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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die ägyptische Frage,

gelungen ist, war ein großer Fehler begangen worden: man hatte die ägyptische
Armee nicht genügend vermindert, und diese wurde infolge dessen, da sie keine
ausreichende Beschäftigung fand und das müßige Kasernenleben eine Stimmung
erzeugte, welche die vom Ruder verdrängte Partei zu ihren Zwecken benutzen
konnte, mit der Zeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Mehrmals
brachen kleine Militäraufstände aus, und endlich folgte denselben die Emeute
vom anfangs genannten Tage, deren unmittelbare Ursache folgende war. Der
Premierminister Riaz Pascha hatte beschlossen, das 4. Regiment, dessen Befehls¬
haber der Oberst Achmed El Arabi ist, von Kairo nach Alexandrien zu ver¬
legen. Dies erregte die Unzufriedenheit der Offiziere und Soldaten. Der Khe-
dive wurde gewarnt und schickte nach Riaz. Inzwischen erhielt der Kriegsminister
Daub Pascha ein von Arabi und andern Obersten der Garnison von Kairo
unterzeichnetes Schriftstück, worin erklärt wurde, die Armee verlange die Ent¬
lassung der Minister, Vermehrung der Truppen nach den Vorschlägen des
Armee-Comites und eine constitutionelle Verfassung. Werde dies verweigert,
so würden die Regimenter nachmittags Uhr nach dem Palaste Abdin, dem
Residenzschlosse des Khedive, marschiren und vor demselben so lange bleiben,
bis die gedachten Forderungen erfüllt wären. Riaz habe Aegypten an England
verkauft. Der Kriegsminister meldete dies dem Khedive, und dieser ließ den
englischen Generalcontroleur Cölpin zu sich bitten, um seinen Rath in der Sache
zu vernehmen. Cölpin rieth, den Meuterern zuvorzukommen, die treugebliebenen
Regimenter und die Polizei von Kairo um den genannten Palast zu sammeln
und mit ihnen das Heranrücken der Aufständischen zu erwarten, deren Rädels¬
führer darauf verhaftet werden sollten. Da Riaz diesen Vorschlag gut hieß,
so begab sich der Chedive mit Cölpin nach der Citadelle, wo die Truppen sich
loyal zeigten. Statt aber nun mit denselben sofort nach dem Paläste Abdin
zurückzukehren, begab sich der Khedive erst nach dem entfernten Abassieh-Palast,
um ein andres Regiment zu besuchen. Er fand aber, daß es abgezogen war,
und als er nun nach dem Palast Abdin fuhr, sah er denselben von ca. 4000
Mann mit 18 Kanonen umzingelt. Der Khedive wollte das Gebäude durch
einen Seitenweg betreten, Cölpin aber bat ihn, sich den Truppen auf der
Vorderseite zu zeigen und Arabi, der, umgeben von andern Obersten, mit gezognen:
Säbel auf ihn zuritt, zu verhaften. Der Khedive zögerte und hieß Arabi nur
absteigen und den Säbel in die Scheide stecken. Dann fragte er nach seinem
Begehr. Arabi erwiderte: "Wir kommen, um Gerechtigkeit zu fordern, gewahrst
du sie, so bleibst du unser Gebieter; wo nicht, so haben wir einen Nachfolger
bereit." Der Khedive zog sich auf diese dreiste Rede mit seinem Gefolge zurück
und wies feinen englischen Rathgeber an, mit den meuterischen Offizieren Unter¬
handlungen anzuknüpfen. Dies geschah und endigte damit, daß die Führer der
Aufständischen sich auf Colvins Vorschlag bereit erklärten, ihre beiden letztern
Forderungen der Entscheidung der Pforte zu überlassen und daß ihr Verlange"


Die ägyptische Frage,

gelungen ist, war ein großer Fehler begangen worden: man hatte die ägyptische
Armee nicht genügend vermindert, und diese wurde infolge dessen, da sie keine
ausreichende Beschäftigung fand und das müßige Kasernenleben eine Stimmung
erzeugte, welche die vom Ruder verdrängte Partei zu ihren Zwecken benutzen
konnte, mit der Zeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Mehrmals
brachen kleine Militäraufstände aus, und endlich folgte denselben die Emeute
vom anfangs genannten Tage, deren unmittelbare Ursache folgende war. Der
Premierminister Riaz Pascha hatte beschlossen, das 4. Regiment, dessen Befehls¬
haber der Oberst Achmed El Arabi ist, von Kairo nach Alexandrien zu ver¬
legen. Dies erregte die Unzufriedenheit der Offiziere und Soldaten. Der Khe-
dive wurde gewarnt und schickte nach Riaz. Inzwischen erhielt der Kriegsminister
Daub Pascha ein von Arabi und andern Obersten der Garnison von Kairo
unterzeichnetes Schriftstück, worin erklärt wurde, die Armee verlange die Ent¬
lassung der Minister, Vermehrung der Truppen nach den Vorschlägen des
Armee-Comites und eine constitutionelle Verfassung. Werde dies verweigert,
so würden die Regimenter nachmittags Uhr nach dem Palaste Abdin, dem
Residenzschlosse des Khedive, marschiren und vor demselben so lange bleiben,
bis die gedachten Forderungen erfüllt wären. Riaz habe Aegypten an England
verkauft. Der Kriegsminister meldete dies dem Khedive, und dieser ließ den
englischen Generalcontroleur Cölpin zu sich bitten, um seinen Rath in der Sache
zu vernehmen. Cölpin rieth, den Meuterern zuvorzukommen, die treugebliebenen
Regimenter und die Polizei von Kairo um den genannten Palast zu sammeln
und mit ihnen das Heranrücken der Aufständischen zu erwarten, deren Rädels¬
führer darauf verhaftet werden sollten. Da Riaz diesen Vorschlag gut hieß,
so begab sich der Chedive mit Cölpin nach der Citadelle, wo die Truppen sich
loyal zeigten. Statt aber nun mit denselben sofort nach dem Paläste Abdin
zurückzukehren, begab sich der Khedive erst nach dem entfernten Abassieh-Palast,
um ein andres Regiment zu besuchen. Er fand aber, daß es abgezogen war,
und als er nun nach dem Palast Abdin fuhr, sah er denselben von ca. 4000
Mann mit 18 Kanonen umzingelt. Der Khedive wollte das Gebäude durch
einen Seitenweg betreten, Cölpin aber bat ihn, sich den Truppen auf der
Vorderseite zu zeigen und Arabi, der, umgeben von andern Obersten, mit gezognen:
Säbel auf ihn zuritt, zu verhaften. Der Khedive zögerte und hieß Arabi nur
absteigen und den Säbel in die Scheide stecken. Dann fragte er nach seinem
Begehr. Arabi erwiderte: „Wir kommen, um Gerechtigkeit zu fordern, gewahrst
du sie, so bleibst du unser Gebieter; wo nicht, so haben wir einen Nachfolger
bereit." Der Khedive zog sich auf diese dreiste Rede mit seinem Gefolge zurück
und wies feinen englischen Rathgeber an, mit den meuterischen Offizieren Unter¬
handlungen anzuknüpfen. Dies geschah und endigte damit, daß die Führer der
Aufständischen sich auf Colvins Vorschlag bereit erklärten, ihre beiden letztern
Forderungen der Entscheidung der Pforte zu überlassen und daß ihr Verlange»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/534>, abgerufen am 01.09.2024.