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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die ägyptische Frage.

auf eine bessere Zukunft. Die englisch-französische Geschäftsführung hat also
befriedigende Ergebnisse geliefert, und wenn sich jetzt zeigt, daß sie nicht fort¬
bestehen kann, so lange man nicht die Ansprüche der militärischen Verschwörer
und derer, die hinter ihnen stehen, zurückgewiesen und deren Wiederhervortreten
unmöglich gemacht hat, so darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß jene
Geschäftsführung ein Ende nehmen, sondern den, daß sie gestärkt und zu diesem
Behufe mit den Mitteln ausgerüstet werden muß, der ihr drohenden Gefahr
Herr zu werden.

Außer England und Frankreich haben aber an der ägyptischen Liquida¬
tionscommission und der Errichtung internationaler Gerichtshöfe auch andere
Mächte theilgenommen, und von diesen würde sich wenigstens eine, Italien
nämlich, gern unmittelbarer und bleibender an der Administration Aegyptens
betheiligt haben. Nach Aeußerungen der italienischen Presse würde Italien
jetzt nicht ungeneigt sein, die Gelegenheit zu benutzen, das nachzuholen, was
damals unterblieben ist. Erstens ist Italien zwar begreiflicherweise eifersüchtig
ans den französischen Einfluß in Acgypten, aber nicht eifersüchtig auf den eng-
lischen, da England dem Mittelmeere fern liegt und Aegyptens Lage an der
großen Seestraße nach Britisch-Indien den Engländern mehr Recht zu ver¬
leihen scheint, wenn sie am Nil die Vormacht zu sein wünschen. Zweitens
aber würde eine eifersüchtige Haltung Italiens gegenüber England, wenn sie
existirte, ein Grund mehr zu Gunsten der den wenigsten Einwürfen ausgesetzten
Lösung der Schwierigkeit sein. Darüber wird man in England wenigstens
kaum vielem Zweifel begegnen.

Die gemeinsam von Frankreich und England ausgeübte Controle über
das Justiz- und Finanzwesen Aegyptens hat in England so wenig Gegner wie
in Frankreich. Etwas andres ist es mit einer gemeinsamen militärischen
Intervention der Engländer und Franzosen. In Frankreich würde eine solche
Maßregel wohl von allen Parteien gern gesehen, in England würde sie sicher
von allen als gefährlich betrachtet und verworfen werden. Alle Londoner
Blätter, die wir sahen, dringen auf eine Auflösung und Reorganisation der
ägyptischen Armee, die nöthigenfalls mit Gewalt herbeigeführt werden müsse.
Aber fast alle betonen auch, daß eine militärische Kooperation Frankreichs und
Englands mit großen Schwierigkeiten verknüpft sein werde und zu einer Auf¬
lösung des Dual-Proteetorats der beiden Westmächte führen könne. So die
Times, der Observcr, der Standard, so auch der Daily Telegraph, welcher
sagt: "Keine Maßregel könnte dem Volke unsres Landes mehr gegen den Strich
gehen, als die Absendung eines halben Dutzends englischer und ebensovielcr
französischer Regimenter nach Kairo, um bei der Entwaffnung der ägyptischen
Truppen und der Ersetzung derselben durch eine eilig geschaffene andere Armee
mitzuwirken. Die Kosten würden groß, die Schwierigkeit, zu einem vollstän¬
digen Einvernehmen zu gelangen, ernst, die Reibung zwischen den beiden Cor-


Die ägyptische Frage.

auf eine bessere Zukunft. Die englisch-französische Geschäftsführung hat also
befriedigende Ergebnisse geliefert, und wenn sich jetzt zeigt, daß sie nicht fort¬
bestehen kann, so lange man nicht die Ansprüche der militärischen Verschwörer
und derer, die hinter ihnen stehen, zurückgewiesen und deren Wiederhervortreten
unmöglich gemacht hat, so darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß jene
Geschäftsführung ein Ende nehmen, sondern den, daß sie gestärkt und zu diesem
Behufe mit den Mitteln ausgerüstet werden muß, der ihr drohenden Gefahr
Herr zu werden.

Außer England und Frankreich haben aber an der ägyptischen Liquida¬
tionscommission und der Errichtung internationaler Gerichtshöfe auch andere
Mächte theilgenommen, und von diesen würde sich wenigstens eine, Italien
nämlich, gern unmittelbarer und bleibender an der Administration Aegyptens
betheiligt haben. Nach Aeußerungen der italienischen Presse würde Italien
jetzt nicht ungeneigt sein, die Gelegenheit zu benutzen, das nachzuholen, was
damals unterblieben ist. Erstens ist Italien zwar begreiflicherweise eifersüchtig
ans den französischen Einfluß in Acgypten, aber nicht eifersüchtig auf den eng-
lischen, da England dem Mittelmeere fern liegt und Aegyptens Lage an der
großen Seestraße nach Britisch-Indien den Engländern mehr Recht zu ver¬
leihen scheint, wenn sie am Nil die Vormacht zu sein wünschen. Zweitens
aber würde eine eifersüchtige Haltung Italiens gegenüber England, wenn sie
existirte, ein Grund mehr zu Gunsten der den wenigsten Einwürfen ausgesetzten
Lösung der Schwierigkeit sein. Darüber wird man in England wenigstens
kaum vielem Zweifel begegnen.

