad noch solche von 20,5 Centimeter Stärke. Daran schließt sich auswärts die 24 Centimeter-Ka¬ none, welche ebenfalls Panzerplatten von der doppelten Stärke des Kalibers und noch mehr durchschießt, und zwar mit großem Ueberschuß. Die 16 Ccntimeter- Kanone hat nur ein Gewicht von etwa 4 Tonnen (80 Centner), die 24 Centimeter- Kcmvne ein solches von 18 Tonnen. Daraus folgen die Riesenkanonen von 62

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/551
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/551>, abgerufen am 01.09.2024.