Die gemeinsam von Frankreich und England ausgeübte Controle über
das Justiz- und Finanzwesen Aegyptens hat in England so wenig Gegner wie
in Frankreich. Etwas andres ist es mit einer gemeinsamen militärischen
Intervention der Engländer und Franzosen. In Frankreich würde eine solche
Maßregel wohl von allen Parteien gern gesehen, in England würde sie sicher
von allen als gefährlich betrachtet und verworfen werden. Alle Londoner
Blätter, die wir sahen, dringen auf eine Auflösung und Reorganisation der
ägyptischen Armee, die nöthigenfalls mit Gewalt herbeigeführt werden müsse.
Aber fast alle betonen auch, daß eine militärische Kooperation Frankreichs und
Englands mit großen Schwierigkeiten verknüpft sein werde und zu einer Auf¬
lösung des Dual-Proteetorats der beiden Westmächte führen könne. So die
Times, der Observcr, der Standard, so auch der Daily Telegraph, welcher
sagt: „Keine Maßregel könnte dem Volke unsres Landes mehr gegen den Strich
gehen, als die Absendung eines halben Dutzends englischer und ebensovielcr
französischer Regimenter nach Kairo, um bei der Entwaffnung der ägyptischen
Truppen und der Ersetzung derselben durch eine eilig geschaffene andere Armee
mitzuwirken. Die Kosten würden groß, die Schwierigkeit, zu einem vollstän¬
digen Einvernehmen zu gelangen, ernst, die Reibung zwischen den beiden Cor-


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[0537] Die ägyptische Frage. auf eine bessere Zukunft. Die englisch-französische Geschäftsführung hat also befriedigende Ergebnisse geliefert, und wenn sich jetzt zeigt, daß sie nicht fort¬ bestehen kann, so lange man nicht die Ansprüche der militärischen Verschwörer und derer, die hinter ihnen stehen, zurückgewiesen und deren Wiederhervortreten unmöglich gemacht hat, so darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß jene Geschäftsführung ein Ende nehmen, sondern den, daß sie gestärkt und zu diesem Behufe mit den Mitteln ausgerüstet werden muß, der ihr drohenden Gefahr Herr zu werden. Außer England und Frankreich haben aber an der ägyptischen Liquida¬ tionscommission und der Errichtung internationaler Gerichtshöfe auch andere Mächte theilgenommen, und von diesen würde sich wenigstens eine, Italien nämlich, gern unmittelbarer und bleibender an der Administration Aegyptens betheiligt haben. Nach Aeußerungen der italienischen Presse würde Italien jetzt nicht ungeneigt sein, die Gelegenheit zu benutzen, das nachzuholen, was damals unterblieben ist. Erstens ist Italien zwar begreiflicherweise eifersüchtig ans den französischen Einfluß in Acgypten, aber nicht eifersüchtig auf den eng- lischen, da England dem Mittelmeere fern liegt und Aegyptens Lage an der großen Seestraße nach Britisch-Indien den Engländern mehr Recht zu ver¬ leihen scheint, wenn sie am Nil die Vormacht zu sein wünschen. Zweitens aber würde eine eifersüchtige Haltung Italiens gegenüber England, wenn sie existirte, ein Grund mehr zu Gunsten der den wenigsten Einwürfen ausgesetzten Lösung der Schwierigkeit sein. Darüber wird man in England wenigstens kaum vielem Zweifel begegnen. Die gemeinsam von Frankreich und England ausgeübte Controle über das Justiz- und Finanzwesen Aegyptens hat in England so wenig Gegner wie in Frankreich. Etwas andres ist es mit einer gemeinsamen militärischen Intervention der Engländer und Franzosen. In Frankreich würde eine solche Maßregel wohl von allen Parteien gern gesehen, in England würde sie sicher von allen als gefährlich betrachtet und verworfen werden. Alle Londoner Blätter, die wir sahen, dringen auf eine Auflösung und Reorganisation der ägyptischen Armee, die nöthigenfalls mit Gewalt herbeigeführt werden müsse. Aber fast alle betonen auch, daß eine militärische Kooperation Frankreichs und Englands mit großen Schwierigkeiten verknüpft sein werde und zu einer Auf¬ lösung des Dual-Proteetorats der beiden Westmächte führen könne. So die Times, der Observcr, der Standard, so auch der Daily Telegraph, welcher sagt: „Keine Maßregel könnte dem Volke unsres Landes mehr gegen den Strich gehen, als die Absendung eines halben Dutzends englischer und ebensovielcr französischer Regimenter nach Kairo, um bei der Entwaffnung der ägyptischen Truppen und der Ersetzung derselben durch eine eilig geschaffene andere Armee mitzuwirken. Die Kosten würden groß, die Schwierigkeit, zu einem vollstän¬ digen Einvernehmen zu gelangen, ernst, die Reibung zwischen den beiden Cor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/537>, abgerufen am 01.09.2024.